Zehn Jahre nach dem Flugzeugunglück - eine Chronologie

Co-Pilot aus RLP brachte Germanwings-Maschine absichtlich zum Absturz

Stand
Autor/in
Christian Papadopoulos

Am 24. März vor zehn Jahren hat ein Co-Pilot aus dem Westerwald eine Germanwings-Maschine in den französischen Alpen zum Absturz gebracht - er wollte Selbstmord begehen. Alle 150 Insassen kamen ums Leben. Wir erinnern an die Ereignisse.

Der Abschlussbericht der französischen Untersuchungsbehörde für Flugunfälle (BEA) stellte fest, dass sich der Co-Pilot Andreas L. aus Montabaur mit Absicht im Cockpit eingeschlossen hatte, um die Maschine vorsätzlich, bewusst und alleine gegen einen Berg zu steuern, um auf diese Weise Suizid begehen zu können.

Der Flugverlauf am 24. März 2015

Der Airbus A320-211 war 1991 bei der Lufthansa in Dienst gestellt worden und hatte zum Zeitpunkt des Absturzes fast 47.000 Flüge hinter sich. Erst seit 2014 kam die Maschine bei der Lufthansa-Tochter Germanwings zum Einsatz. Noch am Vortag der Katastrophe waren in Düsseldorf technische Mängel an der Bugfahrwerksklappe behoben worden.

08:57 Uhr: Das Flugzeug landet aus Düsseldorf kommend in Barcelona.

10:01 Uhr: Die Maschine startet mit rund einer halben Stunde Verspätung in Barcelona zum Rückflug nach Düsseldorf. Der Erste Offizier, der Co-Pilot Andreas L., steuert die Maschine. Nach dem Steigflug erreicht das Flugzeug um 10:27 Uhr seine zugewiesene Reiseflughöhe von 38.000 Fuß (rund 12.000 Meter).

10:30 Uhr: Der Kapitän bestätigt die Freigabe der Flugsicherung und übergibt direkt danach die Durchführung des Flugs an den Co-Piloten. Danach gib es keinen Funkkontakt mehr zu der Maschine.

10:46 Uhr: Am Bedienpanel des Co-Piloten wird eine Zielhöhe von 100 Fuß eingestellt. Dies entspricht ungefähr 30 Metern über dem Meeresspiegel. Der Bordcomputer leitet darauf den Sinkflug ein. Bereits auf dem Hinflug hatte der Co-Pilot während einer Abwesenheit des Kapitäns den Sinkflug für einige Sekunden testweise eingestellt, ohne dass dies wegen der Kürze der Zeit aufgefallen war.

10:53 Uhr: Das Kontrollzentrum im südfranzösischen Marseille versucht vergeblich, Kontakt zur Maschine aufzunehmen. Es wird kein Notsignal des Fliegers empfangen. Der Stimmenrekorder im Cockpit zeichnet zuvor mehrfach das Rufsignal der Sprechanlage, Stimmen sowie Schläge gegen die Cockpit-Tür auf. Eine Stimme fordert, die Tür zu öffnen. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 sind Cockpittüren in Verkehrsflugzeugen mechanisch verstärkt und elektronisch gesichert, so dass sie von außen nicht mehr gegen den Willen der Cockpitbesatzung geöffnet werden können. Das Flugzeug schlägt in einer Höhe von etwa 1.550 Metern im Bergmassiv Trois-Évêchés in den provenzalischen Alpen ein. Die französischen Behörden schicken noch einen Kampfjet los, um die Lage des Flugzeuges zu überprüfen. Der Flieger erreicht die Germanwings-Maschine aber nicht mehr rechtzeitig.

Die Absturzstelle der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen
Die Absturzstelle der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen

150 Menschen sterben beim Absturz

An Bord kommen 144 Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder ums Leben. Unter den Opfern sind auch eine 10. Klasse mit 14 Schülerinnen und zwei Schülern sowie deren beide Lehrerinnen aus Haltern am See in Nordrhein-Westfalen. Die Gymnasiasten waren auf dem Rückflug von einem Schüleraustausch im spanischen Llinars del Valles. Neben dem Kapitän und dem Co-Piloten kommen auch noch vier Flugbegleiterinnen in den Trümmern ums Leben. Auch drei junge Menschen aus Rothenbach im Westerwald sterben. Für sie gibt es eine Trauerfeier im Ort in der Herz-Jesu-Kirche. Auch drei Kondolenzbücher werden dort ausgelegt.

Rund 1.000 Einsatzkräfte von Polizei, Katastrophenschutz, Bergrettung und Feuerwehr beteiligen sich an der Bergung der Leichenteile in dem umwegsamen Gelände. Soweit man die Toten identifizieren kann, werden sie in die Heimatorte überführt. Ansonsten werden sie in der Nähe des Unfallortes in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt.

Am 24. März 2017, zwei Jahre nach dem Absturz, wird in Le Vernet in der Nähe des Unfallortes eine Gedenkstätte errichtet. Auch das Gemeinschaftsgrab der nicht identifizierten Leichenteile befindet sich auf dem Friedhof des Ortes.

Die Gedenkstätte für die Opfer des Flugzeugabsturzes des Germanwings-Fluges 4U 9525 vom 25.02.2015 in Le Vernet (Frankreich).
Die Gedenkstätte für die Opfer des Flugzeugabsturzes des Germanwings-Fluges 4U 9525 vom 25.02.2015 in Le Vernet (Frankreich).

Eine zentrale ökumenische Trauerfeier findet am 17. April 2015 im Kölner Dom statt. Sie wird vom Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, zelebriert. Beim anschließenden Staatsakt redet der damalige Bundespräsident Joachim Gauck.

So berichtete die "Landesschau Aktuell Rheinland-Pfalz" 2015 im SWR über die Trauerfeierlichkeiten im Kölner Dom.

Haltern am See gedenkt der getöteten Schüler und Schülerinnen

In Haltern am See gibt es mehrere Gedenkstätten, die an die verunglückten 16 Schüler und die zwei Lehrerinnen erinnern. Am Eingang des dortigen Joseph-König-Gymnasiums hängen Bilder der Opfer und ein Klassenzimmer der Schule ist als Gedenkraum eingerichtet worden. Zudem befindet sich am Aufgang zum Schulportal eine Gedenkstätte. Sie besteht aus einem Ensemble aus 18 Kirschbäumen, einer Blumenwiese, einer rostfarbenen Gedenktafel mit den Namen der Opfer und einer Stele mit einer kontinuierlich brennenden Kerze. Regelmäßig erinnert die Schule an die Opfer von 2015, sowie etwa am 8. Jahrestag vor zwei Jahren, wie die Kollegen und Kolleginnen des WDR berichteten.

Eine weitere Gedenkstätte befindet sich auf dem Kommunalfriedhof. Diese Gedenkstätte ist symbolisch einem Klassenraum nachempfunden worden. Sie besteht aus insgesamt 18 Zierapfelbäumen, davon sind 16 Bäume, die für die Schüler stehen, in Reihen angeordnet worden. Hinter dieser Baumreihe stehen zwei weitere Bäume für die Lehrerinnen und ein Gedenkstein, der das Klassenpult symbolisieren soll. In den Gedenkstein aus Granit sind die Namen der Verstorbenen, ein Kreuz und eine schwarze Trauerschleife mit der Flugnummer 4U9525 eingraviert. Zur rechten Seite des Gedenksteins liegen auf Wunsch ihrer Familienangehörigen die Gräber von fünf Unfallopfern.

Die Gedenkstätte für Germanwings-Absturzopfer auf dem kommunalen Walfriedhof Sundern in Haltern am See: 14 Schülerinnen, zwei Schüler und zwei Lehrerinnen waren bei dem Flugzeugabsturz am 24. März 2015 ums Leben gekommen. An sie alle erinnern unter anderem 18 Zierapfelbäume.
Die Gedenkstätte für Germanwings-Absturzopfer auf dem kommunalen Walfriedhof Sundern in Haltern am See: 14 Schülerinnen, zwei Schüler und zwei Lehrerinnen waren bei dem Flugzeugabsturz am 24. März 2015 ums Leben gekommen. An sie alle erinnern unter anderem 18 Zierapfelbäume.

Französische Behörden empfehlen psychologische Überprüfungen

Im Mai 2015 veröffentlicht die französische Untersuchungsbehörde BEA einen Zwischenbericht. In diesem wird auf den kurzen Testsinkflug auf der Hinreise nach Barcelona Bezug genommen. Daraus folgern die Behörden, dass der Pilot handlungsfähig war und das Flugzeug absichtlich zum Absturz gebracht hat.

Der Abschlussbericht vom 13. März 2016 bestätigt die Erkenntnis, dass der psychisch kranke Co-Pilot die Maschine absichtlich abstürzen ließ. Ein Arzt hatte bereits zwei Wochen vor dem Absturz eine Psychose bei Andreas L. diagnostiziert und eine Einweisung in eine Klinik empfohlen. Allerdings hinderte ihn die ärztliche Schweigepflicht, dies zu kommunizieren. Der Co-Pilot war demnach krankgeschrieben, ohne seinen Arbeitgeber darüber zu informieren. Offenbar fürchtete er auch, seine Fluglizenz zu verlieren - nur ein mögliches Motiv für seinen Suizid.

Die BEA empfiehlt in ihrem Abschlussgutachten den EU-Staaten routinemäßige Überprüfungen auf psychische Störungen, insbesondere bei krankheitsbedingten Ausfällen von Piloten. Eine leichtere Entriegelungsmöglichkeit für Cockpits gehört aber nicht zu den Empfehlungen. Daher haben viele Fluggesellschaften inzwischen das Vier-Augen-Prinzip im Cockpit eingeführt.

Schadenersatzklagen der Angehörigen

Im September 2021 weist das Oberlandesgericht Hamm (OLG) eine Berufungsklage von Hinterbliebenen, die von der Germanwings-Mutter Lufthansa Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro gefordert hatten, zurück. Damit stimmt das OLG mit dem Landgericht Essen in der Auffassung überein, die medizinische Überwachung der Piloten sei eine hoheitliche Aufgabe des Staates und nicht der Fluggesellschaft.

Neben dem Urteil, dass die Lufthansa nicht der richtige Adressat für die Schadenersatzansprüche sei, schätzt das Gericht diese auch als nicht ausreichend konkret begründet ein. Im Juli 2023 erheben 32 Hinterbliebene beim Landgericht Braunschweig Klage auf Schmerzensgeld gegen die Bundesrepublik Deutschland.

Die Ansprüche werden im Rahmen der Amtshaftung geltend gemacht. Die Kläger werfen dem Luftfahrtbundesamt vor, dass seine turnusmäßigen medizinischen Untersuchungen des Co-Piloten mangelhaft gewesen seien. Die Europäische Luftfahrtbehörde EASA hatte das Luftfahrtbundesamt zuvor verwarnt. Laut EASA hat es keinen ausreichenden Überprüfungsmechanismus gegeben.

Wann der Prozess in Braunschweig beginnen wird, ist noch unklar. Viele Angehörige erhoffen sich davon eine Klärung der Schuldfrage.

Umstrittenes Gutachten des Vaters des Co-Piloten empört die Angehörigen

Für große Empörung unter den Angehörigen der Opfer sorgt ein umstrittenes Gutachten, dass der Vater des Co-Piloten am 24. März 2017 zum Ablauf der Ereignisse vorgestellt hat. In einer Pressekoferenz am zweiten Jahrestag stellt der Journalist und Sachbuchautor Tim van Beveren zusammen mit dem Vater Auszüge aus seinem Gutachten vor. Dieses basiert auf van Beverens Auswertung der 39 Bände umfassenden Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Düsseldorf.

Es unterstellt Ermittlungsfehler und Versäumnisse bei den Untersuchungen und meldet Zweifel daran an, ob L. den Unfall tatsächlich absichtlich herbeigeführt hat. Die zuständige Düsseldorfer Staatsanwaltschaft weist diese Ausführungen umgehend zurück. Das abgeschlossene Verfahren habe "eine klare Verantwortlichkeit von Andreas L. als Schuldigen" belegt. Auch die französischen Ermittlungsbehörden bekräftigten, der Co-Pilot habe das Flugzeug gezielt gegen den Berg geflogen.

Bundesregierung und Bundesverkehrsministerium erklären, es bestünden keine Zweifel an den Ermittlungsergebnissen. Opfervertreter bezeichneten die Pressekonferenz als "Affront“ und "geschmacklos“. Anfang Mai 2017 veröffentlicht die Familie des Co-Piloten das umstrittene Gutachten in Auszügen im Internet, im April 2018 wird das Gutachten in Gänze veröffentlicht. Bereits am ersten Jahrestag des Unglücks, 2016, hatten die Eltern des Co-Piloten für Empörung gesorgt. Damals veröffentlichen sie eine Traueranzeige nur für ihren Sohn, ohne die anderen 149 Todesopfer auch nur zu erwähnen.

So berichtete "SWR Aktuell Rheinland-Pfalz" 2017 über den Versuch des Vaters des Co-Piloten, die Unschuld seinen Sohnes am Absturz der Germanwings-Maschine zu beweisen.

Kritik an teils reißerischer Medienberichterstattung

Auch die Medien bekommen ihr Fett weg. Ihnen wird eine teils reißerische Berichterstattung ohne Rücksicht auf die Opfer vorgeworfen. Dazu gehören Fotos der Angehörigen in den Sozialen Medien, aber auch sogenannte Experten in Talkshows. Dort sei teilweise ohne Faktenkenntnis spekuliert worden und man sei zu hanebüchenen Ergebnissen gekommen.

Bis zum 1. April 2015 gehen beim Deutschen Presserat über 400 Beschwerden wegen Verstößen gegen den Pressekodex ein. Der Presserat entscheidet, dass die Veröffentlichung des Namens des Co-Piloten rechtens gewesen sei, die Veröffentlichung von Bildern der Opfer und Angehörigen hingegen nicht.

Doku-Serien in ARD Mediathek und ARD Audiothek

Eine vierteilige Serie aus der ARD-Reihe ARD Crime Time rekonstruiert den Verlauf der Katastrophe, aber auch die Folgen für die Angehörigen der Opfer und die Luftfahrt. Sie ist in der ARD Mediathek abrufbar. Der Titel lautet: "Der Germanwings-Absturz – Chronologie eines Verbrechens."

Zudem befasst sich eine WDR-Hörfunk-Dokumentation mit dem Titel "Zehn Jahre ohne Euch" speziell mit dem Schicksal der Angehörigen. Den Podcast kann man in der ARD Audiothek abrufen.

Klage gegen den Bund Hinterbliebene des Germanwings-Absturzes fordern Schmerzensgeld

Acht Jahre nach dem Absturz einer Germanwings-Maschine fordern Hinterbliebene der Opfer jetzt Schmerzensgeld vom Bund.

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Autor/in
Christian Papadopoulos