Die Hitzewelle setzt den Älteren besonders zu. Sie fühlten sich bedroht und verängstigt, sagt Elke Schilling, Gründerin von "Silbernetz", im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Stefan Eich.
Die Hitze hat Deutschland fest im Griff. Am Sonntag (9. Juli) wurde im Kreis Karlsruhe mit 38 Grad die bislang höchste Temperatur dieses Sommers gemessen. Die Hitze ist eine Belastung für alle Menschen. Doch gerade die Älteren leiden besonders. Die Gefahr eines Hitzetodes ist für diese Bevölkerungsgruppe besonders groß. SWR Aktuell-Moderator Stefan Eich hat darüber mit Elke Schilling gesprochen. Sie hat "Silbernetz" gegründet, ein Gesprächsangebot per Telefon für ältere Menschen.
SWR Aktuell: Wenn Menschen im Sommer bei Ihnen anrufen, ist Hitze sehr oft das Thema. Was erzählen Ihnen die Anruferinnen und Anrufer?
Elke Schilling: Sie erzählen uns, dass sie in ihren Wohnungen eingeschlossen sind, dass sie alles verdunkelt haben und dass sie diese Dunkelheit deprimiert. Außerdem fühlen sie sich bedroht und verängstigt, weil sie allein sind und niemand kommt, um ihnen zu helfen. Sie leben alleine oder zu zweit in ihren Wohnungen und müssen sehen, wie sie mit der Hitze klarkommen. Das ist ein riesiges Problem.
SWR Aktuell: Das heißt: diese älteren Menschen trauen sich wegen der Hitze nicht aus dem Haus?
Schilling: Na ja - es wird in den Medien richtigerweise davon abgeraten, sich tagsüber nach draußen zu begeben. Und in den Städten ist es auch abends immer noch sehr heiß. Deshalb ist es schwierig, dann rauszugehen. Viele der Über-80-Jährigen sind in ihrer Mobilität eingeschränkt. Da kommt der Pflegedienst ein- bis zweimal die Woche - wenn er kommt und versorgt sie dann. Das reicht aber nicht aus. Diese Menschen sind also nicht nur furchtbar allein und einsam, sondern sie sind auch hilflos in dieser Situation. Deshalb sagt die Statistik, dass im Jahr 2020 von den 4.500 Todesfällen durch Hitzewellen überproportional Menschen jenseits der 75 Jahre betroffen waren.
SWR Aktuell: Ein Hauptproblem vieler alter Menschen ist, dass sie zu wenig trinken. Die Auswirkungen verstärken sich dann bei einer Hitzewelle.
Schilling: Genau. Und dann ist niemand da, der sie daran erinnert, der sagt: Du hast hier eine Literflasche stehen - also trink! Trink, so oft wie du kannst. Das entlastet den Kreislauf, weil Hitze für Kreislauf, Herz und Lunge belastend ist. Deshalb wäre ein Hitzeaktionsplan nach dem Vorbild Frankreichs sinnvoll. Dort sind hitzegefährdete Menschen in einer Anrufliste verzeichnet. Aber an so etwas ist hier in Deutschland bislang nicht zu denken.
SWR Aktuell: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) arbeitet gerade an einem Hitzeschutzplan. Er will unter anderem Hitzeschutzwarnungen per SMS herausgeben. Kann das alten Menschen etwas bringen?
Schilling: Wenn diese Menschen ein Handy haben … (lacht) Gerade bei der Personengruppe, die älter als 85 Jahre ist, gibt es relativ viele - bis zu 70 Prozent, die keinen Internetanschluss haben und die mobil nicht erreichbar sind. Zu Beginn der Corona-Pandemie haben wir von unseren Anrufern erfahren, welche Not sie hatten, Informationen zu bekommen, die zum größten Teil nur über das Internet verfügbar waren. Da findet dann noch einmal ein bedrohlicher Ausschluss statt.
Mehr zum Thema Hitze in BW und RLP
38 Grad in Waghäusel-Kirrlach Heißeste Region Deutschlands lag am Sonntag in BW
Hohe UV-Strahlung, Hitzewarnung: Baden-Württemberg schwitzt bei heißen Temperaturen deutschlandweit besonders. Ab Mittwoch soll es dann kühler werden.