Äpfel sind das Lieblings-Obst der Deutschen, durchschnittlich essen sie über 20 Kilogramm im Jahr. Viele deutsche Obstbaubetriebe erwarten allerdings gerade eine weit unterdurchschnittliche Apfelernte. Das Statistische Bundesamt schätzt, dass die Apfelernte die schlechteste seit 2017 werden könnte. Grund dafür sind Spätfröste während der Blütezeit und das regenreiche Frühjahr. Warum die Apfelernte am Bodensee etwas besser ausfällt, erklärt Manfred Büchele, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Obstbau Bodensee in Ravensburg-Bavendorf, im SWR-Aktuell-Gespräch mit Arne Wiechern.
SWR Aktuell: Die Bodenseeregion ist die größte Apfel-Anbaufläche bundesweit. Wie wird sich die Ernte denn dort entwickeln?
Manfred Büchele: Im Gegensatz zu Europa und zum übrigen Deutschland sind wir am Bodensee mit einer leicht überdurchschnittlichen Ernte gesegnet, kann man in diesem Fall sagen. Uns haben die Frühjahrsfröste nicht ganz so stark getroffen.
SWR Aktuell: Das heißt also, Sie profitieren im Prinzip davon, dass es den anderen Regionen etwas schlechter geht und können sogar besser verkaufen, weil die Preise insgesamt steigen?
Büchele: Ja, so kann man es sagen. Dieses Jahr wird es so sein, dass die Landwirte am Bodensee mal auf der Sonnenseite stehen. Das war in der Vergangenheit andersherum. 2017 waren wir schlechter dran. Das wechselt so über die Jahre hinweg. Aber dieses Jahr schauen die Obstbauern doch recht zuversichtlich auf die neue Ernte.
SWR Aktuell: Die Frage ist ja, wie sieht es mit der Qualität aus, wenn sich die Wetterlage massiv ändert? Bei ihnen ist es jetzt sonniger gewesen, in anderen Regionen dagegen hat es stärker geregnet. Oder es gab eben diesen Spätfrost. Wie sieht es dann mit dem Geschmack aus?
Büchele: Der Geschmack der Äpfel ist vor allem von der Sorte abhängig. Da haben wir heutzutage neue Sorten, die geschmacklich dem entsprechen, was die Verbraucher erwarten. Knackig, saftig und süß soll der Apfel sein, gerne auch noch rot. Das Wetter hat eher Auswirkungen auf die äußerliche Qualität. Wenn sehr viel Feuchtigkeit in der Luft ist, kommt der Schorfpilz. Und dann sieht der Apfel hässlich aus. Wenn die Blüte Frost erwischt hat, dann ist der Apfel ein bisschen hässlicher, weil er Berostung zeigt - solche Dinge. Am Bodensee haben wir durch diesen Wechsel vom warmen Tagen und kühleren Nächten eine besonders gute Aromaentwicklung und gute Farbentwicklung. Aber in der Regel ist es dann schon die Obstsorte, die auch den guten Geschmack ausmacht.
SWR Aktuell: Viele Äpfel werden ja auch verarbeitet, zu Apfelsaft, Apfelwein, Marmelade, Apfelmus. Da kommt es dann auf die Optik des einzelnen Apfels jetzt weniger an. Wir hatten ja gerade schon gesagt, aufgrund der Entwicklung in anderen Regionen können die Preise steigen. Werden damit auch Apfelsaft und Marmelade teurer?
Büchele: Wesentlich teurer werden sie nicht. Wir sprechen beim Verarbeitungsobst von einer Preissteigerung um zehn Cent. Das macht dann auf den Saft umgerechnet 15 Cent an den Gestehungskosten aus. Es ist etwas, was der Landwirt auch zunehmend braucht. Wir hatten in der Vergangenheit hier Preise, mit denen es kaum mehr lohnt, die Äpfel an Hochstämmen aufzulesen. Es ist auch für den Erwerbslandwirt, der darauf angewiesen ist, dass er im Herbst für seine Arbeit einen guten Preis bekommt, nun mal hilfreich. Er hat ja gestiegene Kosten für die Erntearbeiter und für alles Mögliche. Wenn er da jetzt, zwischen 20 und 25 Cent je Kilogramm für sein Verarbeitungsobst bekommt, statt früher zwölf, dann ist es für ihn ein Segen – und für den Verbraucher noch lange kein großer preislicher Einschnitt.
SWR Aktuell: Dass sich die klimatischen Bedingungen und auch das Wetter so entwickeln, wie wir es in diesem Jahr erleben, dass es eben teilweise auch Spätfröste gibt, dann wieder sehr feuchte Phasen - damit müssen wir ja immer wieder rechnen, auch am Bodensee natürlich, auch wenn Sie dieses Jahr profitiert haben. Wir versuchen denn die Obstbauern in der Region, gegen solche künftigen Probleme resistenter zu werden?
Büchele: Die Plage, die wir lange hatten, war der Hagel. Da haben wir Hagelnetze gebaut. Gegen die Hitze lässt sich nicht sehr viel machen. Da könnte man die Kulturen noch weiter beschatten. Aber das ist sehr, sehr kostenintensiv. Gegen den Mangel an Wasser, den wir Gottseidank nicht haben, im Gegenteil, kann man Bewässerungseinrichtungen bauen. Wir haben im Bodenseeraum sehr gute Böden, die lange das Wasser halten, haben da noch keine Defizite festgestellt. Gegen den Spätfrost könnte man theoretisch eine Frostschutzberegnung einrichten. Aber das ist in unserer Gegend, wo wir hier viele unterschiedliche Flächennutzungsansprüche haben, schwieriger aufzubauen. Um das Wasser aus dem Bodensee zu holen, müssten wir Leitungen legen, und da komme ich durch vielerlei Grundstücke durch, die eben nicht dem Landwirt oder dem Land gehören, sodass das schwierig zu machen ist. Ich denke, da werden wir in Zukunft mit leben. Wir von der Forschungseinrichtung schauen uns nach schorfresistenten Sorten um. Das Wasser war in diesem Jahr schon eine Herausforderung. Man müsste deutlich mehr machen, dass wir da resistenter und resilienter sind, Und was den Frost betrifft, gibt es die eine oder andere neue Sorte, die etwas später blüht, die eine heißt „Mammut“ und wurde von den Kollegen in Weinsberg gezüchtet. Das sind solche Ansätze, mit denen man versucht, dem entgegenzuwirken. Aber gegen den Spätfrost würde, wie gesagt, nur eine Frostschutzberegnung helfen, wie es sie in Norddeutschland gibt, aber nicht bei uns.