Integrative Kitas auf der Kippe?

Sorgen um integrative Kitas in Kaiserslautern

Stand
Autor/in
Johannes Zinßmeister
Bild von Johannes Zinßmeister, Redakteur im SWR Studio Kaiserslautern

Eltern aus Kaiserslautern befürchten, dass bald alle Kinder egal ob mit oder ohne Behinderung in eine Regel-Kita müssen und ihnen dann unter anderem Therapiemöglichkeiten in ihrem Kita-Alltag fehlen.

Der vierjährige Mika aus Enkenbach-Alsenborn liebt seine Kita Wipowichtel in Kaiserslautern. Jeden Tag freut er sich auf seinen Besuch in der integrativen Eintrichtung, sagt seine Mutter Veronika Littek. Mika hat eine Seheinschränkung und leidet möglicherweise außerdem an einem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom - auch wenn das noch nicht diagnostiziert ist.

"Mika ist sehr rastlos, sehr unruhig, es fliegen öfter Gegenstände durch die Gegend, er haut gerne, er tritt gerne, er beißt, Grenzen werden oft nicht akzeptiert, sitzen bleiben ist oft nicht länger als zwei, drei Minuten möglich", sagt seine Mutter.

Ausfall von Integrationskräften ein Problem

Zunächst war Mika in einer "normalen" Kita. Eine Integrationskraft (kurz: I-Kraft) hat ihn dabei unterstützt und ihn bei seinem Kitaalltag begleitet. War die I-Kraft krank, hatten Mika und seine Familie ein Problem.

"Wenn mir die Integrationskraft morgens krankheitsbedingt abgesagt hat, wurde leider auch keine Betreuung von Seite der Kita angeboten", so Veronika Littek. "Er durfte dann gar nicht kommen, was schwierig ist, meinem Arbeitgeber gegenüber plausibel darzustellen". Außerdem habe es mehrfach einen Wechsel der I-Kraft gegeben. "Mika durfte zwar sechs Stunden mit einer I-Kraft in die Regel-Kita kommen, aber es kam schon immer wieder vor, dass ihn in dieser Zeit drei unterschiedliche I-Kräfte betreut haben", so Littek.

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Der Wechsel von der Regeleinrichtung in die integrative Einrichtung war für uns wie ein Sechser im Lotto.

Seitdem Mika in der integrativen Kita Wipowichtel ist, hat sich für Familie Littek vieles zum Positiven verändert. In der integrativen Kita werde auf Mikas Bedürfnisse besser eingegangen. "Mika geht sehr gerne hier in die Kita. Er kriegt hier vor Ort die Therapien, die er braucht - also Ergotherapie und Logotherapie. Ich muss dann mittags nicht nochmal losrennen. Für uns war der Wechsel hierher wie ein Sechser im Lotto."

Eltern sind froh über Angebot von integrativen Kitas in Kaiserslautern

Diesen Sechser im Lotto hat auch Elke Immig (Name auf Wunsch geändert). Auch ihr Kind war in einer Regel-Kita und hat dort regelmäßig starke Wutausbrüche gehabt. "Mein Kind konnte sich nicht mitteilen, es hatte keine Anlaufstelle. Das war dann auch der Grund, warum es zu diesen Wutausbrüchen kam", sagt Elke Immig.

Meine Tochter wird in der integrativen Kita endlich nicht mehr als Belastung angesehen.

Dann ist auch ihre Tochter in die integrative Kita Wipowichtel in Kaiserslautern gewechselt - und auch hier war es die Lösung des Problems. "Es war die absolut richtige Entscheidung", sagt Elke Immig. "Wir hätten das viel früher machen sollen. In der Kita Wipowichtel wird meine Tochter endlich nicht mehr als Belastung angesehen. In der Regelkita war es häufig so, dass die I-Kraft mit meinem Kind in einen anderen Raum gegangen ist, wenn es schwierig wurde und es separiert hat. Es hat also keine Integration stattgefunden. Im Gegenteil."

Integrative Kitas stehen in Rheinland-Pfalz auf der Kippe

Beide Mütter hoffen, dass ihre Kinder bis zum Beginn der Schulzeit in der integrativen Kita bleiben können. Sicher ist das aber nicht.

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Im aktuellen Kitagesetz des Landes Rheinland-Pfalz heißt es wörtlich: "Kindertagesbetreuung soll allen Kindern gleiche Entwicklungs- und Bildungschancen bieten, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer ethnischen Herkunft, Nationalität, weltanschaulichen und religiösen Zugehörigkeit, einer Behinderung, der sozialen und ökonomischen Situation ihrer Familie und ihren individuellen Fähigkeiten. Sie soll soziale sowie behinderungsbedingte Benachteiligungen ausgleichen. In der Regel findet Kindertagesbetreuung von Kindern mit und ohne Behinderungen gemeinsam statt."

Heißt konkret: Künftig könnte es sein, dass alle Kinder grundsätzlich auf eine Regel-Kita gehen sollen und im individuellen Fall geprüft werden kann, ob ein Kind "behinderungsbedingten Mehrbedarf hat". Liegt dieser vor, hätte das Kind dann möglicherweise Anrecht auf eine I-Kraft und entsprechende Therapien.

Lebenshilfe Westpfalz e.V. sieht Kitagesetz kritisch

Die Lebenshilfe Westpfalz e.V. begrüßt den Wunsch nach mehr Inklusion, sieht aber auch schwerwiegende Probleme auf Kinder und Eltern zukommen, sollte es integrative Kitas in ihrer jetzigen Form nicht mehr geben.

"Das Kitagesetz möchte ja auch, dass Inklusion möglich ist und wir wünschen uns das auch", sagt Tanja Leonie Schwarz, Bereichsleiterin der integrativen Kindertagesstätten der Lebenshilfe Westpfalz e.V. "Auch die Lebenshilfe sagt, es wäre das Beste, wenn jedes Kind mit Behinderung in Wohnortnähe in einer Regeleinrichtung betreut werden könnte. Aber wir sehen, dass die Rahmenbedingungen nicht gegeben sind. Man hat das zwar ins Kitagesetz geschrieben, aber die Voraussetzungen nicht geschaffen", so Schwarz.

"Die Konzepte wurden nicht verändert, die Gruppenräume und die Größe passen nicht, der Personal-Kind-Schlüssel passt nicht, die Mitarbeiter sind nicht fortgebildet, die haben die Fachlichkeit nicht, es gibt keine Heilpädagogen in den Einrichtungen, die Einrichtungen sind einfach überfordert", sagt Tanja Leonie Schwarz.

Städtetag verhandelt mit Wohlfahrtsverbänden über Mehrbedarfe

Derzeit verhandelt der Städtetag mit der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-Pfalz darüber, wie künftig die behinderungsbedingten Mehrbedarfe geregelt werden sollen. Nach Angaben der Lebenshilfe Westpfalz e.V. konnte bisher aber keine Einigung erzielt werden. Es brauche jetzt eine politische Lösung - Ausgang offen.

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