Scharfe Kritik an Merz nach Migrationsabstimmung

Mehrere tausend Menschen demonstrieren in RLP gegen CDU

Stand

Nach der gemeinsamen Abstimmung von Union und AfD im Bundestag für eine verschärfte Migrationspolitik haben auch in Rheinland-Pfalz Tausende protestiert. Die Landes-CDU bittet ihre Mitglieder, sich von Kritik nicht verunsichern zu lassen.

Auch am Freitag und am Wochenende sind bundesweit zahlreiche Demonstrationen geplant, auch in Rheinland-Pfalz. Die Kampagnen-Organisation "Campact" und die Klimaaktivisten von "Fridays for Future" erwarten nach eigenen Angaben zehntausende Teilnehmer. Die größte Demo sei am Samstag in Berlin geplant. "Campact"-Geschäftsführer Christoph Bautz sagte, CDU-Chef Friedrich Merz habe im Bundestag ein großes Loch in die Brandmauer gegen rechts geschlagen. Die Antwort darauf könne nur ein "Aufstand der Anständigen" sein.

Mehrere tausend Menschen demonstrieren vor CDU-Zentrale

Am Donnerstagnachmittag versammelten sich mehrere tausend Menschen in der Rheinallee in Mainz vor dem Sitz des CDU-Landesverbandes Rheinland-Pfalz. Auf zahlreichen Plakaten wurde direkt Kritik an CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz geäußert. Nach der Kundgebung zog ein Demonstrationszug durch die Innenstadt.

Die Polizei sprach von 4.500 Menschen, angekündigt waren 500 Demonstranten. Es kam zu Verkehrsbehinderungen und Umleitungen, auch im Öffentlichen Nahverkehr. Das Chaos hielt sich laut Polizei aber in Grenzen. Zu der Demo unter dem Motto "Nie wieder ist jetzt! Demonstration für Herz statt Merz" haben unter anderem die Grüne Jugend Mainz und die Mainzer Jusos aufgerufen. Auch die Volt-Fraktion der Stadt hielt zur Teilnahme an.

Mehrere hundert Menschen auch bei Demos in Landau und Koblenz

In Landau versammelten sich am Donnerstagabend rund 500 Menschen spontan vor einem Veranstaltungsbüro der CDU zu einer Demonstration. Dazu aufgerufen hatte der Verein Toleranz und Menschlichkeit Südpfalz.

Vor Ort waren auch Vertreter der Bewegung "Fridays for Future" (FFF). Man wolle nicht hinnehmen, dass die CDU einen Antrag mit Stimmen der AfD verabschiedet. Mit der Protestaktion solle gezeigt werden, dass die Mehrheit dagegen ist, so Anna Feron von FFF Landau. "Die CDU öffnet der AfD die Tür für weitere Zusammenarbeit und legitimiert die Partei. Wir sehen immer wieder, dass die AfD unsere Demokratie untergraben und abschaffen will und deshalb ist eine Zusammenarbeit unmöglich wenn man sich als demokratisch ansieht und die Demokratie eigentlich schützen will."

Viele Menschen stehen im Dunkeln auf einem Platz in Landau. Sie sind zu einer Demonstration gegen eine härtere Migrationspolitik zusammengekommen.
Demonstration in Landau gegen eine verschärfte Migrationspolitik

In Koblenz fand am frühen Abend ebenfalls eine Demonstration statt. Hier rief die Linke unter dem Motto "Gegen Faschismus, Rassismus und Menschenhass" dazu auf. Die Polizei sprach von 300 bis 400 Teilnehmern. Von möglichen Zwischenfällen sei nichts bekannt, so ein Sprecher.

Mehrheit für Fünf-Punkte-Plan von Merz

Am Mittwoch hatte der Bundestag einen von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz vorgelegten Fünf-Punkte-Plan für eine schärfere Migrationspolitik knapp mit Stimmen von CDU/CSU, AfD, FDP und Fraktionslosen beschlossen. Erstmals beschaffte die AfD dabei im Plenum eine Mehrheit. Am Freitag stimmt das Parlament über einen Gesetzentwurf der Union ab, der konkrete Regelungen zur Eindämmung der Migration enthält. 

Rheinland-Pfalz

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CDU-RLP schreibt Brief an Mitglieder

Die CDU in Rheinland-Pfalz hat ihre Mitglieder derweil in einem Schreiben aufgerufen, sich nicht von der Kritik am Vorgehen der Union bei der Abstimmung zur Migrationspolitik beirren zu lassen. In einem gemeinsamen Brief an die Partei-Basis sprechen CDU-Landeschef Gordon Schnieder und Generalsekretär Johannes Steiniger von einem lauten Getöse der Mitbewerber - und von Gegenwind, von dem sich die CDU-Mitglieder in Rheinland-Pfalz nicht verunsichern lassen sollten.

"Für uns ist klar, Friedrich Merz hat das einzig Richtige getan." Merz nehme die Sorgen der Menschen ernst und gehe die Probleme an. Die CDU dürfe die Migrationsfrage nicht den extremen Rändern überlassen, so Schnieder und Steiniger. Beide betonen: Es gebe auch in Zukunft keine Zusammenarbeit oder Koalition mit der AfD. Das habe Merz in seiner Rede im Bundestag klar gemacht.

Morddrohung gegen Mitarbeiterin in CDU-Zentrale

Nach Angaben von Steiniger hat eine Mitarbeiterin der Landesgeschäftsstelle am Donnerstag eine Morddrohung erhalten. Die Polizei sei informiert. In einer Pressemitteilung, die dem SWR vorliegt, heißt es: "Wir stehen fest an der Seite unserer Kollegin, die hier über jedes legitime Maß hinaus zwischen die Fronten geraten ist. Gewalt darf niemals zum Mittel der politischen Auseinandersetzung werden. Deshalb rufen wir alle politischen Parteien dazu auf, sich in der aktuellen gesellschaftlichen Situation zu mäßigen und zu einer sachlichen Debatte zurückzukehren."

Ministerpräsident Schweitzer (SPD): "Furchtbare Wunden geschlagen"

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Schweitzer (SPD) erneuerte am Donnerstag seine Kritik an CDU-Chef Merz, der politischen Kultur Deutschlands schweren Schaden zugefügt zu haben. Er forderte die CDU im Bund auf, den Gesetzentwurf zur Eindämmung der Migration kurzfristig zurückzuziehen. "Mein klarer Rat und meine dringende Empfehlung an die CDU ist es, die Stunden bis morgen zu nutzen, in sich zu gehen, sich genau anzuschauen, was sie für eine verheerende Wirkung erreicht haben durch die faktische Zusammenarbeit mit der AfD." In dieser Woche seien furchtbare Wunden geschlagen worden.

Eine Koalition mit der CDU nach der Bundestagswahl sei "momentan extrem schwer vorstellbar", sagte Schweitzer. "Das betrübt mich, weil die Zeiten sind danach, dass Demokratinnen und Demokraten zusammenarbeiten." Ohne diese Zusammenarbeit lasse sich das Land auch nicht führen. Merz habe innerhalb kürzester Zeit sein Wort gebrochen, sagte Schweitzer.

Merkel kritisiert Merz scharf

"Ich glaube, das ist auch genau das, was Angela Merkel provoziert hat, sich zu Wort zu melden, weil sie natürlich sieht, dass ein ganzes Stück Glaubwürdigkeit auch ihrer Partei weggeht. Diese Mahnung von Frau Merkel an Herrn Merz, das ist schon historisch einmalig und ein bemerkenswerter Vorgang", sagte Schweitzer. "Ich setzte darauf, dass viele Menschen - auch innerhalb der CDU - nun ins Nachdenken kommen." 

Die frühere Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Donnerstag das Vorgehen der Union kritisiert, die ihren Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik mit Stimmen der AfD durchgesetzt hatte. Sie halte es für "falsch, sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen", teilte Merkel in einer Erklärung ihres Büros mit. Sie forderte stattdessen eine Zusammenarbeit aller demokratischen Parteien.

Kritik auch von den Kirchen in RLP

In der Diskussion um eine härtere Migrationspolitik äußerte sich am Donnerstag auch der Bischof von Speyer, Karl-Heinz Wiesemann. "Nur mit einer solchen Unterstützung etwas durchzusetzen, ist auch bei allem gegebenen Recht auf Sicherheit in unserem Land nicht notwendig", sagte er bei der Jahrespressekonferenz des Bistums Speyer. Die "Brandmauer hin zu extremen Positionen" sollte nicht fallen. "Grundsätze der Humanität sollten nicht einfach außer Acht gelassen werden." Ein ausnahmsloses Abweisen an den Grenzen widerspreche aus seiner Sicht internationalem Recht und auch dem Rechtsbewusstsein.

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Wiesemann mahnte eine Versachlichung der Debatte über Migration an. "Politik muss handeln und wir müssen das als Gesellschaft insgesamt miteinander tragen können." Bei den Vorfällen in Magdeburg und Aschaffenburg gehe es um psychisch kranke Täter. "Und man macht daraus eine vornehmliche Migrationsdebatte. Das geht meines Erachtens am sachlichen Punkt vorbei."

Kirchenpräsidentin Wüst: "Das ist mies"

Die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst beschrieb auf Facebook ihre Wut "als Bürgerin und Christin" über das Vorgehen der CDU. "Das ist mies. Und ziemlich durchsichtig." Sie fordert eine humane Migrationspolitik. Die Vorlagen, die mit knapper Mehrheit den Bundestag passierten, würden die eigentlichen Probleme nicht lösen. "Aber sie leisten einen weiteren unseligen und unwürdigen Beitrag dazu, alle in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten pauschal zu diffamieren und König Vorurteil das Feld zu überlassen." Die AfD sei für Christinnen und Christen und für aufrechte Demokratinnen und Demokraten nicht wählbar, schreibt Wüst. "Und mein Kreuz werde ich dort
setzen, wo auch Brandmauern nicht verhandelbar sind."

Die Caritas in Rheinland-Pfalz mahnt gemeinsam mit dem Deutschen Caritasverband zur Besonnenheit, um die Ängste in der Bevölkerung nicht weiter zu schüren und warnt vor falschen Versprechungen. "Wir sehen mit Sorge, dass bei uns lebende Migrantinnen und Migranten diffamiert werden", so Nicola Adick, Vorsitzende der Caritas in Rheinland-Pfalz. "Die emotional geführte Debatte ist zudem nicht geeignet, Taten wie in Aschaffenburg zu verhindern und tragfähige Antworten auf das öffentliche Sicherheitsbedürfnis zu geben."

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