Am Wochenende starteten wieder die alljährlichen TV-Sommerinterviews. Den Auftakt machten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz . Beide wirkten wie Aliens auf mich. Zwei Gäste eines Planeten, auf dem es weder Fußball-Europameisterschaften noch Olympische Spiele gibt. Zum Glück störten Scholz und Merz das Sportfest nicht mit steilen Thesen. Die Berliner Politik geht in die Sommerfrische bis zu den Landtagswahlen am 1. September in Sachsen und Thüringen.
"Knapp in den Aussagen, leicht genervte Attitüde" - Politikwissenschaftlerin Claudia Ritzi über das Sommerinterview von Bundeskanzler Scholz Klartext:
Laut den Umfragen erwartet die SPD dabei die nächste Schlappe nach der Europawahl, als sie unter 15 Prozent fiel. Bleibt die Kanzlerpartei bei der kommenden Bundestagswahl auf diesem niedrigen Stand, verliert ein Drittel ihrer Abgeordneten den Job, entsprechend groß sind ihre Zukunftssorgen. Ihnen könnte ein Bundeskanzler Boris Pistorius (SPD), der zurzeit mit Abstand beliebteste Politiker, als Retter in der Not erscheinen.
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Einen Kanzlersturz durch die eigenen Leute hat es bislang zweimal gegeben. 1966 folgte der Christdemokrat Kurt-Georg Kiesinger auf Ludwig Erhard, 1974 der Sozialdemokrat Helmut Schmidt auf Willy Brandt. Die Umstände waren jeweils völlig andere als heute. In einem Fall nutzte das Manöver nichts, im anderen schon. Kurt-Georg Kiesinger verlor sein Amt bei der kommenden Wahl knapp. Helmut Schmidt behielt seines um Haaresbreite.
Aus meiner Sicht haben die Genossen keine andere Wahl, als Olaf Scholz durch Boris Pistorius zu ersetzen. Andernfalls fahren sie ihren Karren sehenden Auges gegen die Wand. Boris Pistorius würde vermutlich das maximale Potential an SPD-Wählenden abrufen. Sollte die Ampelkoalition im Herbst platzen, kann die SPD immerhin mit Pistorius in den Wahlkampf ziehen.