Das seien sechs Hektar weniger als noch ein Jahr zuvor, so Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut (DWI) im rheinhessischen Bodenheim. Damit habe der Mittelrhein nun gerade mal einen Hektar weniger als das Anbaugebiet Hessische Bergstraße. Gemessen an der Fläche schrumpft das Anbaugebiet Mittelrhein 2023 damit zum kleinsten der insgesamt 13 deutschen Weinbaugebiete.
Viele Gründe für Rückgang des Weinanbaus
Grund für die Aufgabe von Rebflächen sei in den meisten Fällen, dass Winzer keine Nachfolger fänden, meint Büscher. Entweder hätten sie selbst keine eigenen Nachfolger in der Familie, oder aber es finde sich kein externer Interessent, an den man seinen Weinbaubetrieb im Alter weitergeben könne.
Aufwändige Steillagen machen Arbeit schwer
Dabei spiele sicher auch die Bewirtschaftung in Steillagen eine Rolle, so Büscher. "In einer Flachlage, wie zum Beispiel in Rheinhessen oder der Pfalz, brauche ich, je nach Mechanisierungsgrad, etwa 200 bis 250 Stunden Arbeitszeit pro Hektar und Jahr, um einen Weinberg zu bewirtschaften. In einer Steillage hingegen sind das aber zwischen 800 und 1.000 Stunden. Das überlegen sich dann vielleicht einige, wenn sie einen Betrieb übernehmen wollen", so Büscher.
Rebflächen-Rückgang kein Grund zur Sorge
Einen Grund zur Sorge sieht Büscher aber dennoch nicht. In den vergangenen Jahren habe es immer wieder Schwankungen der Anbaufläche gegeben. Zwischen 2017 und 2023 habe der Mittelrhein immer zwischen 465 und 470 Hektar gehabt, im Schnitt etwa 467 Hektar, so Büscher. Zwar seien es auch schon mal rund 2.000 Hektar gewesen, so Büscher - das sei aber schon hundert Jahre her.
Mittelrhein wird nicht bedeutungslos werden
"Das ist also jetzt wirklich keine dramatische Entwicklung. Der Mittelrhein wird sicherlich seine Position im unteren Bereich der 13 deutschen Anbaugebiete behalten und ganz sicher nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, auch wenn es in einem Jahr mal ein paar Hektar Rebfläche weniger gibt", so Büscher. Außerdem habe der Mittelrhein mit seinen schieferbetonten Rieslingen immer noch ein Alleinstellungsmerkmal.
Nächstes Jahr kann schon wieder alles anders aussehen
Ein Hektar weniger als die Hessische Bergstraße sei auch wirklich nur "ganz knapp verloren", wenn man so wolle. In den letzten Jahren habe es immer kleinere Schwankungen bei der Anbaufläche gegeben. So könne es gut sein, dass im kommenden Jahr am Mittelrhein wieder zwei Hektar mehr gepflanzt würden und dafür vielleicht dann an der Hessischen Bergstraße ein Hektar weniger. Und dann würden die beiden Anbaugebiete schon wieder die Plätze tauschen, so Büscher.
Jungwinzer machen Hoffnung
Hoffnung machen ihm vor allem die Jungwinzer am Mittelrhein. Es habe sich inzwischen eine sehr dynamische Jungwinzer-Szene entwickelt, deren Akteure es sich vorgenommen hätten, den Mittelrhein voranzubringen, meint Büscher. Viele kauften Flächen von Betrieben auf oder hinzu, wenn ein nahegelegener Betrieb zum Beispiel aus Altersgründen aufhöre oder keinen Nachfolger finde.
Dadurch sei ein kontinuierlicher Flächenrückgang sicherlich zu stoppen, ist sich Büscher sicher. Die Jungwinzerinnen und -winzer hätten das erklärte Ziel, den Mittelrhein als Anbaugebiet weiter voranzubringen, und viele gute Ideen.
So etwa Andreas Frickel aus Rhens, der kürzlich eine Top-Lage im Bopparder Hamm gekauft hat. Er meint: „Der Wein gehört seit 1.200 Jahren bei uns zur Geschichte, zur Tradition dazu, und es wäre doch wirklich traurig, wenn man jetzt nach 1.200 Jahren Weinbaugeschichte sagen würde, wo der Weinbau doch über viele Generationen ganze Familien ernährt hat, dass der auf einmal wegfallen soll. Das war eigentlich die Sache, die uns angetrieben hat, brachgefallene Lagen nochmal neu zu bestocken.“
Trotz der harten Arbeit sieht Frickel in den Steillagen am Mittelrhein auch weiterhin große Chancen: „Wir haben hier vor der Haustür wirklich das Potenzial, die besten Rieslinge Deutschlands und mit Sicherheit auch der Welt anzubauen, es sind differenzierte Lagen und ein differenziertes Terroir, wo wir eigentlich gerade mit dem Riesling wirklich unsere Stärken in der Qualität ausbauen und zeigen können, was vielleicht kein anderer so in der Form kann.“
Daneben gibt es auch gemeinschaftliche Initiativen, brachliegende Weinberge weiterzubewirtschaften, wie etwa die Weinbruderschaft "Breyer Hämmchen". Diese hatte sich gegründet, als in ihrem Ort der letzte Winzer aufgehört hatte.
Rotwein gesellt sich zum Riesling am Mittelrhein
Der Mittelhrein ist eigentlich für seinen Riesling bekannt. Aber inzwischen setzen einige Winzer auch auf Rotwein. Der Spätburgunder ist mit gut zehn Prozent und 48 Hektar der gesamten Rebfläche die am zweithäufigsten angebaute Rebsorte - nach dem Riesling mit 298 Hektar (fast 64 Prozent). An dritter Stelle steht der Weißburgunder. Das sei vor einigen Jahrzehnten noch undenkbar gewesen, so Büscher.
Andere Rebsorten auch wegen Klimaveränderungen
Hierfür sei auch der Klimawandel ein Grund. Der Spätburgunder komme mit dem inzwischen heißeren und trockenen Klima am Mittelrhein gut zurecht. Insgesamt mache der Weißwein aber immer noch 85 Prozent der Anbaufläche am Mittelrhein aus, Rotwein mittlerweile 15 Prozent.
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Die meisten der 13 Weinanbaugebiete in Deutschland sind in Rheinland-Pfalz. Das größte ist das Anbaugebiet Rheinhessen mit 27.312 Hektar - fast 60 Mal so viel wie am Mittelrhein.