Grünen-Urgestein Künast über Politikbetrieb

Künast: "Man muss in der Politik Hornhaut auf der Seele haben"

Stand
Autor/in
Eva Huber

Grünen-Politikerin Renate Künast zieht eine Bilanz ihres politischen Lebens. Im ARD Interview der Woche spricht sie über Erfolge und Niederlagen, Desinformationskampagnen und das Klima in der Ampel.

Die Grünen-Politikerin Renate Künast sieht das Klima in Politik und Gesellschaft härter und verletzender geworden. Viele hätten "es zur Mode gemacht, Demokratie zu zerstören, indem sie Menschen massiv angreifen". Als Politikerin müsse man widerstandsfähig sein. "Man muss heutzutage in der Politik wirklich Hornhaut auf der Seele haben", sagt Künast im ARD Interview der Woche.

Hartes Klima in der Politik

Die Entwicklung sieht Künast mit Sorge, da teils auch radikale Kräfte, vor allem der organisierte Rechtsextremismus, versuchten demokratische Strukturen zu zerstören, indem man schlecht über Politiker und engagierte Menschen spreche. Künast selbst wurde im Netz schon oft angegangen und beleidigt. Sie ging bis vors Bundesverfassungsgericht. Das verpflichtete Facebook 2022 dazu, Daten von Onlinehetzern an Künast zu geben.

Künast tritt 2025 nicht mehr für den Bundestag an

Vor kurzem hat die Grünen-Politikerin angekündigt, 2025 nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren. Im Interview begründet sie den Schritt mit ihrem Alter. Sie ist 68 Jahre alt. "Wenn man hier diese regelmäßigen 80 Stunden-Wochen hat, selbst im Urlaub aufs Handy gucken muss, ob es was dringendes gibt", dann komme doch irgendwann die Überlegung, auch mal mehr Freizeit haben zu möchten. Nach zwei Sitzungswochen von oft 8 Uhr morgens bis abends um 22 Uhr sei sie platt.

Als großer politische Erfolg bleibt Künast die Wendezeit in Erinnerung. Sie war damals im Abgeordnetenhaus des Landes Berlin. In kleinen Gruppen in Ost und West habe man daran gearbeitet, die beiden Teile in Berlin zusammenzubringen, sagt Künast. Als Bundeslandwirtschaftsministerin hat sie Anfang der 2000er unter anderem ein neues Biosiegel eingeführt und ein Bundesprogramm für den Ökolandbau aufgelegt.

Gefragt nach ihrer größten Niederlage antwortet Künast: "Die kommt noch." Den Kampf um das Amt des Regierenden Bürgermeisters in Berlin 2013 gegen Klaus Wowereit von der SPD verloren zu haben, will Künast nicht als Niederlage werten. Das sei eben Demokratie.

Korrespondentin Eva Huber und Renate Künast stehen in der Halle im ARD-Hauptstadtstudio nebeneinander und schauen in die Kamera
Korrespondentin Eva Huber und Grünen-Politikerin Renate Künast im ARD-Hauptstadtstudio

Künast kritisiert Klima-Blockaden an Flughäfen

Dass Klimaaktivisten diese Woche mehrere Flughäfen blockiert und dort den Flugverkehr zeitweise lahmgelegt haben, kritisiert Künast. "Wenn irgendjemand mich fragen würde, hab mal ne Idee für eine Aktion, die garantiert nach hinten losgeht, würde ich sagen, besetze in der Ferienzeit ein Flughafenrollfeld". Härtere Strafen hält Künast nicht für nötig. Es gebe bereits strafrechtliche Vorschriften. Die Klimaaktivisten würden bestraft werden.

Künast zum Zustand der Ampel: "ein Hardcore-Geschäft"

Derzeit ist Künast Sprecherin der Grünen im Bundestag für Landwirtschaft und Ernährung. Dort hat sie auch das Maßnahmenpaket für die Landwirtschaft verhandelt, das die Ampel nach den Bauernprotesten versprochen hatte. Die Verhandlungen beschreibt sie als "extrem mühevolles Geschäft". Über den Zustand der Ampelkoalition insgesamt sagt Künast: "Das ist schon ein Hardcore-Geschäft." Aber es nütze ja nichts. SPD, Grüne und FDP hätten nun mal diesen Job. "Es ist nicht an uns zu sagen, wir verlieren jetzt die Nerven und werfen hin.“

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Eva Huber