Zum Hintergrund: Die 62-jährige Südpfälzerin Inge Heimer setzte sich gegen Fremdenhass ein, nachdem 2017 in Kandel ein afghanischer Geflüchteter seine 15-jährige Ex-Freundin ermordet hatte und es zu einer Welle der Hetze gegen Ausländer durch Rechtsextremisten gekommen war. Sie rief die Gruppe „Kandler Omas gegen Rechts“ ins Leben und organisiert bis heute mit anderen Frauen Gegendemonstrationen bei Aufmärschen Rechtsextremer.
Verliehen wurde der mit 5.000 Euro dotierte Ludwig Wagner-Preis für Toleranz und Zivilcourage des Bezirksverbands Pfalz in der Festhalle in Pirmasens.
SWR Aktuell: Ich beglückwünsche Sie zu diesem Preis. Wie sehr können Sie sich denn darüber freuen?
Inge Heimer: Wir freuen uns sehr über die Wertschätzung und die Anerkennung unseres Engagements, würden uns aber auch wünschen, dass viel mehr Menschen Gesicht zeigen.
SWR Aktuell: Gehen wir doch mal ganz kurz zurück zum Beginn der Geschichte. Wie viel Mut hat denn ausgerechnet in dieser Situation dazugehört, aufzustehen und Gesicht zu zeigen in einer Umgebung, wo der Hass sehr groß war? Wie schwer war das?
Heimer: Eigentlich war es gar nicht schwer, weil das ist meine, unsere Überzeugung. Und deswegen ist es für uns eigentlich selbstverständlich. Es hat schon viel Mut gebraucht, aber die Wut und das Entsetzen über die Vorgänge hat den Mut gestärkt.
SWR Aktuell: Sie wurden wegen ihres Engagements auch schon beleidigt und sogar bedroht. Was mussten Sie sich da alles so anhören?
Heimer: Also, wir werden unter anderem (im Internet) als alte, faltige Lappen bezeichnet. Wir sollten lieber stricken und uns um unsere Enkelkinder kümmern, solche Sachen. Wie wir damit umgehen. Wenn ich einen Klarnamen habe und nachweisen kann, wer das geschrieben hat, dann mache ich eine Strafanzeige.
SWR Aktuell: Das eine ist das, was im Netz passiert. Das andere ist das, was auf der Straße passiert. Haben Sie dort auch schon persönliche Anfeindungen hinnehmen müssen.
Heimer: Ja, wir kriegen Stinkefinger gezeigt, werden teilweise ausgelacht.
SWR Aktuell: Und trotzdem stehen Sie ja da und setzen sich ein. Sie sagten auch selbst, das sei für Sie selbstverständlich. Warum?
Heimer: Auslöser waren, wie gesagt, die Geschehnisse in Kandel. Als ich in der Zeitung gelesen, wie der Bürgermeister von damals bedroht wurde und sogar seinen Facebook-Account deaktiviert hat, weil auch seine Familie bedroht wurde. Das war mein Punkt, wo ich gesagt habe: Jetzt reicht es, jetzt muss ich raus. Und als ich da auf meiner ersten Gegendemo in Kandel stand und gesehen habe, welche Leute da auf der Gegenseite stehen, ist mir klar geworden, dass man das nicht so stehen lassen kann.
SWR Aktuell: Und genau deswegen sind Sie auch immer noch draußen auf der Straße. Jetzt werden Sie ja dafür ausgezeichnet. Wenn Sie aktuell auf die politische Situation in Deutschland blicken. Mit wie viel Sorge schauen Sie gerade auf das, was da im Moment in Deutschland passiert?
Heimer: Mit sehr großer Sorge. Gerade wenn man die Umfragezahlen sieht, kriegt man Angst, und es ist ja mittlerweile nicht nur im Osten. Auch bei uns nimmt der Hass zu. Es macht mir wirklich Bauchweh.
SWR Aktuell: Sie setzen sich ja auch weiterhin ein mit "Omas gegen Rechts" sind unterwegs, auch auf der Straße. Gibt es vielleicht auch Anerkennung für das, was Sie da tun?
Heimer: Ja, die kriegen wir auch. Wir sind ja nicht nur auf Demos unterwegs, wir machen ja auch Infostände. Da kriegen wir überwiegend positive Rückmeldungen. Und wir kriegen in den sozialen Medien auch mal Daumen hoch, wenn wir unterwegs sind und als Demonstranten im Zug wurden wir schon um Selfies gebeten. Das ist natürlich sehr aufmunternd.
SWR Aktuell: Sie haben diese Initiative auch wegen ihrer Enkel gegründet. Also was möchten Sie denen denn ganz konkret mitgeben?
Heimer: Ich möchte denen mitgeben, dass es wertvoll ist, sich für unsere Demokratie einzusetzen, sich für die Menschenrechte, die Menschenwürde einzusetzen. Also dafür, dass kein Mensch aufgrund seiner Herkunft, seiner Religion, seiner Hautfarbe, seiner Sexualität diskriminiert wird.
SWR Aktuell: Jetzt ist ja eine Demokratie selten daran gescheitert, dass es zu wenige Demokraten gab, sondern daran, dass sich die Demokraten zu wenig für die Demokratie eingesetzt haben. Sehen Sie da Parallelen zur heutigen Zeit?
Heimer: Ja, wir kriegen viel Lob. Wenn wir aber Demos organisieren, trauen sich immer noch viel zu wenige mit uns gemeinsam auf die Straße zu gehen. Wir haben das Gefühl, vielen Leute ist es immer noch nicht wirklich bewusst, was auf dem Spiel steht.