Pflicht zu Mehrweggeschirr in der Gastronomie - in Rheinland-Pfalz ist das nach einem halben Jahr noch nicht zur Regel geworden

Test der Verbraucherzentrale

Mehrweg-Pflicht bei to go - schmeckt nicht jedem in RLP

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Autor/in
Andrea Lohmann
Andrea Lohmann, Online-Redakteurin bei SWR Rheinland-Pfalz Aktuell

Seit Januar müssen Gastronomen Mehrwegverpackungen anbieten, wenn sie Essen oder Getränke to go verkaufen. Doch offenbar schmeckt die Regel noch nicht jedem Wirt - und nicht jedem Kunden.

Ein Test der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz unter 76 Betrieben in rheinland-pfälzischen Städten hat aktuell ergeben, dass ein halbes Jahr nach Einführung der Pflicht nur gut die Hälfte der Betriebe Mehrwegbehälter anbietet. Auch bekannte Kaffehaus- und Bäckerketten seien bei dem Test durchgefallen. Kinos setzten hingegen die Angebotspflicht zu 100 Prozent um. Am schlechtesten schnitten Tankstellen ab, nur 33 Prozent halten sich an die Vorschrift.

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Mehr Mehrweg als Pfandsystem

Einige Betriebe bieten demnach überhaupt keine Mehrwegverpackungen an, bei anderen müssen die Mehrwegbehälter gekauft werden. Beides ist nicht korrekt, denn: Seit Anfang des Jahres müssen Restaurants, Bistros und Bäckereien, die ihr Essen auch zum Mitnehmen anbieten, kostenlose Mehrwegverpackungen bereitstellen. Pfand hingegen darf erhoben werden. Von der Novelle ausgenommen sind kleinere Geschäfte wie Imbisse und Kioske.

Nachgeschaut haben die Verbraucherschützer bei Betrieben in Mainz, Ludwigshafen, Trier und Koblenz. Mindestens 35 Prozent von den geprüften Betrieben kämen der Angebotspflicht nicht nach. Doch woran liegt's?

Zu teuer, zu kompliziert, zu wenig Infos - oder einfach keinen Bock?

Beim Landesverband des Hotel- und Gaststättengewerbes (Dehoga) geht man davon aus, dass es ein Potpourri an Gründen ist - Dehoga-Präsident Gereon Haumann subsumiert es unter der Überschrift: "Mangelnde Information." Er sieht, dass in den vielen Klein- und Kleinstbetrieben im Land noch immer Mitarbeiter fehlen, die Inhaber rund um die Uhr arbeiten und zudem Inflationssorgen und Überlebensängste hinzukommen.

"Ich vermute, dass es auf keinen Fall mangelnder Wille ist", meint Haumann. Es gebe auch in den kleinen Betrieben in der Regel kein Backoffice, das sich fern der Kochtöpfe um neue Vorschriften kümmern könnte. Viele Betriebe seien auch nicht im Dehoga-Verband organisiert. Ihnen fehlten die Informationen, die es von dort gebe.

Einweg-Kaffeebecher  - täglich wandern Hunderttausende Wegwerfbecher im Müll
Einweg-Kaffeebecher sind wohl noch immer der Standard.

Verbraucherzentrale: Weg mit den Ausnahmen, her mit den Kontrollen

Aus Sicht der Verbraucherschützer gibt es aber durchaus noch andere Gründe, warum es mit dem Mehrwegsystem nicht wirklich läuft. Derzeit gibt es weiter Ausnahmen für Restaurants, die ihr Essen in Papp- oder Alubehältern anbieten - sie sind von der Mehrwegpflicht befreit. "Einwegverpackungen aus Karton sind keine akzeptable Alternative", bemängelte die Verbraucherzentrale und begründet: "Sie sind ressourcenintensiv und nicht wiederverwertbar."

Und dann ist da noch die Sache mit den Kontrollen, für die die Landkreis- oder Stadtverwaltungen zuständig seien. Diese finden laut Verbraucherzentrale derzeit kaum statt. So werde sich die Nutzung von Mehrwegverpackungen nicht durchsetzen.

Wann und wie wird es besser?

Haumann geht davon aus, dass Gastwirte mit dem ruhiger werdenden Geschäft im Herbst den Kopf wieder frei haben für Fragen wie Mehrwegsysteme. Und ansonsten ist es eigentlich wie immer: Das liebe Geld ist der Knackpunkt - nur wüssten eben viele Gastgeber auch noch nicht, dass die Mehrwegsysteme mittlerweile billiger seien als die Einwegverpackung. "Deshalb kann der Grund für die schlechte Quote eigentlich nur mangelnde Information sein."

Trotz aller Hürden und trotz der schleichenden Ausbreitung des Systems ist Haumann optimistisch: "Ich bin überzeugt, dass das Mehrweggeschirr Ende 2024 ganz normal sein wird."

Mehrweg mittlerweile billiger als Einweg

Mittlerweile gebe es ja auch durchaus Betriebe, die komplett auf Mehrweggeschirr umgestellt haben. Für Haumann konsequent, denn: Abgesehen von den Kosten brauche das weniger Platz und keine Bevorratung mehr, die Systeme seien für die Gastwirte extrem praktisch. "Als Gastgeber muss ich mich um überhaupt nichts mehr kümmern."

Knackpunkt Rückgabesystem

Damit die Kunden auch in der breiten Masse mitspielen, muss sich nach Meinung von Haumann noch an einer anderen Stelle etwas verbessern: Die Rückgabe der Mehrwegverpackungen müsse viel einfacher und flächendeckender möglich werden:

Es muss genauso einfach sein, Teller und Tasse zurückzugeben, wie die Getränkekiste.

Im Mainzer Café Wilma Wunder geht es hauptsächlich um Getränke, die to go mitgenommen werden. "Wir bieten alles als Mehrweg an", sagt Geschäftsführer Nick Schäfer, der zusätzlich auch einen Burgerladen in Mainz leitet. Im Alltag spiele das aber keine Rolle: "Die Nachfrage der Kunden nach Mehrweg ist einfach nicht da, bei Speisen schon mal gar nicht, bei Getränken aber eigentlich auch nicht." In den von ihm geführten Betrieben gibt es ein Mehrwegsystem, für das der Kunde über eine App registriert sein muss. Nur dann kann er seinen Cappuccino im Mehrwegbecher mitnehmen.

Die Nachfrage der Kunden nach Mehrweg ist einfach nicht da.

Zweites Beispiel: die Bäckerkette Werner's Backstube. Dort hat man sich für eigene Mehrwegbecher entschieden, die der Kunde gegen 50 Cent Pfand ausleihen kann. Rückgabe: in jeder Werner Filiale. "Momentan nehmen es die Kunden noch nicht so richtig an", stellt Oliver Foth von der Verwaltung der Bäckereikette fest.

Zwei Unternehmen, zwei unterschiedliche Lösungen. Wie mag es bei der Vielzahl an Gastro-Betrieben erst sein? Es lässt sich schon vermuten, dass die Vielzahl an Systemen auf dem Markt, die zudem nicht kompatibel sind, eine Hürde für die Verbraucher ist. So unkompliziert wie mit den Getränkekisten ist eben bisher noch lange nicht. Aber richtig ist auch: Es gibt für die Unternehmer eine Angebotspflicht, aber die Nutzer können letztlich so lange Einwegbecher nutzen und wegschmeißen, wie es erlaubt ist.

Kritik an Fastfoodkette McDonald's

Massive Kritik gibt es von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) an der Fastfoodkette McDonald's: Diese betreibe durch das Werben mit recycelbaren Einwegbechern und Pommesboxen Greenwashing. "Der Wechsel von Einweg-Plastik auf Papier führt zu keinem Gramm weniger Abfall, erhöht sogar den Ressourcenverbrauch und hat die Abholzung von Bäumen zur Folge", erklärte die DUH am Dienstag. Die Fastfoodkette ruft seit einiger Zeit dazu auf, Abfall ordnungsgemäß zu entsorgen, damit aus den Trinkbechern Bücher für das Happy Meal entstehen können und Ressourcen mehrfach genutzt werden. Die DUH hingegen spricht davon, dass lediglich 40 Prozent der Bücher aus alten Einwegbechern bestehen und forderte das Unternehmen auf, vermehrt auf Mehrwegalternativen zu setzen.

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