Eine achtköpfige Delegation aus Aalen unter der Leitung von OB Frederick Brütting ist am Donnerstag in die türkische Partnerstadt Antakya gereist. 80 Prozent der Stadt sind seit dem Erdbeben vor einem Jahr zerstört, erzählt der Aalener Stadtrat Roland Hamm (Linke). Die Delegation will mit Spendengeldern gemeinsam mit anderen deutschen Städten eine Rehaklinik in Antakya aufbauen. Wir haben mit Roland Hamm vor Beginn der Reise gesprochen.
SWR Aktuell: Herr Hamm, was sind denn die Pläne der Delegation?
Roland Hamm: Wir möchten gerne mit der zweiten Partnerstadt von Aalen - Kiel - und mit einer deutlichen Unterstützung der Stadt Dortmund eine Rehaklinik in Antakya aufbauen. Die Klinik soll für Menschen da sein, die durch das Erdbeben Gliedmaßen verloren haben. Es geht also um eine orthopädische Reha, aber kombiniert mit psychologischen Rehabilitationsmöglichkeiten.
SWR Aktuell: Wie konkret ist denn dieses Projekt mit der Rehaklinik?
Hamm: Wir haben Spenden in Höhe von knapp 1,5 Millionen Euro gesammelt. In Antakya besichtigen wir ein Grundstück, wo diese Klinik gebaut werden kann. Und führen Gespräche, wie wir die Kooperation gestalten. Die Stadt Aalen hat ja Erfahrung bei diesen Themen. Wir haben vor vielen Jahren am Beginn des Krieges in Syrien für 1.500 syrische Flüchtlingskinder in der Nähe von Antakya eine Schule gebaut. Mittlerweile ist das eine Regelschule, wo schon die nächste und übernächste Generation nachgewachsen ist.
SWR Aktuell: Gibt es schon einen konkreten Zeitplan für den Aufbau der Klinik?
Hamm: Wir schauen jetzt erst einmal das Grundstück an. Und werden dann weiter besprechen, wann die Grundsteinlegung sein kann. Dann werden wir sicher auch wieder mit einer Delegation nach Antakya gehen. Wir hoffen, wenn das ähnlich läuft wie mit der Schule, dass das Projekt in rund einem Jahr stehen könnte.
SWR Aktuell: Sie haben viele Kontakte in Antakya. Wie ist denn generell die Situation dort?
Hamm: Also die Situation ist nach wie vor dramatisch. Ich muss sagen, ich fahre diesmal mit keinem guten Gefühl dahin. Alle Menschen, die nach dem Erdbeben in Antakya waren und mit denen ich gesprochen habe, kommen ziemlich demoralisiert zurück. Die Stadt selbst ist schätzungsweise zu 80 Prozent zerstört. In den umliegenden Dörfern sieht es ein bisschen besser aus. Aber auch da ist das Maß an Zerstörung groß. Die Menschen leben immer noch in Zeltstädten. Oder wenn sie Glück haben, in Containern. Die starken Regenfälle, die es derzeit gibt, führen dazu, dass die Menschen manchmal tief im Wasser stehen. Und auch in den Containern ist es so, dass die Dachkonstruktionen den Wassermassen nicht standhalten. Hinzukommt: Die Krankenhäuser sind defekt, die Schulen sind defekt. Also wir haben nach wie vor eine wirklich verheerende Situation vor Ort.
"Man hörte immer noch Schreie aus den Gebäuden." Transport von Aalen ins türkische Erdbebengebiet: Das berichtet ein Helfer
In Aalen sind nach dem schweren Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet sofort Hilfen für die Partnerstadt Antakya organisiert worden. Erste Güter sind nun angekommen. Ein Lkw-Fahrer berichtet.
SWR Aktuell: Haben Sie mal bilanziert, welche Hilfen aus Aalen und dem Ostalbkreis nach dem Erdbeben nach Antakya gegangen sind?
Hamm: In der ersten Phase, bald nach dem Erdbeben, haben wir mit rund 25 großen LKW, also 40-Tonnern, Kleiderspenden, Zelte, Schlafsäcke etc., also alles, was man für die erste Notsituation zum Überleben brauchte, nach Antakya gebracht. Wir haben dann in einer zweiten Phase Lebensmittel und auch Trinkwasser nach Antakya transportiert. Sie müssen sich vorstellen, die Trinkwasserversorgung ist total zusammengebrochen. In dieser Stadt ist das Trinkwasser auch in hohem Maße verseucht durch die ganzen Abrissarbeiten, das Asbest führt zu gesundheitlichen Risiken. Auf unserer jetzigen Delegationsreise geht es um knapp 1,5 Millionen Euro - nämlich 500.000 Euro Spendengelder aus Aalen aus der Solidaritätskasse für Antakya. 500.000 Euro sollen aus Kiel kommen. Und zusammen mit weiteren 450.000 Euro aus Dortmund glauben wir, dass wir einen guten Start finanzieren können für das Klinikprojekt.