Die Geothermie hat in Landau eine bewegte Geschichte: Bei den ersten Versuchen, die Technik hier zu nutzen, war es vor mehr als zehn Jahren zu Rissen in Häusern und Straßen gekommen. Entsprechend groß war am Dienstagabend das Interesse: Mehr als 150 Leute fanden sich im kleinen Saal der Festhalle ein, obwohl es nicht die erste Veranstaltung zum Thema war.
Stadt Landau setzt für die Zukunft auf Wärme aus Geothermie
Es ist ein 500-Millionen-Euro-Projekt, das das Unternehmen "Natürlich Südpfalz", ein Tochterunternehmen der Karlsruher Firma Vulcan, plant. In einem neuen Gewerbegebiet im Osten der Stadt sollen entstehen: ein geothermisches Kraftwerk, in dem heißes Thermalwasser über Pipelines aus umliegenden Bohrplätzen ankommt. Eine Extraktionsanlage, die aus dem Wasser den Energiewende-Rohstoff Lithium herausholt. Eine Heizzentrale, um Wärme auszukoppeln. Und eine Umspannstation für Strom.
Auf Dauer könne die ausgekoppelte Fernwärme mehr als ausreichend sein, um die gesamte Stadt zu versorgen, glaubt die Verwaltung. Mit anderen Worten: Die Stadt will ihre komplette Wärmeversorgung in die Hände eines Unternehmens legen. Und das mit Hilfe einer Technik, die gerade in Landau alles andere als unumstritten ist.
Kritiker vor der Halle
Schon gut eine halbe Stunde, bevor die Veranstaltung, auf der die Stadt Landau über den aktuellen Sachstand informieren wollte, begann, haben Kritiker vor der Halle Stellung bezogen: ein Infostand einer Bürgerinitiative, die seit Jahren versucht, weitere Anlagen in Landau zu verhindern. Tenor: Dieses Mal werde es sogar noch schlimmer werden mit den Erderschütterungen, sollte Landau sich wieder auf die Technik einlassen. Der Vorsitzende Werner Müller verteilte Flugblätter, auf denen er die Zuhörer animiert, kritische Fragen zu stellen. Er selbst hat sich während der Veranstaltung aber nicht zu Wort gemeldet.
Keine Grundsatzdiskussion
Eine Grundsatzdiskussion soll es nicht werden, stellte eine Sprecherin der Stadt gleich zu Beginn klar: Die Entscheidung für die Geothermie sei bereits getroffen worden. Entsprechend fanden sich unter den Vortragenden auch keine kritischen Stimmen. Stattdessen bekam Thorsten Weimann, Geschäftsführer der Vulcan-Gruppe, ausführlich Gelegenheit, die Pläne zu erläutern: Wenn alles gut läuft, soll im kommenden Jahr mit dem Bau der neuen Anlage im Osten der Stadt begonnen werden. Ein bis zwei Jahre später soll die Anlage in Betrieb genommen werden und Wärme, Strom und Lithium liefern.
Die Frage der Sicherheit
Die Frage-Antwort-Runde nach Weimanns Vortrag machte schnell deutlich: Für viele Fragen, die die Leute interessieren, ist es noch zu früh. Wieviel die Wärme denn dann mal kosten wird, ist zum Beispiel noch längst nicht raus; erst recht nicht, wann welches Haus im Stadtgebiet angeschlossen werden kann. Und am meisten Geduld wird es wahrscheinlich für die Antwort auf die wichtigste Frage brauchen: Ist der Betrieb der Anlage sicher?
Ist Landau bei Vulcan in guten Händen?
Für diese Frage war Andreas Tschauder am Dienstagabend vor Ort, Direktor des Landesamtes für Geologie und Bergbau. Ohne Zustimmung dieses Amtes wird sich bei der Anlage, die Vulcan bauen will, gar nichts bewegen.
Ob sich Landau denn bei dem Karlsruher Unternehmen in guten Händen befände, wollte eine Zuhörerin wissen. Eine klare Antwort vermied Tschauder. Stattdessen: Viele Folien auf dem Bildschirm über ihm mit Begriffen wie "UVP-Vorprüfung", "bergrechtsbetriebliche Prüfung", und "Vollständigkeitsprüfung".
Spezielle Versicherung soll Bürger schützen
Das sei halt alles sehr technisch und sehr komplex, so Tschauder. Zusammenfassend könne er aber sagen, Vulcan sei sehr kooperativ und halte sich bislang an alle Auflagen. Eine der Auflagen ist eine Versicherung, die einspringt, sollte der Betrieb der Anlage zu Schäden führen. Besonderheit hier: Es wäre im Falle des Falles an Vulcan, zu beweisen, dass sie mit den Schäden nichts zu tun haben und nicht an dem, der den Schaden hat.
Niemand habe ein Interesse daran, dass sich das Geothermie-Desaster in Landau wiederholt. Er selbst würde sich jedenfalls unter diesen Bedingungen ohne weiteres an das geplante Fernwärmenetz anschließen lassen, sagte Tschauder im Anschluss an die Veranstaltung dem SWR.
Nicht alle sind überzeugt
Ein einheitliches Meinungsbild war nach der Veranstaltung nicht zu bekommen. Eine Werbe-Veranstaltung für Vulcan sei das gewesen, so eine Zuhörerin. Ein anderer sagte, er sei durchaus interessiert, aber ihm fehlten verlässliche Angaben zu den Kosten, die dann auf ihn zukämen.
Beate Peukert gehört nach eigenen Angaben zu den Menschen, denen die Geothermie beim ersten Versuch in Landau Risse in den Wänden eingebracht hat: "Wir waren damals im Haus, hörten einen Knall und hatten das Gefühl, das Haus hebt und senkt sich." Ein Geologe habe den Zusammenhang auch eindeutig bestätigt. Doch gegen das Gegengutachten und die Rechtsanwälte der damaligen Betreiber des Landauer Geothermiekraftwerks seien sie einfach nicht angekommen.
Wie hat sie den Abend erlebt? "Nette Ideen, nette Ansätze. Ich hoffe jetzt mal, dass sie das, was sie heute versprochen haben, auch halten. Allerdings hält sich meine Hoffung in Grenzen."
Anfang Juni wird der Stadtrat die Entscheidung über den Bebauungsplan treffen. Im August ist die nächste Bürgerinformationsveranstaltung geplant.
Experten sind skeptisch
In Deutschland gilt Geothermie mittlerweile als wichtiger Baustein bei der Wärmewende. Ein paar Beispiele: In Speyer und Schifferstadt wollen die kommunalen Stadtwerke Erdwärme nutzen. Bohrungen gibt es auch im baden-württembergischen Graben-Neudorf. Im Norden setzen die Stadtwerke Schwerin auf Geothermie. In Bayern gibt es mehrere Anlagen.
Energie-Expertin Kemfert: Geothermie als gute Form der Energiegewinnung
Zu dem geplanten Geothermie-Großprojekt hat der SWR mit Energie-Expertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsförderung (DIW) in Berlin gesprochen. Sie sagt: "Grundsätzlich ist Geothermie eine gute Form der Energiegewinnung, vor allem, wenn die Gegebenheiten vor Ort da sind." Doch: "Die Wärmeerzeugung in privatwirtschaftliche Hände zu legen, hat ein gewisses Risiko." Skepsis sei angebracht, weil die Wärmegewinnung in Landau mit einem anderen Geschäftsmodell verbunden ist. "Man weiß nie genau, wie das Unternehmen wirklich agieren wird", sagt Kemfert. "Vor allem, wenn es auch darum geht, Lithium zu gewinnen."
Experte vom Öko-Institut: Wärmenetz soll in kommunaler Hand sein
Benjamin Köhler, Experte für Energie und Klimaschutz am Öko-Institut, spricht sich für ein Wärmenetz aus, das in kommunaler Hand ist: Zum einen begebe die Kommune sich nicht in eine Abhängigkeit und die Gefahr, dass keine Wärmelieferung mehr erfolgt. Zum anderen steige die Akzeptanz in der Bevölkerung. "Optimal ist es, wenn sich die Bevölkerung finanziell beteiligen kann", so Köhler vom Öko-Institut. Auf jeden Fall sollten die Verträge mit den privaten Unternehmen so ausgestaltet werden, "dass die Stadt Zugriff auf das Geothermiekraftwerk hat, falls die Unternehmen nicht mehr existieren oder insolvent gehen."
Dieser Gefahr ist sich die Landauer Stadtverwaltung offensichtlich bewusst. Sollte die Tiefengeothermie über die Firma Vulcan nicht mehr nutzbar sein, müsste die Anlage zur Wärmeauskopplung einen anderen Betreiber finden, vielleicht sogar den lokalen Energieversorger Energie Südwest, an dem die Stadt 49 Prozent hält. In einer Sitzungsvorlage für die nächste Sitzung des Stadtrats im Juni steht: "Diese Aspekte wurden in die Verträge mit der Fa. Vulcan bereits eingebaut."
Landau muss Fernwärmenetz aufbauen
Um die Wärme aus Geothermie auch wirklich zu den Menschen zu bringen, muss ein Fernwärmenetz in Landau aufgebaut werden. Das ist Sache des lokalen Energieversorgers. Schnell geht das nicht: Nur sechs bis acht Kilometer neue Leitungen könnten pro Jahr verlegt werden, heißt es in der Sitzungsvorlage. Bis 2045 könnten die Kernstadt und die beiden Stadtdörfer Queichheim und Mörlheim angeschlossen sein.
Mit dem Aufbau eines Fernwärmenetzes sei die Kommune "spät dran", sagt Energie-Expertein Claudia Kemfert vom DIW. "Die große Gefahr ist natürlich, dass viele Anwohner ihre Energieversorgung in die eigene Hand nehmen, und zum Beispiel eine Wärmepumpe einbauen. Wenn das viele Anwohner tun, rechnet sich das Fernwärmenetz am Ende kaum." Aber: "Ist das Fernwärmenetz einmal aufgebaut, rechnet sich das für viele Haushalte, weil es oftmals günstiger ist und nicht überall andere Optionen wie Wärmepumpen zur Verfügung stehen."
Nach Info-Veranstaltung Fernwärme durch Erdwärme: Was sagen die Bürger in Landau zu Geothermie-Plänen?
Die Stadt Landau diskutiert über die Energieversorgung mit Geothermie. Ende Juni soll der Stadtrat entscheiden. Jetzt gab's eine Info-Veranstaltung. Was sagen die Bürger?