Ob nun das Gläserklirren beim Anstoßen oder die oft blumigen Beschreibungen der Weinaromen, die fester Bestandteil der Sprache von Winzern oder Sommeliers sind: Gehörlosen Menschen fehlen diese Informationen und damit ein Teil der sinnlichen Erlebnisse eines Weines. So beschreibt es Stefan Jedele, Geschäftsführer des Vereins Mittelrhein-Wein.
Deshalb hat der Verein im Weingut Müller in Spay am Rhein jetzt eine Weinprobe in Gebärdensprache veranstaltet. Speziell - aber nicht nur - für gehörlose und hörgeschädigte Menschen. "Die erste ihrer Art am gesamten Mittelrhein", betont Jedele. Teilgenommen haben etwa ein Dutzend Personen.
Idee hatte Weinprinzessin Kira Michels
Die Idee dazu hatte die amtierende Mittelrhein-Weinprinzessin Kira Michels aus Dattenberg im Kreis Neuwied. Die 27-Jährige beherrscht selbst die Deutsche Gebärdensprache. Deshalb sei ihr der Gedanke schon bei ihrer Wahl zur Mittelrhein-Weinprinzessin im letzten November gekommen. "Damals habe ich meinen Wein auch in Gebärdensprache vorgestellt", so Michels.
In sozialen Medien habe sie dann eine riesige positive Resonanz unter Gehörlosen und höreingeschränkten Menschen bekommen. Das habe sie selbst überrascht und überwältigt und gleichzeitig ermutigt, in dieser Richtung weiterzumachen, erzählt sie. Und so sei es nun zu dieser ersten Weinprobe in Gebärdensprache gekommen.
Weinprinzessin macht Gebärdensprache zum Beruf
In Kontakt mit der Gebärdensprache sei sie schon früh über eine hörgeschädigte Verwandte gekommen. Diese Form der Kommunikation habe ihr damals bereits so gut gefallen, dass sie sich entschieden habe, später auch in diesem Bereich arbeiten zu wollen. Schon damals sei für sie klar gewesen, dass man viele Dinge in Gebärdensprache viel schöner und bildhafter ausdrücken könne als in Laut- oder Schriftsprache, erzählt sie.
Nach einem anfänglichen BWL-Studium wechselte sie dann bewusst zurück in den sozialen Bereich und studierte Sonderpädagogik mit der Vertiefung in Deutscher Gebärdensprache. Seitdem arbeitet sie an Förderschulen und in der kindlichen Frühförderung. Das sei definitiv die richtige Entscheidung gewesen. "Ich habe meine Leidenschaft zum Beruf gemacht", so Michels.
Integration von Gehörlosen ist Michels wichtig
Es sei ihr wichtig gewesen, mehr gehörlose und hörgeschädigte Menschen an dem Erlebnis einer Weinprobe teilhaben zu lassen, sagt die Mittelrhein-Weinprinzessin. "Für mich ist das nicht nur Leidenschaft, sondern auch eine Möglichkeit, diesen Menschen eine größere gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und sie an all den Sinneseindrücken teilhaben zu lassen, die wir hörenden Menschen bei einer Weinprobe erleben", erklärt die Weinprinzessin.
Wenige Angebote für Gehörlose im Land
Denn gute Angebote für Gehörlose und Hörgeschädigte gebe es in Rheinland-Pfalz viel zu wenige, sagt sie kritisch. Da seien andere Bundesländer viel weiter. Deshalb hat sie alle vorgestellten Weine des Abends zusammen mit einer geprüften Gebärdendolmetscherin in die Gebärdensprache übersetzt. Neben ihrem Wein wurden auch die Weine der weiteren drei Mittelrhein-Weinhoheiten Svenja Mozian, Verena Schwager und Gero Schüler in Gebärden übersetzt.
Zukünftig mehr Weinproben für Gehörlose
Die Bilanz nach der Veranstaltung fiel durchweg positiv aus. Ein Gehörloser erklärte gegenüber dem SWR mithilfe einer Dolmetscherin: "Es waren viele neue Eindrücke zusätzlich zu den Gerüchen und dem Geschmack. Ich habe auf jeden Fall etwas dazugelernt heute, denn durch die Gebärdensprache habe ich viel mehr Informationen, mehr Details mitbekommen, besonders in der Beschreibung der Aromen. Der Wein schmeckt mit diesen Informationen tatsächlich anders und intensiver."
Deshalb wünschen sich alle Teilnehmenden mehr solcher Weinproben. Auch Stefan Jedele war begeistert und sagte, der Verein Mittelrhein-Wein wolle Weinproben in Gebärdensprache künftig häufiger ermöglichen.