Wer bei den Ausländerbehörden in Rheinland-Pfalz nachfragt, bekommt vor Ort fast immer die gleichen Antworten. Bei der Rückführung von ausländischen Staatsangehörigen gebe es viele Probleme. Die Abläufe seien mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden und sehr komplex. Die Folge: Viele Abschiebungen scheitern. Die Landrätinnen und Landräte fordern deshalb mehr Unterstützung und schlagen konkrete Veränderungen im Umgang mit Asylbewerbern vor.
Mehrere CDU-Landräte schließen sich der Forderung des Deutschen Landkreistages an, den Abschiebestopp nach Syrien und Afghanistan aufzuheben - zumindest für Straftäter. Entscheidend ist aus Sicht des Neuwieder Landrates, Achim Hallerbach (CDU), dass die Landesregierung die notwendigen Verschärfungen mitträgt. Allein in seinem Landkreis gebe es 80 ausreisepflichtige Syrer und Afghanen, die geduldet seien, weil die Abschiebung in die Länder nicht möglich sei, sagt Hallerbach. Andere Länder, wie zum Beispiel Schweden, würden afghanische Staatsangehörige schon länger erfolgreich in ihr Heimatland abschieben.
Grenzkontrollen und Zurückweisung an der Grenze
Außerdem wünschen sich neben dem Kreis Neuwied auch Birkenfeld und Bad Dürkheim, die Kontrollen an den Grenzen zu verstärken. Nach dem Grundprinzip des europäischen Dublin-Systems ist der Staat für die Prüfung des Asylgesuchs zuständig, in den die Menschen zuerst einreisen.
Dieses System sei zusammengebrochen und gescheitert, betont Hallerbach. Um wieder zum Dublin-Grundprinzip zurückzukehren, sei es erforderlich, Menschen an der illegalen Einreise nach Deutschland zu hindern und sie entsprechend an der Grenze zurückzuweisen.
2024 gelingen bislang mehr als 40 Prozent der Abschiebungen nicht FAQ: Darum scheitern so viele Abschiebungen in RLP
Nach dem Attentat von Solingen ist eine Debatte über Abschiebungen entbrannt. In Rheinland-Pfalz sind im ersten Halbjahr 2024 rund 40 Prozent der Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern gescheitert. Das hat das Integrationsministerium mitgeteilt. Was sind die Gründe?
Dublin-Abkommen: Rückführungen kompliziert
Auch für die Kreisverwaltung in Kaiserslautern ist das sogenannte Dublin-Abkommen ein Problem. Denn für die Rückführung in EU-Länder ist eine Frist von sechs Monaten festgelegt. Diese Frist könne häufig nicht eingehalten werden: "Hier bräuchten wir dringend Unterstützung und eine gesetzliche Rahmengebung, um die Rückführung schneller oder auch mit längeren Fristen durchführen zu können", teilte eine Sprecherin mit.
Das fordert auch die Landrätin des Kreises Bad Kreuznach, Bettina Dickes (CDU). Sie sagt, viele Geflüchtete würden die Sechs-Monats-Frist kennen und dann vorher untertauchen. Dieses Muster wiederhole sich ständig.
Diskussion nach dem Attentat von Solingen Viele Abschiebungen in RLP scheitern - Land will Kommunen mehr unterstützen
In Rheinland-Pfalz sind in diesem Jahr bisher rund 40 Prozent der Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern gescheitert. Integrationsministerin Binz kündigte an, das Land wolle den Kommunen bei Abschiebungen stärker helfen.
EU-Staaten nehmen Asylsuchende oft nicht zurück
In manche EU-Staaten - wie Italien oder Kroatien - sind zurzeit überhaupt keine Dublin-Abschiebungen möglich. Weil sich die Länder weigern, Asylsuchende zum Beispiel aus Deutschland zurückzunehmen. Auch in andere EU-Staaten sei eine Rückführung oft kompliziert, sagt Landrätin Dickes. Es gebe teilweise hohe Hürden - wie enge Zeitvorgaben oder zu wenig Flüge. Rückführungen nach dem Dublin-Verfahren seien so fast ausgeschlossen. Das System müsse deshalb grundsätzlich überarbeitet werden.
Des Weiteren kommt von den Kreisen und Städten die Forderung, dass die Menschen, die nach dem Dublin-Verfahren in einen anderen EU-Mitgliedsstaat zurückkehren sollen, gar nicht erst in die Kommunen verteilt werden. Stattdessen sei eine unmittelbare Rücküberstellung aus der Aufnahmeeinrichtung sinnvoll, heißt es etwa aus dem Kreis Altenkirchen.
Wunsch: Zentrale Ausländerbehörde auf Landesebene
Einige Kommunen schlagen eine grundsätzlich andere Vorgehensweise vor. Sie wünschen sich, dass sich eine zentrale Ausländerbehörde auf Landesebene um die Abschiebungen kümmert. Pirmasens, Ludwigshafen und der Landkreis Südliche Weinstraße teilten auf SWR-Anfrage mit, dass ihre Ausländerbehörden sehr stark belastet sind.
"Helfen würde es grundsätzlich, wenn Abschiebungen in Rheinland-Pfalz, wie in anderen Bundesländern auch (zum Beispiel Baden-Württemberg oder Hessen), von zentralisierten Stellen wie Regierungspräsidien durchgeführt würden", sagt beispielsweise der Landrat des Kreises Südliche Weinstraße, Dietmar Seefeldt (CDU).
Kein Ausweis oder Pass: Kreise fordern mehr Möglichkeiten
Besonders oft haben die Ausländerbehörden in Rheinland-Pfalz nach eigenen Aussagen Probleme bei Abschiebungen, weil die Menschen keinen Ausweis oder Pass mit sich führen. Die Identität könne in vielen Fällen gar nicht oder nur mit großem Aufwand festgestellt werden, antworteten die meisten Kreise auf eine Anfrage des SWR. Rainer Guth (parteilos), der Landrat des Donnersbergkreises, fordert deshalb, dass Deutschland in Zukunft nur noch Geflüchtete aufnimmt, die einen sogenannten Identitätsnachweis erbringen können.
Vom Westerwaldkreis heißt es, sofern die Heimatstaaten nicht mitarbeiten, seien die Ausländerbehörden auf die Mitwirkung der betroffenen Personen angewiesen: "Diese sind jedoch regelmäßig nicht motiviert, ihre Identitäten preiszugeben." Daher sei es wünschenswert, positive wie negative Anreize zu schaffen, bei der Einreise oder im Asylverfahren den Reisepass vorzulegen.
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Beim Verwaltungsgericht Trier sind im vergangenen Jahr rund 3.100 neue Asylklagen eingegangen. Im Schnitt dauern die Verfahren knapp fünf Monate.
Forderung: Bund soll Abkommen mit Heimatländern schließen
Aus Sicht vieler Ausländerbehörden im Land muss aber vor allem an der Bereitschaft der Heimatländer gearbeitet werden, die Identität eines Asylsuchenden zu klären. Die Staaten müssten dabei helfen, Personen zu identifizieren, Dokumente auszustellen und die Rückübernahme zuzusichern. Das sei bis jetzt häufig nicht der Fall.
Die Unterstützung sei verbesserungswürdig, bei der Pass-Beschaffung gebe es mit nahezu allen Herkunftsländern Schwierigkeiten, teilten etwa die Sprecher der Kreise Bitburg-Prüm und Mayen-Koblenz mit. Hier sei der Bund im Rahmen der diplomatischen Beziehungen gefragt. Auch von der Stadt Frankenthal heißt es, der Bund müsse mit den Zielländern dringend entsprechende Abkommen verhandeln.