Neue Debatte um Abschiebungen

Abschiebegefängnis Ingelheim: So werden Ausreisepflichtige untergebracht

Stand
Autor/in
Kai Diezemann
Leo Colic
Susanne Weber
Bild von Susanne Weber, Redakteurin bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz

Der Messerangriff in Solingen hat die Debatte um Abschiebungen neu befeuert. In RLP sind derzeit rund 2.000 Menschen ausreisepflichtig. In Abschiebehaft sitzt nur ein Bruchteil.

Stefan Mollner leitet das Abschiebegefängnis in Ingelheim - offizielle Bezeichung: "Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige". Normalerweise sind hier Kameras tabu.

Die Einrichtung hat Platz für 40 Personen. Derzeit leben hier 21 Männer und fünf Frauen. Grundsätzlich ist eine Einzelunterbringung vorgesehen. Die Zellen sind einfach, es gibt die Standardausstattung mit Bett, Tisch, Stuhl, einen Fernseher, einen Wasserkocher und eine private Toilette.

Gerichte entscheiden auf Antrag der jeweiligen Ausländerbehörde, wer hier rein muss. Das betrifft Menschen, die sich der Abschiebung entzogen haben oder vermutlich entziehen werden.

Im Schnitt verbringen die Abschiebehäftlinge rund 24 Tage in der Einrichtung, sagt Mollner. Mal seien viele Afrikaner dabei, dann viele Menschen aus Asien oder auch Osteuropa - das wechsle ständig. Die meisten dürfen sich tagsüber in den Gemeinschaftsräumen und Fluren frei bewegen. Aber nicht alle.

Personen können aus gesundheitlichen Gründen oder auch aus sozialen Aspekten, weil sie zu Schlägereien oder sonstigen Übergriffen neigen, in einem sogenannten geschlossenen Flur untergebracht werden.

Auch ein besonders problematischer Fall wurde vor wenigen Wochen von Ingelheim aus in seine Heimat abgeschoben. Es geht um den Marokkaner Tarik J. Jahrelang hielt er die Menschen im thüringischen Apolda mit schweren Straftaten in Atem, landete immer wieder im Gefängnis. Eigentlich hätte er seit 2017 ausreisen müssen. Eine Abschiebung war bis zuletzt nicht möglich. Er nutzte verschiedene Identitäten und Marokko weigerte sich lange, ihn zurückzunehmen.

Am Ende gelang es den deutschen Behörden dann doch. Stefan Mollner erinnert sich gut an den Abschiebehäftling: "Sein Ruf eilte ihm voraus, er war ein nicht leichter Mensch, der auch seine Probleme mit anderen Personen hatte." Mehr will Mollner dazu nicht sagen, nur dass der Vollzugsdienst bei Bedarf für Ruhe sorgte.

Rund 380 Abschiebungen aus RLP 2024 gescheitert

Insgesamt wurden aus Rheinland-Pfalz in diesem Jahr rund 670 Personen abgeschoben. Aber bei rund 380 war die Abschiebung nicht erfolgreich. Warum ist es so schwierig, selbst straffällige Ausreisepflichtige abzuschieben? Im Integrationsministerium heißt es, wie bei jeder Abschiebung müssten erst die Voraussetzungen erfüllt sein.

Viele Stellen müssten dabei zusammenarbeiten, sagt Daniel Asche, Abteilungsleiter im rheinland-pfälzischen Integrationsministerium. Polizei, Innenministerium, Verfassungsschutz. Es gehe um Fragen wie: Betrifft es die öffentliche Sicherheit? Welche Straftaten hat sich ein Ausländer zu Schulden kommen lassen? Dann werde Kontakt mit der jeweiligen kommunalen Ausländerbehörde aufgenommen.

Nach Solingen: Abschiebeflug Richtung Kabul

Wie schnell und medienwirksam Abschiebungen stattfinden können, zeigt der Flug nach Kabul Ende August. Nach dem Messeranschlag mit drei Toten in Solingen wurden 28 Straftäter nach Afghanistan abgeschoben, einige direkt aus deutschen Gefängnissen heraus. Bisher waren Abschiebungen in dieses Land nicht möglich. Auch Rheinland-Pfalz hat sich an dem Flug beteiligt. In welcher Form sagt das Integrationsministerium nicht, um die Planung weiterer Flüge nicht zu gefährden. Das funktioniert aber nur, wenn etwa Afghanistan seine Bürger wieder ins Land lässt.

Insofern hat der Herkunftsstaat natürlich die Möglichkeit, an der Stelle das System komplett zum Erliegen zu bringen.

Man sei auf Vereinbarungen mit Herkunftsstaaten angewiesen, so wie es der Bund jetzt in Form von Migrationsabkommen tue. "Das ist ein Geben und Nehmen", sagt Asche. "Da werden die legalen Wege für Migration eröffnet und dafür wird gesagt, wir haben vereinfachte Verfahren zur Rücknahme unserer Staatsbürger."

Das rheinland-pfälzische Abschiebegefängnis mit dem korrekten Namen "Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige" befindet sich in Ingelheim.
Das rheinland-pfälzische Abschiebegefängnis mit dem korrekten Namen "Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige" befindet sich in Ingelheim.

Kommunen sehen den Bund bei Abschiebungen in der Pflicht

Verantwortlich für die Asylbewerber, und damit auch für die Abschiebungen, sind die Kommunen im Land. Diese sind allerdings oft überlastet. Bei der Rückführung von ausländischen Staatsangehörigen gebe es viele Probleme, heißt es. Die Abläufe seien mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden und sehr komplex. Oft scheiterten Rückführungen daran, dass die Identität der Personen nicht klar sei, sie untertauchten oder ihre Heimatländer keine Papiere ausstellen.

Einige Kommunen schlagen eine grundsätzlich andere Vorgehensweise vor. Sie wünschen sich, dass sich eine zentrale Ausländerbehörde auf Landesebene um die Abschiebungen kümmert. Es würde grundsätzlich helfen, "wenn Abschiebungen in Rheinland-Pfalz, wie in anderen Bundesländern auch, von zentralisierten Stellen wie Regierungspräsidien durchgeführt würden", sagt beispielsweise der Landrat des Kreises Südliche Weinstraße, Dietmar Seefeldt (CDU). In Baden-Württemberg oder Hessen gibt es diese Möglichkeit bereits.

Allein im Landkreis Bad-Kreuznach leben rund 200 ausreisepflichtige Ausländer. Nur rund 20 werden pro Jahr abgeschoben. Landrätin Bettina Dickes glaubt nicht, dass sich daran schnell etwas ändern wird. Aber sie erwartet mehr von der Bundesregierung.

Menschen, die hier Asylrecht haben dürfen, bleiben. Menschen, die es nicht haben, müssen abgeschoben werden.

Rheinland-Pfalz

2024 gelingen bislang mehr als 40 Prozent der Abschiebungen nicht FAQ: Darum scheitern so viele Abschiebungen in RLP

Nach dem Attentat von Solingen ist eine Debatte über Abschiebungen entbrannt. In Rheinland-Pfalz sind im ersten Halbjahr 2024 rund 40 Prozent der Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern gescheitert. Das hat das Integrationsministerium mitgeteilt. Was sind die Gründe?

SWR Aktuell Rheinland-Pfalz SWR RP

Neuwied

Viele Hürden: Rückführungen scheitern oft Abschiebungen: Kreise und Städte in RLP fordern mehr Unterstützung

Den Kreisen und Städten in RLP gelingt es oft nicht, abgelehnte Asylbewerber abzuschieben. Die Gründe dafür sind vielschichtig und die Liste mit ihren Forderungen ist lang.

Aktuell um 12 SWR1 Rheinland-Pfalz

Rheinland-Pfalz

Heftige Kritik an der Ampelregierung Landtag in RLP streitet über Asyl- und Migrationspolitik - CDU-Antrag abgelehnt

Der rheinland-pfälzische Landtag hat am Donnerstag erneut kontrovers über Asylpolitik und Migration diskutiert. Dabei gab es Kritik an der Ampelregierung, die AfD-Opposition warf aber auch der CDU vor, lediglich ihre Vorstellungen übernommen zu haben.

SWR Aktuell Rheinland-Pfalz SWR RP

Bundeskabinett beschließt schärfere Abschieberegeln Abschiebeverfahren in Rheinland-Pfalz gehen vergleichsweise schnell

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch Regelungen für schnellere Abschiebungen beschlossen. Die Verfahrensdauer ist in den Bundesländern sehr unterschiedlich. RLP ist vergleichsweise schnell.

Der Nachmittag SWR1 Rheinland-Pfalz

RLP

Erster Abschiebeflug seit Machtübernahme durch Taliban Mann aus RLP unter den nach Afghanistan abgeschobenen Straftätern

Deutschland hat erstmals seit der Machtübernahme der radikal-islamischen Taliban 28 verurteilte Straftäter nach Afghanistan abgeschoben, darunter auch einen Täter aus Rheinland-Pfalz.

SWR Aktuell Rheinland-Pfalz SWR RP

Billigheim-Ingenheim

Nach jahrelangem Hin und Her Südpfalz: Intensivstraftäter aus Somalia jetzt doch abgeschoben

Jahrelang konnte ein Intensivstraftäter aus Billigheim-Ingenheim (Kreis Südliche Weinstraße) nicht abgeschoben werden. Es fehlten Dokumente aus seinem Heimatland Somalia. Jetzt musste er Deutschland verlassen.

SWR4 am Nachmittag SWR4