"Wir können auch durch Wegschauen und Nichtstun schuldig werden." Mit diesen Worten eröffnete Dekan Axel Brecht den Gottesdienst in der Landauer Marienkirche am Sonntag. Teil des Gottesdienstes war die Mitteilung des Pfarreirates, den Kardinal-Wetter-Platz nicht umzubenennen, sondern mit einer Hinweistafel auf den problematischen Namensgeber hinzuweisen.
Kardinal Wetter: Fehlverhalten im Umgang mit sexuellem Missbrauch
Im Zuge der Veröffentlichung des Münchener Missbrauchsgutachten wurde Kardinal Friedrich Wetter in mehreren Fällen Fehlverhalten im Umgang mit sexuellem Missbrauch nachgewiesen. Kardinal Wetter war zunächst Bischof von Speyer und später Erzbischof des Bistums München und Freising. Seit 2008 ist er im Ruhestand. Für einen Fall des sexuellen Missbrauchs übernahm er persönlich die Verantwortung, so teilt es das Bistum Speyer mit.
Der Gottesdienst am Sonntag war den Betroffenen des sexuellen Missbrauchs in der Kirche gewidmet. Opfer schilderten auf eindrückliche Weise, was ihnen widerfahren, und wie sie zum Teil verprügelt und aus der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen worden seien, wenn sie daheim von ihren Erfahrungen berichteten.
Im Gottesdienst sagte ein Betroffener: "Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal in einer Kirche über meinen sexuellen Missbrauch rede", ihm sei damals nicht zugehört worden. Und weiter: "Das Wichtigste als Betroffenenbeirat ist es, dass wir zuhören." Und, dass das Wegschauen und Schweigen gebrochen werde.
Wenn man das Schild entfernen würde, wäre das wieder ein Wegschauen und Verschweigen. Deshalb sei es wichtig, dass das Schild bleibe. Es sei wichtig, auf das Versagen des Kardinals aufmerksam zu machen, aber auch seine Verdienste sollten nicht verschwiegen werden, so die Betroffenen im Gottesdienst.
Entscheidung des Betroffenenbeirates
Den Kardinal-Wetter-Platz zu einem Gedenkort zu machen, sei eine gemeinsame Entscheidung des Betroffenenbeirates und der Kirchengemeinde gewesen. Eine Alternative wäre eine Umbenennung gewesen. Für den amtierenden Bischof Karl-Heinz Wiesemann ist es die richtige Entscheidung. Diese sei sensibel und verantwortungsbewusst. Wichtig für ihn: "Leitend war die Perspektive der Betroffenen sexualisierter Gewalt, nicht der Schutz der Kirche und das Ansehen ihrer Amtsträger." Diesen "fundamentalen Perspektivwechsel" wolle auch er als Bischof mit aller Kraft vorantreiben.
Das Bistum wird jetzt auf alle Gemeinden zugehen, damit die Betroffenen vor Ort über ihre Erfahrungen sprechen und aufklären können. Am 18. November lädt der Betroffenenbeirat um 15:30 Uhr gemeinsam mit Bischof Karl-Heinz Wiesemann zu einer Gedenkveranstaltung in Landau ein.