Eine Schülerin sitzt mit ihrem Handy und ihren Schulsachen an einem Schreibtisch.

Verbieten oder nicht?

So gehen Schulen in Rheinhessen mit Handynutzung um

Stand
Autor/in
Lucretia Gather

Vor knapp einem Monat hat das neue Schuljahr begonnen. Für Eltern von Kindern, die neu auf einer weiterführenden Schule sind, dürfte eine Frage spannend sein: Sind Handys erlaubt?

Das Telefon klingelt im Unterricht, Kinder laufen mit dicken Kopfhörern auf den Ohren über den Flur und hören Musik oder "daddeln" auf dem Pausenhof - in vielen Schulen in Mainz und Rheinhessen ist das Alltag. Prinzipiell gilt: Jede Schule kann individuell festlegen, welche Handy-Regeln für ihre Schulgemeinschaft gelten. Landesweite Vorschriften gibt es nicht.

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Handy-Verbot für untere Klassen in Bingen

Die Hildegardisschule in Bingen hat nach vielen Jahren gerade eine neue Hausordnung eingeführt. Schülerinnen und Schüler, Lehrer und Eltern haben sie gemeinsam erarbeitet. Das Ergebnis der Arbeitsgruppen: bis zur 9. Klasse gilt in der Schule ein Handyverbot. Konkret heißt das: In den Klassenräumen, auf den Gängen und auf dem Pausenhof ist das Handy tabu. Natürlich gebe es aber Ausnahmen, etwa wenn es einem Kind schlecht gehe und es seine Eltern anrufen möchte.

In der Pause setzen wir auf Bewegung und direkte Kommunikation!

Ältere Schüler sollen eigenverantwortlich mit Handys umgehen

In der 9. und 10. Klasse sind Handy an der Hildegardisschule erlaubt - in Freistunden in bestimmten Räumen. Ab der Oberstufe gelte das "Prinzip der Freiwilligkeit", erläutert Schulleiterin Müller: "Wir hoffen, dass ältere Schüler ihre Vorbildfunktion ernst nehmen und zumindest in den ersten sechs Stunden Rücksicht auf Jüngere nehmen", so Müller.

Wormser Gymnasien ziehen Handys ein

Das Gauß-Gymnasium in Worms teilt sich ein Gebäude mit dem Rudi-Stephan-Gymnasium. Auch hier steht in der gemeinsamen Hausordnung: "Die Benutzung elektronischer Geräte ist grundsätzlich allen Schülerinnen und Schülern auf dem gesamten Gelände während des Schulbetriebes nicht gestattet. Ausnahmen können von den Lehrkräften genehmigt werden." Weil der Vertretungsplan über eine App veröffentlicht wird, ist es sogar manchmal notwenig, während der Schulzeit aufs Handy zu schauen, ergänzt Kallmann. Lehrer könnten aber unterscheiden, ob da jemand "daddelt" oder den Vertretungsplan checkt.

Wer sich nicht ans Handyverbot hält, kann es am Ende der sechsten Stunde im Sekretariat abholen.

Mainzer Rabanus-Maurus-Gymnasium erlaubt Handys

Vor zwei Jahren wurde die Schulordnung am Rabanus Maurus Gymnasium in Mainz geändert. Darin ist kein grundsätzliches Handyverbot verankert. Alle Schülerinnen und Schüler dürfen ihre Handys auf dem Schulgelände vor und nach dem Unterricht sowie in den Pausen nutzen. "Die Voraussetzung ist aber, dass sie damit niemanden gefährden oder stören, und dass sie ansprechbar bleiben", erklärt Schulleiter Ingo Schnell. Nur im Unterricht müssten die Handys natürlich in der Tasche bleiben.

"Wir verfolgen bei der Handynutzung einen pragmatischen und lebensnahen Ansatz.

Das funktioniere gut, so Schnell. Am Rabanus Maurus Gymnasium herrsche ein entspanntes Miteinander. Die Schülerinnen und Schüler würden auch dazu angehalten, ihre Freunde anzusprechen, wenn die die ganze Zeit nur aufs Handy starrten.

Wenige Studien zu Handy-Nutzung in Schulen

Für den Umgang mit Handys in Schulen gibt es aus wissenschaftlicher Sicht nicht den einen, richtigen Weg, sagt Katharina Scheiter, Professorin für Digitale Bildung an der Universität Potsdam. Die Studienlage sei bisher noch nicht ausreichend, es gebe nur wenige empirische Untersuchungen zu dem Thema. Scheiter sagt allerdings, ein pauschales Handyverbot sei nicht immer wirkungsvoll.

Kinder und Jugendliche finden immer Wege, ihr Handy in der Schule zu nutzen, wenn sie es wollen.

Sicherlich sei es sinnvoll, mithilfe eines Handyverbots Ablenkung im Unterricht zu reduzieren und Lehrer so auch zu entlasten. Allerdings sei es genauso wichtig, dass Lehrkräfte sich fragen, warum Kinder während des Unterrichts ihre Handys nutzen - um zu spielen oder Freunden zu schreiben: "Langweilen sie sich, sind sie überfordert oder unterfordert?" Scheiter plädiert dafür, dass das Thema Handynutzung zum Unterrichtsgegenstand wird.

Kindern helfen, mit Handys umzugehen

Kinder und Jugendliche sollten auch in der Schule lernen, verantwortungsvoll mit Medien umzugehen. Man müsse auch über psychische Effekte der Handynutzung sprechen: manche Kinder etwa hätten das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn sie nicht minütlich auf Instagram sind oder in die WhatsApp-Gruppe schreiben, so Scheiter. Solche Themen sollten Lehrer aus ihrer Sicht proaktiv ansprechen und den Kindern helfen, mit ihren Gefühlen umzugehen. Einen eindeutigen, positiven Effekt eines pauschalen Handyverbots hebt die Erziehungswissenschaftlerin dennoch  hervor: Studien hätten gezeigt, dass Cybermobbing in Schulen mit Handyverbot zurückgeht.

Studien zu Handy-Nutzung in Schulen

Das Deutsche Schulportal der Robert Bosch Stiftung hat die wichtigsten Studienergebnisse zur Handy-Nutzung zusammengetragen. Unstrittig ist, dass Schülerinnen und Schüler ausgesprochen viel Zeit am Handy verbringen: Die Postbank Jugend-Digitalstudie hat gezeigt, dass die befragten 16-18-Jährigen 36,9 Stunden pro Woche am Smartphone verbringen. 24,5 Prozent der 10-17-Jährigen nutzen Social-Media-Dienste wie TikTok oder WhatsApp "riskant viel". Allerdings, so Erkenntnisse aus der PISA-Studie, nutzen 40 Prozent der befragten 15-Jährigen ihr Handy zum Zeitvertreib in der Schule gar nicht. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) gaben an, in der Schule die Benachrichtigungsfunktion an ihrem Handy abzuschalten.

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