Menschen, Wiederaufbau und Aufarbeitung

Nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz - ein Überblick

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Die Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 hat alles verändert. Nach der Flutkatastrophe haben wir zurückgeblickt auf das, was seitdem passiert ist, und wir beobachten, wie die Menschen in der Region in die Zukunft schauen.

Die Flut in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gilt als die größte Naturkatastrophe der jüngeren deutschen Geschichte: Die Wassermassen rissen Häuser, Brücken, Straßen und Fahrzeuge mit sich. 180 Menschen starben, allein 136 in Rheinland-Pfalz. Eine Person gilt hier immer noch als vermisst. Zehntausende verloren ihr Zuhause, ihr Hab und Gut, die Existenzgrundlage.

Nach der Flut: So ist die Lage

Inzwischen ist mehr als ein Jahr vergangen. Grund genug, um die Ereignisse zu untersuchen, aufzuarbeiten, neu anzufangen. Was davon ist gelungen? Was bleibt - und wie geht es weiter? Wir blicken ins Ahrtal und in den Raum Trier und geben einen Überblick über die Lage:

Das Ausmaß des Hochwassers: Ein Überblick

Rund 65.000 Menschen sind von den Folgen der Flutkatastrophe direkt betroffen, darunter etwa 42.000 allein im Ahrtal. Auf einer Länge von 40 Kilometern wurden Straßen, Brücken, Gas-, Strom- und Wasserleitungen und rund 9.000 Gebäude zerstört oder schwer beschädigt. Eine Übersichtskarte zeigt alle betroffenen Orte und gibt einen Überblick über die aktuelle Lage.

Rheinland-Pfalz

Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz Hochwasser 2021: Auf einer Karte die aktuelle Lage in allen Orten

Unvorstellbare Regenmengen haben am 14. und 15. Juli 2021 zur größten Naturkatastrophe in der Geschichte von Rheinland-Pfalz geführt. Auf unserer Karte zeigen wir die betroffenen Orte.

Vorher-Nachher: So sehen die Flut-Regionen heute aus

Seit Juli 2021 arbeiten die Menschen unermüdlich am Wiederaufbau. Müll wird entsorgt, Häuser abgerissen oder renoviert, Brücken saniert und Straßen repariert. Doch der Schrecken und die Zerstörungswut der Wassermassen ist bis heute an vielen Ecken erkennbar, zum Beispiel im Ahrtal:

Reportage-Reihe: Ein Dorf baut auf

Viele Menschen leben immer noch in Ausweichquartieren und wissen nicht genau, wie es weitergeht. Die Anträge für staatliche Hilfszahlungen sind kompliziert; das Geld fließt oft erst nach etlichen Monaten. Das wird auch immer wieder kritisiert. Der Wiederaufbau läuft oftmals schleppend. Gutachter und Handwerker: häufig ausgebucht. Baumaterial: oft nicht gleich zu bekommen.

Der Neuanfang nach der Flut ist schwierig: Seit August 2021 begleitet die Reportage-Reihe "Ein Dorf baut auf" Menschen aus Dernau im Kreis Ahrweiler auf diesem Weg.

Nach der schrecklichen Nacht mit all ihrer Zerstörung folgte auch für das Ehepaar Petermeier aus Ahrbrück der monatelange Wiederaufbau. Sie gehören zu den Betroffenen, die eine Elementarversicherung hatten: Schnell erhalten sie das Geld der Versicherung und können mit der Sanierung beginnen.

Auch in der Eifel kämpfen die Menschen noch mit den Folgen der Flutkatastrophe, etwa in Irrel. Dort leben die meisten Familien aber inzwischen wieder in ihren Häusern, sagt der dortige Bürgermeister, so auch Irmgard und Otmar Paulus. Ein langer Weg zurück.

Solidarität: Aus Helfern werden enge Freunde

Die Solidarität mit den Betroffenen der Flutkatastrophe ist groß. Tausende Helferinnen und Helfer kamen aus ganz Deutschland in die Hochwassergebiete und packten beim Retten, Bergen und Aufräumen mit an. Manche von ihnen kommen bis heute. Helfer und Flutgeschädigte sind enge Freunde geworden.

Neu anfangen und das Klima schützen

Entwicklungen wie der Klimawandel sollen beim Wiederaufbau im Ahrtal ganz besonders berücksichtigt werden. "Modellregion Ahrtal" - so hatte es Cornelia Weigand, Landrätin des Kreises Ahrweiler genannt. In der Reihe "Mensch & Natur - Neuanfang an der Ahr" werden entsprechende Konzepte und Ideen vorgestellt - und Mensch und Natur beim Wiederaufbau nach der Flut begleitet.

Suche nach Antworten: Die Bewältigung von Trauer und Trauma

Doch nicht nur der Wiederaufbau ist eine riesige Herausforderung für die Betroffenen, auch das Erlebte muss verarbeitet, Trauer bewältigt werden. Ralph und Inka Orth aus Bad Neuenahr-Ahrweiler müssen sich mit dem Tod ihrer 22-jährigen Tochter Johanna auseinandersetzen. Sie suchen in einem Podcast gemeinsam mit Host Marius Reichert nach Antworten: Warum musste Johanna sterben?

Bad Neuenahr-Ahrweiler

Storytelling-Podcast Die Flut – Warum musste Johanna sterben?

Juli 2021: Die 22-jährige Johanna Orth aus Bad Neuenahr-Ahrweiler ist auf dem besten Weg in eine erfüllte Zukunft. Gerade fertig mit der Ausbildung, frisch verliebt und mit der Aussicht auf eine eigene Konditorei. Dann reißt sie die Flutwelle aus dem Leben. Der Host Marius Reichert ist selbst in Bad Neuenahr-Ahrweiler zu Hause und berichtete als Reporter aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz über die Flut. Er kennt die Schicksale der Betroffenen - auch die Geschichte von Johanna. Zusammen mit ihren Eltern begibt sich Marius auf die Suche nach Antworten rund um die Ereignisse dieser verhängnisvollen Nacht: Wie kam Johanna ums Leben? Wie konnte es so weit kommen? Warum wurde Johanna nicht früher gewarnt? Wer trägt Verantwortung? Johanna soll den mehr als 180 Todesopfern der Flut ein Gesicht geben, so der Wunsch der Eltern, denn der Schrecken dieser Katastrophe darf nicht in Vergessenheit geraten. Mithilfe verschiedener Gesprächspartner - Betroffene, Angehörige, Politiker:innen, Einsatzkräfte, Expert:innen - geht Marius Reichert diesen Fragen auf den Grund. Die ersten sechs Folgen sind am 1. Juli 2022 erschienen. Ein Update zum zweiten Jahrestag erscheint am 7. Juli 2023: Wie geht es den Orths zwei Jahre nach der Katastrophe und wie steht es um die Aufarbeitung? 

Der Podcast ist eine Produktion von SWR und WDR. 

Hier noch eine Warnung: In diesem Podcast werden die Todesumstände von Johanna und der Umgang mit ihrem Tod explizit beschrieben. Wenn euch Themen wie Tod, Trauer oder Suizid belasten oder ihr selbst von den Ereignissen betroffen wart und traumatisiert seid, dann hört euch den Podcast besser nicht an oder nicht allein. Hilfe findet ihr z.B. bei der Telefonseelsorge oder beim Traumhilfe-Zentrum im Ahrtal: www.thz-ahrtal.de

Das Trauma sitzt tief bei den Menschen im Ahrtal. Viele suchen psychologische Unterstützung. Vor allem der Jahrestag ist ein schwieriger Termin für die Betroffenen, sagt Diplom-Psychologe Christian Falkenstein. Ein Jahr nach der Katastrophe sind die Wartelisten für Therapieplätze im Ahrtal lang.

So erinnern sich die Einsatzkräfte vor Ort

Unvergessen bleibt die Flut-Nacht auch für die Einsatzkräfte vor Ort, die sich oftmals selbst in Gefahr brachten, um Menschen aus überfluteten Häusern zu retten. Ein noch nie dagewesener Einsatz. "Hochwasser ist nix Unbekanntes", sagt etwa Thomas Knopp von der Freiwilligen Feuerwehr Trier. "Aber das da war ein anderes Hochwasser." Über den Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr berichtete sogar das Wall Street Journal.

Politische Aufarbeitung: Der U-Ausschuss

Nach der Flut gibt es noch viele offene Fragen, auch nach der Verantwortung für die verheerenden Auswirkungen: Wie konnte eine solche Katastrophe passieren? Und warum wurden die Menschen entlang der Ahr und in der Eifel nicht rechtzeitig gewarnt? Gegen den ehemaligen Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen womöglich zu später Warnungen und Evakuierungen.

Außerdem bemüht sich ein Untersuchungsausschuss um Aufklärung. In vielen Sitzungen wurden mehr als hundert Zeuginnen und Zeugen befragt und einiges zu Tage gefördert.

RLP

Aufarbeitung der Flutkatastrophe Was der Flut-Untersuchungsausschuss in RLP bisher gebracht hat

Lücken im Warnsystem und Unklarheiten im Katastrophenschutzgesetz in RLP - der Untersuchungsausschuss des Landtags zur Flutkatastrophe hat schon einiges zu Tage gefördert. Die Arbeit des Gremiums führte außerdem zum Rücktritt einer Ministerin. Eine erste Bilanz:

Es gibt Daten und Fakten dazu, wie der Abend und die Nacht vom 14. auf den 15. Juli verliefen, wann welche Warnungen ausgesprochen wurden. Im Minutenprotokoll werden die Ereignisse chronologisch sortiert aufgezeigt.

Rheinland-Pfalz

Rekonstruktion einer Katastrophe Was ist in der Flutnacht passiert? - Ein Protokoll

Etwa zwei Jahre nach der Jahrhundertflut im Ahrtal dauert der Wiederaufbau noch immer an. Wie konnte es zu einer solchen Katastrophe kommen? Noch immer gibt es offene Fragen.

Katastrophenschutz: Was sich ändern muss

Welche Lehren können aus der Flut im Juli 2021 gezogen werden? Was muss sich verändern, wie können Behörden und Einsatzkräfte auf solche heftigen Unwetterereignisse besser vorbereitet sein? Auch auf diese Fragen werden Antworten gesucht - zum Beispiel von der Stadt Trier oder im Eifelkreis Bitburg-Prüm:

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte nach der Flut einen Neustart in Sachen Katastrophen- und Bevölkerungsschutz.

Notfallsanitäter Tobias Michels war am 14. Juli 2021 mit der Luftrettung im Ahrtal unterwegs - und an der Rettung von Campern bei Dorsel beteiligt, mit einfachen Feuerwehrleinen und Muskelkraft. Heute fordert er, dass der Katastropenschutz im Land künftig besser aufgestellt sein müsse.

Eines steht fest: Nach der verheerenden Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz sind noch viele Fragen ungeklärt, der Neuanfang noch lange nicht abgeschlossen, die Ereignisse nicht verarbeitet. Die Spurensuche geht weiter.

Aktuelle Berichte, Videos und Reportagen Dossier: Leben nach der Flutkatastrophe

Die Flutkatastrophe an der Ahr und in der Region Trier liegt mehr als drei Jahre zurück. Manches ist repariert oder wiederaufgebaut, doch vieles noch lange nicht geheilt. Das ist der aktuelle Stand.

Rheinland-Pfalz

Aktuelle Berichte, Videos und Reportagen Dossier: U-Ausschuss zur Flutkatastrophe

Was ist in der Flutnacht im Juli 2021 genau passiert? Hätten die Menschen an der Ahr und in der Eifel besser gewarnt werden müssen? Ein Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags hat versucht, diese Fragen zu klären.

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SWR