Schon vor dem ersten Kaffee schnell Mails und Nachrichten checken, einen Blick in die sozialen Medien werfen. Das tut auch Stephanie Grote aus Trier - und sieht ihre eigene Handynutzung kritisch: "Da denke ich dann schon manchmal: Mensch, jetzt sitzt du so lange am Handy, jetzt hättest du auch irgendetwas anderes machen können."
Aus Stephanie Grotes Sicht schaut auch ihre zwölfjährige Tochter Joanne viel zu oft aufs Smartphone. Deshalb sind beide froh, dass an ihrer Realschule ein generelles Handyverbot gilt. "Wir brauchen die Handys ja im Prinzip nicht", betont Joanne. "Und dann können wir auch viel befreiter miteinander reden, ohne dass man die ganze Zeit ans Handy denkt und dann kriegt man eine Benachrichtigung, dann so 'Oh, das muss ich jetzt mal nachgucken'."
In der Schule muss das Handy aus bleiben
Jeden Morgen vor Schulbeginn lässt Joanne Grote ihr Smartphone in der Schultasche verschwinden, sobald sie das Schulgelände der Blandine-Merten-Realschule in Trier betritt. Dadurch, dass durch das Handyverbot keine blinkenden und piependen Geräte im Unterricht ablenken, arbeiten die Schüler ihrer siebten Klasse konzentrierter mit, findet Lehrerin Verena Gratz. Sie glaube, es sei der größte Unterschied in der Aufmerksamkeit der Kinder, dass sie ohne Handy "einfach keine zusätzlichen Ablenkungsquellen" hätten - "die die Kinder beschäftigen, die die Lehrer damit ja auch beschäftigen, die die Konzentration eigentlich vom Thema im Unterricht abziehen können."
An vielen Schulen in Deutschland gibt es ein Handy-Verbot. Auch Thorsten Schaller, der Schulleiter der Blandine-Merten-Realschule sieht das als großen Vorteil. Dabei gehe es aber nicht um Restriktionen oder Verbote, erklärt Schaller. "Hier geht es darum, als Erwachsene Verantwortung zu übernehmen."
Schaller kontrolliert etwa alle vier Wochen, ob das Handyverbot auch eingehalten wird. Nahezu alle Eltern der Schülerinnen und Schüler unterstützten das Verbot, sagt er - auch, weil sich viele selber fragten, wie sie dem zunehmenden Handy-Konsum Einhalt gebieten sollen.
Kinder an Wochentagen 150 Minuten auf sozialen Netzwerken
Laut einer Studie der DAK nutzt inzwischen ein Viertel (24,5 Prozent) der Kinder und Jugendlichen soziale Netzwerke auf riskante Art und Weise. An Wochentagen verbringen sie dort durchschnittlich 150 Minuten, am Wochenende über dreieinhalb Stunden (224 Minuten). Darüber mache sich jedes vierte bis fünfte Elternteil Sorgen, heißt es in der "DAK-Studie Mediensucht 2023", fast jedes dritte sehe sich bei dem Thema nicht als Vorbild.
Auch Joannes Mutter Stephanie Grote hält sich für kein gutes Vorbild, weil sie selbst zu viel am Smartphone hängt: "Wenn nur irgendeine Nachricht reinkommt auf WhatsApp oder eine Benachrichtigung für eine E-Mail. Man könnte das auch zu einem späteren Zeitpunkt gucken, aber man guckt irgendwie immer wieder drauf." Und dann ertappe sie sich selbst und ihre beiden Töchter: "Dann gucke ich auf meine große Tochter, die spielt am Handy rum. Ich gucke auf die kleine und die spielt auch am Handy und ich selber auch. Und dann denke ich: Jetzt hätten wir auch etwas Besseres machen können."
Neurowissenschafler Beck sieht "Macht der Gewohnheit"
Den Neurowissenschaftler Henning Beck überrascht das Verhalten wenig. Er weiß: Wenn man sich auf etwas anderes fokussieren solle und währenddessen das Handy nutze, "dann bin ich geistig immer an diesem Smartphone dran und kann mich dann nicht mehr vernünftig konzentrieren oder Aufgaben sinnvoll abarbeiten".
Zu groß sei die Macht der Gewohnheit, sagt Beck. "Wir wissen, dass solche Gewohnheiten tief im Gehirn verarbeitet werden in Regionen, die für das Bewusstsein gar nicht mehr zugänglich sind. Und das bedeutet auch, dass wir Gewohnheiten gar nicht mehr so leicht loswerden."
Doch wie lassen sich diese Gewohnheiten aufbrechen? Dazu rät Beck, handyfreie Räume und Tätigkeiten festzulegen, damit das Gehirn mal eine Pause hat. Außerdem helfe:
- bewusster online gehen
- das Handy mal außer Reichweite legen
- automatische Benachrichtigungen abstellen
- sich zeitliche Limits setzen
- einfach mal offline sein