Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, stellten in Berlin das bundesweite Lagebild zur häuslichen Gewalt vor.
Neu: Auch Übergriffe auf Kinder und Verwandte erfasst
Demnach nehmen Gewalttaten innerhalb von Familien und Partnerschaften zu. Laut dem Bericht "Häusliche Gewalt" stieg die Zahl der registrierten Opfer in den vergangenen fünf Jahren um 13 Prozent. Neu am Lagebericht für 2022 ist, dass nicht mehr nur Gewalttaten in Partnerschaften erfasst werden, sondern auch innerfamiliäre Gewalt, also Übergriffe, die sich gegen Kinder oder andere Verwandte richten. In diesem Bereich seien 54 Prozent der Opfer weiblich und 46 Prozent männlich. In Familien werden vor allem Kinder zu Opfern, im Jahr 2022 waren 37 Prozent der Opfer Kinder oder Enkelkinder der Täterinnen und Täter.
80 Prozent der Opfer Frauen, 80 Prozent der Täter männlich
Im vergangenen Jahr wurden bei der Polizei insgesamt 9,4 Prozent mehr Fälle von Gewalt in Partnerschaften registriert als noch 2021. Die Zahl der Tatverdächtigen stieg auf 197.348. 80 Prozent der Opfer sind laut dem Bericht Frauen. Knapp 80 Prozent der Täterinnen und Täter sind männlich. In der Mehrzahl der Fälle (60 Prozent) geht es um Körperverletzung. Sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen haben unter den bei der Polizei registrierten Straftaten einen Anteil von 2,5 Prozent.
Mehr Fälle auch in Rheinland-Pfalz
Auch in Rheinland-Pfalz registrierten die Behörden mehr Fälle von häuslicher Gewalt. Die Kriminalstatistik verzeichnete fast 700 Fälle mehr als im Vorjahr.
Faeser und Paus gaben am Dienstag den Startschuss für eine Dunkelfeldstudie zur Partnerschaftsgewalt, für die rund 22.000 Menschen befragt werden sollen. Im vergangenen Jahr erreichten das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" täglich durchschnittlich 65 Anrufe von weiblichen Gewaltopfern. Die Hotline ist rund um die Uhr unter der Nummer 116 016 erreichbar.
Lagebericht erfasst nur angezeigte und bekannt gewordene Taten
Der Lagebericht, der auf den Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) beruht, erfasst nur das sogenannte Hellfeld, also die angezeigten oder polizeilich bekannt gewordenen Taten - nicht das Dunkelfeld. Zu den Delikten zählen körperliche Gewalt bis hin zu Mord, psychische Gewalt wie Stalking, zunehmend auch in digitaler Form, sowie alle Formen sexueller Gewalt bis hin zu Zwangsprostitution und Missbrauch.
Traditionelles Rollenverständnis mit starren Geschlechterbildern
Der Frauennotruf Rheinland-Pfalz hatte bereits nach einer teils umstrittenen Umfrage von Plan International Deutschland entschiedeneres Handeln gefordert.
Strategien gegen häusliche Gewalt Experte plädiert für Gespräche mit handgreiflichen Männern
Halten wirklich so viele Männer Gewalt gegen Frauen für akzeptabel? Jüngst hat eine entsprechende Studie eine größere Debatte ausgelöst.
Aus dieser Umfrage geht hervor, dass jeder dritte junge Mann zwischen 18 und 35 Jahren körperliche Gewalt im Streit mit der Partnerin grundsätzlich akzeptabel findet. "Die Ergebnisse der Umfrage haben unseren Blick auf die immer noch patriarchale Gesellschaft ebenso bestätigt, wie das hohe Ausmaß von sexualisierten Übergriffen und Gewalt von Männern gegen Frauen,“ so Anette Diehl vom Frauennotruf Mainz.
"Toxische Männlichkeit Hauptursache für geschlechtsbezogene Gewalt"
"Neben den patriarchalen Gesellschaftsstrukturen und erstarkendem Antifeminismus ist die toxische Männlichkeit die Hauptursache für den Sexismus und die geschlechtsbezogene Gewalt - in der Hauptsache Männergewalt an Frauen und Transpersonen - in Deutschland", fasst Diehl zusammen.
Kreislauf häuslicher Gewalt durchbrechen
Männer, die ihre Frauen schlagen, tun dies nach Erfahrung eines Experten oft als destruktive Bewältigungsstrategie. "Da spielen vielfach tradierte Männlichkeitsnormen eine Rolle, die noch in den Köpfen sind. Dazu zählt auch, dass Gefühle unterdrückt und nicht kommuniziert werden, weil sie als unmännlich oder unpassend wahrgenommen werden", sagt Männerberater Manfred Höges.
In der Beratung gehe es darum, Täter im Einzelgespräch mit ihrer Gewalt und deren Konsequenzen zu konfrontieren. "Nur sie sind verantwortlich für die Gewalttat. Wenn sie dies einsehen, kann ein Veränderungsprozess einsetzen", betont der Experte. Wichtig sei eine längerfristige Beratung. Aus Sicht von Höges braucht es deshalb mehr Unterstützungsangebote für Männer, die freiwillig eine Gewaltberatung in Anspruch nehmen. Für sie gebe es bislang noch wenige Begleitungsmöglichkeiten.