Der Personalmangel in der Gastronomie ist nach Angaben des Bundesverbandes Dehoga ein Phänomen, das in ganz Deutschland verbreitet ist. Ursachen sind nach Auffassung der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gastsstätten (NGG) aber nicht nur in den Folgen der Corona-Pandemie zu suchen. Angesichts wieder steigender Umsätze kritisiert die NGG die aus Ihrer Sicht arbeitnehmer-unfreundlichen Dienstzeiten und die schlechte Bezahlung.
Auch im Nachbarland Hessen sieht es nicht besser aus. Dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Hessen zufolge haben rund 30 Prozent der Beschäftigten das Gastgewerbe verlassen. "Es ist eher unwahrscheinlich, dass diese den Weg zurück in die Gastronomie finden werden", sagt der stellvertretende Dehoga-Vorsitzende in Hessen, Madjid Djamegari. Viele hätten sich beruflich umorientiert. In Hessen setzen die Gastronomen auch auf Geflüchtete aus der Ukraine. Diese hätten oft schon berufliche Erfahrungen in der Gastronomie aus ihrer Heimat mitgebracht, hieß es. Doch wie sieht es in Rheinland-Pfalz aus?
- Lage in Rheinland-Pfalz deutlich besser
- Tarifabschluss lockt Personal an
- Flexible Arbeitszeitmodelle gefordert
- Gäste sollten höhere Preise akzeptieren
- Wieder mehr Gäste - aber weniger Betriebe
- Ohne Mitarbeitende aus dem Ausland geht es nicht
- Bundesagentur für Arbeit bestätigt Aufwärtstrend
- Tipps für Betriebe, die Personal suchen
Lage in Rheinland-Pfalz deutlich besser
Der rheinland-pfälzische Dehoga-Präsident Gereon Haumann sagte dem SWR, dass es den Gaststätten und Hotels in Rheinland-Pfalz deutlicher besser gehe. Zwar habe man in der Pandemie seit 2019 rund 25 Prozent des Personals verloren, drei Viertel davon habe man aber bereits zurückgewinnen können. Zwischen 7.500 und 10.000 Mitarbeiter würden noch fehlen. Am meisten mangelt es nach Haumanns Worten an Köchen. Denn diese müssten eine abgeschlossene Ausbildung haben, während bei vielen anderen Tätigkeiten - etwa beim Zimmerservice im Hotel - auch angelernte Kräfte eingesetzt werden könnten.
Tarifabschluss lockt Personal an
Als einen Grund für diese positive Entwicklung nannte Hauman die hohen Tarifabschlüsse, die in den Verhandlungen mit der Gewerkschaft NGG vereinbart worden seien. So erhielten ausgebildete Fachkräfte nach dem Ende des dritten Lehrjahres nun 2.535 Euro als Einstiegsgehalt. Zuvor waren es etwa 1.800 Euro. Auch der Lohn für ungelernte Kräfte liege immer mindestens fünf Prozent über dem jeweils aktuell geltenden gesetzlichen Mindestlohn. Diese Mitarbeitenden erhielten derzeit statt 12 Euro pro Stunde daher 12,60 Euro. Die Ausbildungsvergütung liegt den Angaben zufolge bei 1.000 Euro im ersten Lehrjahr und bei bis zu 1.200 Euro im dritten Lehrjahr. Zudem gebe es ab 1. Januar 2024 für alle eine zweite Gehalterhöhungsstufe. Bundesweit liege man mit den Entgelten damit unter den Top drei der Länder.
Zudem regele der Entgelt-Tarifvertrag flexible Jahresarbeitszeitkonten, eine Übernahme-Garantie für Auszubildende und die frühzeitige Bekanntgabe von Dienstplänen durch die Betriebe. Der Tarifvertrag ist seit April 2022 in Kraft und wurde im Dezember vom rheinland-pfälzischen Arbeitsminister Alexander Schweitzer (SPD) für allgemeinverbindlich erklärt. Damit gilt er für alle Gastronomie-Betriebe im Land - auch für solche, die nicht dem Arbeitgeberverband angehören.
Arbeitgeber sollten flexible Arbeitszeitmodelle ermöglichen
Zudem warb Haumann bei den Mitgliedsbetrieben, flexiblere Arbeitszeiten zu ermöglichen. Dabei sollte zukünftig eine 4-Tage Woche ebenso möglich sein wie eine 6-Tage Woche; erstere eher mit täglich 10 Stunden und letztere eher mit 6 Stunden täglich. Es brauche passgenaue Arbeitszeitmodelle, die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der jeweiligen Mitarbeitenden ausgerichtet seien. Dabei sei eine unterbrechungsfreie ganzjährige Beschäftigung anzustreben, um aus Saisonarbeitsplätzen sichere und wertige Dauerarbeitsplätze zu machen, forderte Haumann.
Gäste sollten höhere Preise akzeptieren
Allerdings hätten diese Regelungen auch zur Folge, dass die Gäste die damit verbundenen Preissteigerungen akzeptieren müssten, so Haumann.
Wieder mehr Gäste - aber weniger Betriebe
Von ehemals 12.500 Gastronomie-Betrieben in Rheinland-Pfalz (Ende 2019) sind nach Ende der Pandemie (Stand Ende 2022) etwa 10.000 übriggeblieben, wie Hauman dem SWR weiter berichtete. 2.500 hätten schließen müssen. Da die Nachfrage der Gäste mittlerweile wieder Vor-Corona-Niveau erreicht habe, verteile sie sich also auf deutlich weniger Betriebe. Das sei mit ein Grund für die weiter bestehende Nachfrage nach zusätzlichem Personal. Hinzu komme, dass immer mehr Menschen in Deutschland Urlaub machten und dort Lokale aufsuchten und in Hotels und Pensionen übernachteten.
Umsatzeinbußen wegen zu wenig Personal Hunsrücker Hotelier kämpft gegen Fachkräftemangel
Urlaub an Mosel in der Eifel und dem Hunsrück ist bei den Menschen beliebt. Hotelier Guido Steuer aus Allenbach kann davon aber nicht profitieren - ihm fehlt Personal.
Haumann forderte von der Politik, die Arbeitszeiten weiter zu flexibilisieren, einen leichteren Zugang für Arbeitskräfte außerhalb der EU in den Arbeitsmarkt und eine Garantie, dass es bei künftigen Pandemien nicht wieder zu einem Lockdown mit Schließungen komme.
Ohne Mitarbeitende aus dem Ausland geht es nicht
Bereits jetzt kämen 25 Prozent der Beschäftigten in der Gastronomie aus dem Ausland. Die Integration von Geflüchteten etwa aus der Ukraine oder aus Syrien gehöre zum Selbstverständnis der Branche. Jeder, der einen Arbeitsplatz in Deutschland nachweisen könne, sollte seiner Auffassung nach auch einreisen dürfen, wie dies etwa in Kanada üblich sei, forderte Haumann.
Beispielhaft hierfür ist ein Projekt der Industrie- und Handelskammer Trier. Ganz gezielt wurden Betriebe ausgesucht. Die passenden Auszubildenden kommen aus Indonesien.
Ein Hotel in St. Goar beschäftigt Azubis aus Vietnam, und in eimem Stromberger Hotel helfen Fachkräfte aus der Ukraine.
Bundesagentur für Arbeit bestätigt Aufwärtstrend
Auch nach den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die dem SWR vorliegen, hat sich die Gastronomie in Rheinland-Pfalz vom Personalschwund seit Beginn der Pandemie wieder erholt. Waren im Juni 2019 noch rund 61.000 Menschen in der Gastronomie beschäftigt, so sank diese Zahl bis Juni 2021 auf zirka 50.300. Im Juni 2022 waren es schon wieder 56.000.
Wie die Grafik zeigt, betrifft diese Entwicklung alle Altersgruppen, wenn auch in unterschiedlichem Maß. Auffälllg ist, dass in den Pandemie-Jahren 2020 und 2021 vor allem junge Leute unter 25 Jahren der Gastronomie den Rücken kehrten und auch meist nicht wiederkamen. Dagegen kehrten 2022 vor allem Menschen älter als 25 Jahre wieder in die Branche zurück oder wurden dort erstmals tätig. Eine Begründung für diese Unterschiede konnte die Bundesagentur nicht nennen. Möglicherweise waren unter den jüngeren Abwanderern viele studentische Kräfte, die nach Abschluss ihres Studiums eine Tätigkeit in ihrem angestrebten Beruf aufgenommen haben.
Fragt man danach, in welche Berufsgruppen die Mitarbeitenden zwischenzeitlich abgewandert sind, so nennt die Bundesagentur vor allem den Einzelhandel. Eine signifikante Abwanderung in andere Branchen habe es nicht gegeben.
Tipps für Betriebe, die Personal suchen
Die Bundesagentur hat eine Reihe von Ratschlägen für Betriebe, die auf der Suche nach Personal sind:
- Rechtzeitig und voraussschauend Arbeitsplätze melden (auch Online)
- Attraktive Rahmenbedingungen schaffen und offensiv bewerben
- Das Land, die Regionaldirektion der Bundesagentur und Dehoga finanzieren Coaches für die betriebliche Ausbildung. Darüber informieren kann man sich hier.
- Darüberhinaus bietet die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) sogenannte Drittstaaten-Programme, um Arbeitskräfte aus dem Ausland zu gewinnen.