Ein Femizid ist die vorsätzliche Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist. Das Motiv ist also Frauenhass.

Gewalt in der Partnerschaft

Mehr Femizide in Rheinland-Pfalz? So ist die Lage

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Michelle Habermehl
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Denise Thomas
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Gewalt gegen Frauen nimmt zu und damit auch die Zahl von Femiziden. Auch in RLP gibt es aktuell vermehrt Fälle von getöteten Frauen - mutmaßlich durch Partner und Familienangehörige.

Ein Kind findet seine Mutter tot auf. Der Verdacht: Ihr Ehemann könnte sie getötet haben. Das Ganze hat sich am Wochenende im Kreis Kaiserslautern abgespielt. In Worms wurde am Montagabend die Leiche einer 15-Jährigen am Rhein gefunden, tatverdächtig sind ihre Eltern. Noch laufen die Ermittlungen. Möglicherweise handelt es sich um Femizide.

Ein Femizid ist die vorsätzliche Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist. Das Motiv ist also Frauenhass. Die meisten Taten werden von männlichen Partnern oder Ex-Partnern verübt. Täter können aber auch andere Familienanhörige sein. Ganz häufig spielen Macht und Hierarchieverhältnisse eine Rolle. Auch die Gewalt an Mädchen zählt dazu.

Anstieg von Femiziden in Deutschland

2023 wurden 155 Frauen bei einer solchen Tat in Deutschland getötet. Das heißt: Alle zwei bis drei Tage wird hier eine Frau Opfer eines Femizids. Das geht aus Statistiken hervor, die das Bundeskriminalamt im Juni veröffentlichte. Darin ist ein klarer Anstieg von Femiziden in Deutschland zu erkennen.

Auch weltweit nehmen Femizide zu: Einem Bericht der Vereinten Nationen (UN) zufolge wurden 2022 fast 89.000 Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts getötet. Demnach gab es 2022 die meisten Frauenmorde in den letzten 20 Jahren. Mehr als die Hälfte der Morde wurde von Familienangehörigen oder Partnern begangen. Das heißt: Im Schnitt wurden 2022 jeden Tag mehr als 133 Frauen oder Mädchen im eigenen Zuhause getötet.

Gewalt gegen Frauen in Rheinland-Pfalz

Die Zahl der Opfer Häuslicher Gewalt in Rheinland-Pfalz ist laut Kriminalstatistik in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozent gestiegen und lag im Jahr 2023 bei 13.810. Auch die Partnerschaftsgewalt hat zugenommen. Fast 80 Prozent der Opfer von Partnerschaftsgewalt 2023 waren Frauen. Insgesamt gab es 8.737 Fälle partnerschaftlicher Gewalt. Es ist jedoch von einer Dunkelziffer auszugehen, da viele Opfer die Vorfälle nicht melden. Unter Partnerschaftsgewalt fallen unter anderem Verbrechen wie Mord und Totschlag, sexuelle Übergriffe und Körperverletzung.

25 Menschen kamen im vergangenen Jahr in Rheinland-Pfalz durch Häusliche Gewalt zu Tode - es gab 23 Opfer von Mord und Totschlag sowie zwei Opfer von Körperverletzung mit Todesfolge.

Aktuelle Fälle in Rheinland-Pfalz

In den vergangenen Tagen gab es mehrere Meldungen von möglichen Femiziden in Rheinland-Pfalz. Am Sonntag rief ein Sechsjähriger in Reichenbach-Steegen im Kreis Kaiserslautern die Polizei, nachdem er seine tote Mutter gefunden hatte. Mittlerweile wurde Haftbefehl gegen ihren 52-jährigen Ehemann erlassen, weil er seine 34-jährige Frau getötet haben soll.

In Worms wurde am Montagabend die Leiche eines 15-jährigen Mädchens entdeckt. Die Polizei geht aktuell davon aus, dass sie von ihren Eltern getötet wurde.

Und in Zweibrücken fand die Polizei am Montagabend eine 24-jährige Frau und einen Mann in einer Wohnung im Stadtteil Bubenhausen tot auf. Die Ermittler gehen von einem Gewaltverbrechen aus. Die Hintergründe sind aber noch unklar.

Außerdem laufen in Rheinland-Pfalz derzeit mehrere Prozesse wegen der Tötung von Frauen. Am Dienstag startete vor dem Landgericht Koblenz beispielsweise der Prozess gegen einen 34-jährigen Mann, der im Dezember 2023 seine frühere Lebensgefährtin mit einem Hammer und einem Messer in der gemeinsamen Wohnung in Neuwied getötet haben soll. Und vor dem Landgericht Zweibrücken muss sich seit Mai ein Mann verantworten, der seine Ehefrau im Keller ihres Hauses in Zweibrücken getötet haben soll.

Wie können Femizide verhindert werden?

Vor dem Hintergrund steigender Zahlen von Fällen häuslicher Gewalt rufen Experten Männer dazu auf, sich beraten zu lassen. "Unser Ziel ist es, Männer frühzeitig zu erreichen und so Gewaltprävention zu betreiben", sagt Manfred Höges, Berater beim Sozialdienst Katholischer Männer (SKM), gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Vorbeugende Angebote seien wichtiger denn je. "Neben dem Schutz der Opfer ist es ebenso wichtig, die Ursachen dieser Gewalt zu bekämpfen", so Höges weiter.

In Ludwigshafen gibt es seit kurzem eine Selbsthilfegruppe für Betroffene von häuslicher Gewalt und deren Angehörigen. Gegründet wurde sie von einer Frau, deren Tante selbst Opfer eines Femizids wurde.

Auch der Bund will eingreifen und strengere Regeln für verurteilte Partner und Ex-Partner erlassen. Sie sollen künftig zu Anti-Gewalt-Trainings verpflichtet werden. Außerdem wird der Einsatz von elektronischen Fußfesseln laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) aktuell geprüft. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) will für Betroffene einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung gesetzlich verankern und den Bund dauerhaft finanziell in die Pflicht nehmen. Was wiederum entscheidend sein könnte, um dringend benötigte Frauenhausplätze zu schaffen. Laut Gewerkschaft der Polizei fehlen bundesweit 14.000 Plätze - ein großer Missstand, den Betroffene nicht erst seit gestern beklagen.

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