Volle Lager und Auftragsbücher

"Der Boom wird weitergehen, weil das Fahrrad gebraucht wird"

Stand
Autor/in
Susanne Weber
Bild von Susanne Weber, Redakteurin bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz
Christian Döring

Die Luft sei raus, hieß es jüngst in der Presse, der Fahrrad-Boom vorbei. Ist das wirklich so? Händler in Rheinland-Pfalz und die Branchenverbände sehen die Lage optimistischer.

"Der Boom ist nicht zu Ende, nach wie vor geht’s rund", sagt zum Beispiel Georg Weigenand, Inhaber des gleichnamigen Rad-Shops im pfälzischen Maikammer. Die Auftragslage sei perfekt, "volles Auftragsbuch, Werkstatt, Neuaufträge - alles bestens."

Auch das Problem unterbrochener Lieferketten - wie zu Corona-Zeiten - habe sich deutlich entspannt, sagt Weigenand. Seine Hersteller könnten wieder relativ gut liefern. "Es gab Zeiten, da war hier zweimal alles komplett leer", sagt er mit Blick auf seinen Verkaufsraum - und es sei nichts nachgekommen.

Fahrrad-Boom hält an, große Nachfrage nach E-Bikes
Der Laden ist wieder voll - so sah es während Corona in Georg Weigenands Geschäft nicht aus.

Die Händler könnten wieder aus den vollen Lagern schöpfen, "die Ware muss ja auch raus". Und ein Großteil der Kunden sei auch bereit, Geld zu investieren. Obwohl die Preise gestiegen seien, "sind die Leute trotzdem bereit, auch vernünftiges Material zu kaufen".

E-Bikes beim Fahrradkauf auf dem Vormarsch

Für den Händler aus Maikammer ist der Boom also eindeutig nicht vorbei. Der Trend zum E-Bike auch nicht - das Pedelec sei nicht mehr wegzudenken und ganz stark auf dem Vormarsch, egal ob für die Stadt oder fürs Gelände. Auch Job-Räder, also Leasing durch den Arbeitgeber, seien ein großes Thema geworden, weil es steuerlich begünstigt sei. "Da sind die Leute doch bereit zu sagen, ich geh ein paar Euro höher und hole mir nicht was günstiges, sondern Qualität."

"Das wird ein gutes Jahr"

Auch Alexander Mohr, Inhaber von Radsport-Schön in Gau-Algesheim, will von Krise und einem Ende des Fahrrad-Booms nichts wissen. "Das wird ein gutes Jahr", sagt er voller Überzeugung. Das Käuferverhalten sei jetzt, Ende Februar, Anfang März, noch etwas zurückhaltend, aber "es endet jetzt nicht", sagt Mohr. Es habe eine kurze Pause gegeben, was auch etwas am Wetter gelegen habe. Aber jetzt werde es wieder richtig losgehen.

Auch bei ihm werden überwiegend E-Bikes verlangt. Der Anteil liege inzwischen bei gut zwei Dritteln, vielleicht sogar höher. "Der Trend geht ganz klar zum E-Bike. Es werden noch normale Räder verkauft, aber die meisten Kunden fragen nach E-Bikes."

Lastenrad als Alternative zum Auto

Auch staatliche oder kommunale Förderung von E-Mobilität führe zu höherer Nachfrage. Die Stadt Ingelheim etwa fördert den Kauf von Lastenfahrrädern mit bis zu 600 Euro. Immer mehr Leute schauten, so Mohr, nach Alternativen zum Auto, da spiele das Lastenrad eine ganz große Rolle.

Verband sieht weiterhin stabile Nachfrage nach Rädern

Auch die Branchenverbände sehen keine drohende Rezession. Für den Verband des Deutschen Zweiradhandels (VDZ) berichtete der Vize-Vorsitzende Tobias Hempelmann, dass in den Fahrradläden keine Kaufzurückhaltung zu spüren sei. Ein Treiber des Geschäfts seien neue Vereinbarungen zum Dienstrad-Leasing etwa im Öffentlichen Dienst, die zu zusätzlicher Nachfrage führten.

Volle Lager - Chancen auf Schnäppchen beim Fahrradkauf?

Während der Corona-Pandemie war die Nachfrage nach Rädern groß, die Verkaufszahlen stiegen und dementsprechend gingen die Preise in die Höhe. Viele Händler deckten sich, wegen der unsicheren Lieferwege, mit Ware ein. Die Lager sind also voll, davon könnten die Kunden in diesem Frühjahr profitieren. Einige Hersteller haben ihre Preise gesenkt, der VDZ spricht sogar schon von "Rabattschlachten" bei Online-Fahrradhändlern. Diese werden sich laut dem Verband in den nächsten Wochen auch im Fach- und Einzelhandel fortsetzen.

Und die meisten Deutschen kaufen ihre Räder auch im Fachhandel - nach den Corona-Einschränkungen ohnehin. 2020 gingen 67 Prozent aller Neuräder über einen Ladentisch und nicht über Online-Kauf, im Jahr darauf waren es bereits wieder 73 Prozent.

Normalität nach Corona

Nach den extremen Sondereffekten aus den Corona-Jahren kehre jetzt eher wieder Normalität ein, so der Sprecher des Zweirad-Industrieverbandes (ZIV), Reiner Kolberg, Ende Februar. Im zweiten Halbjahr 2022 hätten sich die Kunden noch zurückgehalten - wegen der wirtschaftlichen Unsicherheiten durch Inflation und Energiekrise.

Aber, so Burkhard Stork, Geschäftsführer des ZIV, insgesamt werde es mit dem Fahrrad massiv nach oben gehen. "Wir sind die Verkehrswende", sagt der Verbandschef, daran gebe es keinen Zweifel.

Endgültige Absatzzahlen für 2022 gibt es im März

Im ersten Halbjahr 2022 wurden dem ZIV zufolge in Deutschland rund 1,38 Millionen Fahrräder montiert. Davon waren rund 800.000 E-Bikes. Hochgerechnet auf das ganze Jahr läge die Produktion so immer noch über der der Vorjahre - 2019, vor Corona, wurden in Deutschland 1,85 Millionen Räder produziert, 2020 waren es 2,15 Millionen und im Jahr 2021 rund 2,37 Millionen.

Genaue Absatzzahlen für das Gesamtjahr will der Verband erst im März vorlegen. Die Verkaufszahlen lägen aber, so eine Mitteilung aus dem Juli 2022, stabil auf hohem Niveau.

Rein statistisch gesehen hat jeder in Deutschland ein Fahrrad - der Bestand liegt bei rund 81 Millionen Rädern. Dabei hat sich der Absatz von E-Bikes seit 2018 nahezu verdoppelt - 2021 wurden deutschlandweit gut zwei Millionen Räder mit E-Antrieb verkauft.

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