Der zuletzt schleppende Ausbau der Windkraft in Baden-Württemberg könnte nach Ansicht eines Branchenverbands deutlich Fahrt aufnehmen. "Bei der Planung neuer Flächen nehmen wir derzeit eine ganz starke Aufbruchstimmung wahr", sagte die Vorsitzende des Bundesverbands Windenergie in Baden-Württemberg, Julia Wolf, anlässlich eines Branchentags in Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg) am Donnerstag. Die Zahl der Kommunen, die auf Energieversorger zugehen und geeignete Flächen anbieten, sei sprunghaft angestiegen. "Im Vergleich zu vor einem Jahr sind da Welten dazwischen."
Wie kann der Ausbau der Windkraft im Land beschleunigt werden? Markus Bock (parteilos), der Bürgermeister von Sulzbach-Laufen (Kreis Schwäbisch Hall), erzählt im Interview von seinen Erfahrungen:
Windkraft in fast jeder Gemeinde - das bringt Geld
Dazu trage bei, dass nun 1,8 Prozent der Landesflächen bis 2025 exklusiv für Windkraft vorgesehen werden. "Diese Zahl bedeutet, dass in fast jede Gemeinde Windkraft kommen wird", sagte Wolf weiter. Das werde nun den Entscheidungsträgern vor Ort klar. Zudem lasse sich mit teils sechsstelligen Pachtbeträgen inzwischen auch gutes Geld damit verdienen. Und auch die oft ablehnende Haltung in der Bevölkerung habe sich mit den Klimaprotesten und letztlich dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine und den Debatten um Energiesicherheit ein Stück weit gedreht, so Wolf.
Windkraft-Task-Force der Landesregierung in BW
Die Windkraft-Task-Force des Landes habe in einigen Bereichen sehr gute Entwicklungen gebracht, sagte Wolf weiter. Aber: "Beim Artenschutz war uns die Task-Force nicht mutig genug." Im Schwarzwald würden beispielsweise immer noch große geeignete Gebiete zum Schutz des Auerhuhns reserviert. Auch beim Denkmalschutz könne es nicht sein, dass in mehreren Kilometern Entfernung einer Burg kein Windpark gebaut werden könne. Außerdem müsse der Netzausbau für die dezentralen Anlagen schneller vorankommen.
45 Windkraftanlagen in zwei Jahren gebaut BW-Regierung lobt ihre Taskforce zum Windkraftausbau
Schnellere Planungsverfahren und mehr Fläche für Windkraftanlagen - Ministerpräsident Kretschmann hat die Arbeit der Windkraft-Task Force gelobt.
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) sieht das mit Blick auf den Artenschutz ganz anders: Denn neben der globalen Klimakrise finde außerdem ein Verlust biologischer Vielfalt statt. Das Land müsse daher bestimmte Artenschutzflächen von Windenergie freihalten. "Der Ausbau der Windenergie geht nur dann mit dem Naturschutz Hand in Hand, wenn er an den richtigen Standorten stattfindet", so die Energieexpertin des NABU, Andrea Molkenthin-Kessler.
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Ziel der BW-Regierung: 100 Windkraftanlagen bis 2025
Das Ziel der Landesregierung, 100 Windkraftanlagen bis 2025 in Betrieb zu nehmen, nannte Branchenvertreterin Wolf dennoch "illusorisch". "Diese Anlagen müssten dann eigentlich 2023 genehmigt werden." Bislang sind 2023 laut Umweltministerium 17 Anlagen neu genehmigt worden. Sie verwies auf lange Lieferzeiten und Engpässe bei Material, Gutachtern oder Arbeitern für die Fundamente. Und auch bei den Transporten gebe es große Verzögerungen bei den Genehmigungen. "100 Anlagen im Jahr, das sind 300 Rotorblätter, die mit Überlänge, Überbreite und nachts mit Polizeibegleitung durch Deutschland fahren müssen."
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte die Halbierung der Planungsverfahren auf dreieinhalb Jahre am Dienstag als Erfolg bezeichnet. Relativierte aber auch: Wie viele Windkraftanlagen am Ende tatsächlich gebaut werden, werde man sehen, so Kretschmann.
Über die Taskforce der baden-württembergischen Landesregierung zum schnelleren Ausbau der Windkraft hat SWR Aktuell am 13. Juni 2023 im Fernsehen berichtet: