Gleich morgens zu Beginn der Frühschicht habe er sich vor den Eingang der Mainzer Universitätsmedizin gestellt und allen, die zur Arbeit kamen, einen Apfel überreicht, erzählt der neue Vorstandsvorsitzende Kiesslich in einem Gespräch mit dem SWR. Das habe bei vielen Erstaunen ausgelöst und sei sehr lustig gewesen.
Viele hätten den Apfel genommen, manche andere hätten gedacht: Was will der Schlipsträger mir verkaufen, zu so früher Stunde? Es habe aber noch einen Aufkleber auf dem Apfel gegeben, mit dem er sich vorgestellt habe, damit die Menschen auch wissen, wer diesen Apfel verteilt hat.
Seine aufgezeichnete Neujahrsansprache hatte sich der 53-Jährige zudem mit Hilfe von künstlicher Intelligenz in mehrere Sprachen übersetzen lassen.
In 100 Tagen will Kiesslich erste Ziele formuliert haben
Erst seit kurzem im Amt, drückt der 53-Jährige gleich aufs Tempo. Zwei Jahre, so sagt er, dauere es, bis man die ersten Ziele erreicht oder Projekte umgesetzt habe. Aber diese Ziele müssten zuerst formuliert werden, und das will Kiesslich sehr viel schneller angehen. 100 Tage hat er sich als Ziel gesetzt.
Wer neu in einem Amt ist, hat normalerweise eine gewisse Eingewöhnungszeit. Viele nennen das Welpenschutz, eine Zeit, in der man Fehler machen darf oder für Versäumnisse nicht bestraft wird. Das gelte für ihn nicht, sagt der Vorstandsvorsitzende der Universitätsmedizin.
"Welpenschutz scheitert schon an meiner Seniorität. Die aktuelle Situation erfordert klare Maßnahmen vom ersten Tag an." Damit spielt Kiesslich auch auf die unschönen Vorkommnisse vom vergangenen Jahr an. Chefärztinnen und Chefärzte hatten gegen den damaligen Finanzvorstand der Unimedizin, Christian Elsner, rebelliert.
Mit einem Brandbrief hatten sich die Klinikdirektoren über den damaligen Finanzvorstand beschwert, ihm Untätigkeit und Unvermögen vorgeworfen und seine Entlassung gefordert, letztlich mit Erfolg.
Kommunikation war unglücklich
"Die Klinikdirektoren haben einen Neuanfang eingefordert, der Realität geworden ist," sagt Kiesslich dazu. Er nehme aktuell den Wunsch nach einem konstruktiven und transparenten Dialog wahr, den er gerne anbiete. Dabei dürfe es aber nicht noch einmal zu so einer unglücklichen Kommunikation kommen wie im vergangenen Jahr. Das sei nicht gut für die Universitätsmedizin.
Vertrauen wiederherstellen - Unimedizin aufbauen - Defizit abbauen
Abgesehen von neuen Zielen hat sich Ralf Kiesslich drei Dinge für die Zukunft vorgenommen, beziehungsweise sie sind ihm vorgegeben worden. Nach den Querelen des vergangenen Jahres will er verloren gegangenes Vertrauen wiederherstellen. Dann wird er als Chef der Universitätsmedizin Mainz den über zwei Milliarden Euro teuren Neubau intensiv betreuen und begleiten.
Und letztlich muss er als Vorstandsvorsitzender dafür sorgen, dass das Defizit der Universitätsmedizin nicht komplett aus dem Ruder läuft. Aufgaben, die nicht einfach umzusetzen sind und um die ihn wohl nicht viele beneiden. Aber, das betont der neue Chef der Unimedizin ausdrücklich, er habe sich eigenständig auf den Job beworben und ihn auch völlig freiwillig übernommen.