Bereits vor sieben Jahren hatte der Autor Wolfgang Redwanz in seiner Biografie "Es muss den Menschen dienen" über Günter Leifheit die Mitgliedschaft des 2009 verstorbenen Unternehmers in der Waffen-SS publik gemacht. Nun äußert sich Redwanz erstmals exklusiv gegenüber dem SWR über seine damaligen Recherchen.
Auftraggeber der Biografie war G. und I. Leifheit Stiftung
Auftraggeber für die im Jahr 2017 erschienene Biografie von Redwanz war die G. und I. Leifheit Stiftung. Diese Stiftung hatte Günter Leifheit drei Jahre vor seinem Tod zusammen mit seiner dritten Ehefrau Ilse in Nassau gegründet. Bei dem Auftrag habe er vor einer großen Herausforderung gestanden, erzählt Redwanz, denn es hätten ihm keine Dokumente vorgelegen.
Darum habe er seine Recherchen auf sehr viele Interviews stützen müssen. Er habe allein in Nassau mit 60 bis 70 Personen gesprochen: "Es waren durchaus einige, die mir von seiner Mitgliedschaft bei der Waffen-SS erzählt haben. Das war dort also bekannt und das wollte ich in der Biografie nicht unterschlagen."
Sogar die Einheit, in der Leifheit diente, sei in Nassau bekannt gewesen. Redwanz schrieb deshalb in seinem Buch: "Er gehörte während des Krieges der Pionierkompanie des 1. SS-Panzer-Regiments an."
Redwanz wollte Nazi-Vergangenheit nicht unerwähnt lassen
Obwohl er eigentlich nur über den Unternehmer und Mäzen Günter Leifheit schreiben sollte, wollte Wolfgang Redwanz die Erfahrungen von Leifheit in der Nazizeit nicht unerwähnt lassen: "Irgendwann habe ich meinem Auftraggeber gesagt: ,Ich kann ihn ja nicht vom Mars landen lassen'. Die Jahre vor und die Jahre nach der Firmengründung wollte ich auch behandeln und dabei wollte ich die fünf Kriegsjahre nicht ausklammern."
Nach den Recherchen von Redwanz begann die nationalsozialistische Laufbahn von Günter Leifheit in der Hitlerjugend. Über diese Zeit soll er sehr geschwärmt haben, berichtet Redwanz. So habe eine dem Unternehmer nahestehenden Person ihm erzählt, die Zeltlager mit Lagerfeuer und Gesang und überhaupt die ganze Kameradschaft - das alles habe ihm sehr gefallen.
Günter Leifheit schwieg zu SS-Vergangenheit
Das habe Leifheit nur im privaten Kreis erzählt. Nach außen hin gab er zu Lebzeiten lediglich den erfolgreichen Kaufmann und Unternehmer. Zu seiner SS-Vergangenheit habe er sich nie öffentlich bekannt - darin stimmen die Erkenntnisse von Wolfgang Redwanz und die des Historikers Stefan Holler überein.
Holler kam in der am 26. August dieses Jahres veröffentlichten Studie über die nationalsozialistische Vergangenheit des Unternehmers zu dem Schluss, Leifheit habe in Nazi-Deutschland eine "mustergültige Karriere" absolviert.
Veteranentreffen in Nassau
Holler geht auch auf eine weitere brisante Information über Nassau ein. So berichtet er, dass Veteranentreffen der "Leibstandarte-SS Adolf Hitler" regelmäßig zwischen 1968 und 1978 in Nassau stattgefunden hätten.
Gegenüber dem SWR bestätigt auch Redwanz, von diesen brisanten Treffen erfahren zu haben: "Etwa fünf oder sechs Zeitzeugen erzählten mir, dass es mehrere Veteranentreffen der Waffen-SS in Nassau gegeben habe. Über die Rolle von Günter Leifheit erzählten sie, er habe sich zurückgehalten, sei also nicht aktiv in Erscheinung getreten."
Kriegserfahrungen machten Leifheit zu schaffen
In seinen späteren Jahren soll Leifheit sich verstärkt mit seinen Kriegserfahrungen beschäftigt haben, schreibt Redwanz in seiner Biografie und beruft sich dabei auf Gespräche mit seiner Witwe und dritten Ehefrau: "Ilse Leifheit erzählte mir, dass ihn seine Kriegserfahrungen sehr zu schaffen gemacht hätten."
Relativ spät in seinem Leben habe Leifheit zusammen mit seiner Frau eine Reise nach Ungarn und weiteren Orten gemacht, in denen er 1944 beim Rückzug von der Ostfront gewesen war. "Die Reise sei ihm ein Bedürfnis gewesen, denn er hätte stark unter dem Tod seiner Kameraden gelitten", erinnert sich Redwanz an das Gespräch.
Die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit von Nassaus wichtigsten Förderer, Mäzen und Ehrenbürger wird die Stadt noch lange beschäftigen. Über die Reaktion im Ort sagt Redwanz: "Die Mitgliedschaft von Günter Leifheit in der Waffen-SS war in Nassau ein offenes Geheimnis."
Aufarbeitung von Leifheits Vergangenheit
Offiziell nahm der Stadtbürgermeister von Nassau, Manuel Liguori, diese Woche Stellung: Jetzt müsse die SS-Vergangenheit von Leifheit umfassend aufgearbeitet werden. Er habe inzwischen erfahren, dass die Rolle Leifheits während der NS-Zeit schon einmal in den 90er-Jahren Thema im Stadtrat gewesen sei, so der Nassauer Bürgermeister im SWR-Interview. Offenbar aber ohne weitere Nachforschungen.
Günter Leifheit hatte sich nach dem Krieg in Nassau an der Lahn niedergelassen. Dort hat er mit seiner zweiten Ehefrau Ingeborg 1959 die Leifheit AG gegründet. Die ausgetüftelten Haushaltsgeräte - von Teppichkehrer bis Wäscheständer - entwickelten sich im Nachkriegsdeutschland zu Verkaufsschlager. Mit dem Erfolg wurde der Name Leifheit bundesweit bekannt.