Sechs Monate Nahost-Krieg

Israels Botschafter Prosor: Palästinensischer Staat müsste demokratisch sein

Stand
Autor/in
Gábor Paál

Israels Botschafter Ron Prosor kann sich langfristig einen palästinensischen Staat neben Israel vorstellen. Dafür sei eine systematische Demokratisierung der palästinensischen Gebiete notwendig – ähnlich wie im Nachkriegs-Deutschland.

Israels Botschafter Ron Prosor kann sich durchaus einen palästinensischen Staat neben Israel vorstellen – aber nicht mit der Hamas und nur, wenn er demokratisch ist. Sorge bereite ihm der "linke Antisemitismus" im Kulturbetrieb. Israelische Künstler seien auf Festivals wie der Berlinale nur willkommen, wenn sie Israel dämonisierten. Das Interview der Woche mit Ron Prosor hat SWR-Redakteur Gábor Paál geführt.

Kurzfristiger Rückzug aus Westjordanland würde Hamas stärken

Vor 20 Jahren war Ron Prosor im israelischen Außenministerium für den Abzug der israelischen Armee aus Gaza und die Aufgabe der jüdischen Siedlungen in Gaza verantwortlich. "Damals hieß es: Der Siedlungsbau sei die größte Hürde auf dem Weg zum Frieden. Also haben wir versucht, darauf eine Antwort zu geben." Israel habe 2005 alle Siedlungen in Gaza geräumt. Doch statt in Gaza "etwas Vernünftiges aufzubauen, haben sie einen Terrorstaat aufgebaut", so Prosor. Auch die Situation im Westjordanland beunruhigt ihn. Dort befürworten Umfragen zufolge 82 Prozent der Menschen die Angriffe der Hamas. "Wenn unsere Armee morgen aus dem Westjordanland rausgeht, wird Hamas dort die Sache in ein paar Wochen für sich regeln." Dann müsse Israel von dort mit Angriffen wie aus Gaza rechnen. Israel hat erst kürzlich 3500 neue Siedlerwohnungen im Westjordanland genehmigt.

"Palästinensischer Staat muss demokratisch sein"

Für das langfristige Ziel eines palästinensischen Staates müsse die arabische Welt eingebunden werden, meint Prosor. Konkret nannte er die Vereinigten Emirate, Saudi-Arabien, Jordanien und Ägypten. Um zu einer friedlichen Lösung zu kommen, sollten diese ein neues "Quartett" bilden – anstelle des bisherigen Nahost-Quartetts, das aus den Vereinten Nationen, den USA, Russland und der EU besteht.

Vergleich mit Nachkriegsdeutschland

Prosor verglich die Situation mit der im Nachkriegsdeutschland: "Nach 1945 haben die Alliierten die Sicherheit in Deutschland gebracht. Durch den Marshallplan gab es eine wirtschaftliche Lösung." Man habe auf demokratische Bildung und Entnazifizierung gesetzt. "Das alles hat Jahre gedauert, aber das fand hier in Deutschland statt, nachdem die Nationalsozialisten nicht mehr da waren." Ähnlich könne man erst daran denken, etwas Neues aufzubauen, wenn die Hamas beseitigt sei.

Team: Ron Prosor
Israelischer Botschafter Ron Prosor und Gábor Paál nach dem Interview

Israels Premier Netanjahu lehnt einen souveränen, unabhängigen palästinensischen Staat hingegen ab – das hat er auch zuletzt wieder deutlich gemacht: Israel müsse die Sicherheitskontrolle über das gesamte Gebiet westliche des Jordanflusses behalten. Und das sei "unvereinbar mit einem palästinensischen Staat", schrieb Netanjahu als Reaktion auf zuletzt geäußerte Forderungen, es müsse eine Zwei-Staaten-Lösung geben. Israel kontrolliert große Teile des Westjordanlandes seit 1967 militärisch. Außerdem ist der Bau israelischer Siedlungen in dem Gebiet über die Jahre immer weiter vorangetrieben worden: Mittlerweile leben fünf Prozent der israelischen Bevölkerung in 146 Siedlungen im Westjordanland. Die derzeitige rechts-nationalreligiöse Regierung, baut die Siedlungen immer weiter aus, zuletzt wurden 3500 Wohneinheiten genehmigt.

"Hamas ist schuld an schlechter Versorgungslage in Gaza"

Auch für die humanitäre Krise im Gazastreifen ist nach Ansicht von Prosor die Hamas verantwortlich. "Seit Beginn des Krieges haben wir 200.000 Tonnen Lebensmittel in den Gazastreifen gebracht, 25 Tonnen Wasser und 18.270 Tonnen medizinische Güter." Die Hamas verhindere, dass die Lebensmittel die Bevölkerung erreichen. Damit widerspricht Prosor der Kritik internationaler Hilfsorganisationen. Sie beklagen, Israel weise Hilfslieferungen nach Gaza ab beziehungsweise beschränke sie unnötig. Dies kritisieren auch die USA, die deshalb vor wenigen Tagen damit begonnen haben, Hilfslieferungen aus der Luft abzuwerfen.

"Israelische Künstler nur willkommen, wenn sie Israel dämonisieren"

In Bezug auf die deutsche Antisemitismus-Debatte kritisierte Prosor insbesondere die Kulturinstitutionen. Die Gefahr "linke Antisemitismus" sei lange unterschätzt worden. Die Berlinale sei ein Beispiel: "Israelische Künstler werden dort nur eingeladen, wenn sie Israel dämonisieren oder delegitimieren." Sein Ziel in seiner Zeit als Botschafter sei es, den deutsch-israelischen Jugendaustausch zu vertiefen, "auch mit Jugendlichen muslimischen Glaubens". Diese hätten oft falsche Vorstellungen von Israel.

"Wer das Massaker vom 7. Oktober leugnet, ist kein Ansprechpartner"

Was Kritik an Israel betrifft, nennt Prosor eine Grenze: "Diejenigen, die das Massaker vom 7. Oktober leugnen oder nicht in der Lage sind, es zu verurteilen, mit denen führe ich keinen Dialog. Mit denen kann man keinen Frieden erzielen. Es gibt auch muslimische Verbände, die das nicht getan haben – die sind keine Ansprechpartner."

Stand
Autor/in
Gábor Paál