Rechtsmedizinerin Barbara Fliß hat schon viel in ihrem Berufsleben gesehen. Der Tod macht ihr keine Angst. Und dennoch: Die Flutkatastrophe im Ahrtal nimmt die stellvertretende Institutsleiterin der Mainzer Rechtsmedizin mit: “Wir haben ja tagtäglich mit Verstorbenen zu tun. Aber die schiere Menge an Toten jetzt, das kann man sich nicht vorstellen, das ist schon belastend.”
Zwar hätten Rechtsmediziner professionelle Strategien, mit solchen Situationen umzugehen, und könnten diese auch bewältigen - dennoch seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihres Institutes durchaus an ihre Grenzen gegangen.
Leichen in schlechtem Zustand
Zwei Tage nach der Flutkatastrophe seien die ersten Leichen aus dem Ahrtal nach Mainz gebracht worden, berichtet die Medizinerin. Die Körper seien von den Fluten gezeichnet gewesen: “Die Leichen waren voller Schlamm, dazu haben sie teilweise stark nach Heizöl oder Benzin gerochen, denn viele Menschen haben ja lange in Kellern gelegen, direkt neben ihren Heizöltanks”, so Barbara Fliß.
Die Aufgabe der Rechtsmediziner ist es, die Toten zu identifizieren. Dafür suchen sie nach Merkmalen, die den Menschen, der vor ihnen auf dem Untersuchungstisch liegt, einzigartig machen.
Tätowierungen, Narben und Fingerabdrücke
Das sind einerseits äußere Merkmale wie Tattoos, Operationsnarben, Muttermale oder Piercings. "Diese Faktoren geben uns erste Hinweise, um wen es sich handeln könnte", erläutert Fliß , "denn die Angehörigen der Vermissten haben entsprechende Angaben gemacht." Hundertprozentige Sicherheit brächten aber erst DNA-Proben, Fingerabdrücke oder Untersuchungen des Zahnstatus.
Experten des Bundeskriminalamtes helfen bei Identifizierung von Flutopfern
Unterstützt werden die Rechtsmediziner von Experten des Bundeskriminalamtes, die nach Mainz gereist sind. Die so genannte Identifizierungs-Kommisson des BKA kommt immer dann zum Einsatz, wenn viele Todesopfer zu beklagen sind. Etwa beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz vor fast fünf Jahren.
Polizisten aus der Identifizierungs-Kommission stellen die Verbindung zu Angehörigen und zu Ärzten der Vermissten her. Sie suchen nach DNA-Material, lassen sich Röntgenbilder schicken, fragen bei Zahnärzten nach. Am Ende fügen sie dann das Bild zusammen – die Befunde der Rechtsmediziner mit den Angaben über die Opfer.
Mehrere Tage bis zur Gewissheit
Eine Identifizierung dauere mindestens 24 Stunden, sagt Rechtsmedizinerin Fliß, oft aber auch länger. Inzwischen gestalte sich die Untersuchung der Toten allerdings schwieriger. Denn je länger eine Leiche im Wasser liege oder unter Schutt begraben sei, desto schwerer sei es beispielsweise, Fingerabdrücke zu nehmen.
Inzwischen werden die Toten nicht mehr im Rechtsmedizinischen Institut in Mainz untersucht – sondern in Koblenz. Wenn Opfer gefunden werden, fahren Rechtsmediziner aus Mainz dorthin. 16 Menschen werden aktuell noch vermisst. Barbara Fliß weiß, wie wichtig es für die Angehörigen ist, Gewissheit zu haben: "Wir tun alles dafür, dass die Menschen schnell hundertprozentige Sicherheit kriegen und ihre Toten zurückbekommen." Denn erst dann sei es möglich, Abschied zu nehmen.