Es ist eine Tat, die die Menschen weit über die Region hinaus erschüttert hat: Am 5. Dezember 2022 wird ein 14-jähriges Mädchen in Illerkirchberg im Alb-Donau-Kreis auf dem Schulweg getötet, ihre 13-jährige Freundin überlebt schwer verletzt. Ein Jahr nach dem Messerangriff hat die Gemeinde mit vielen Veranstaltungen an die Opfer erinnert.
Gemeinde Illerkirchberg gedenkt der Opfer der Tat
"Illerkirchberg ist stark", sagt Bürgermeister Markus Häußler (parteilos) mit ruhiger Stimme. Einerseits. Andererseits: "Das bewegt uns alle noch. Der 5. Dezember 2022 wird ein Tag der Trauer bleiben." Ein Tag, der die Gemeinde in der Nähe von Ulm verändert und sie bundesweit in die Schlagzeilen gebracht hat
.
Am Dienstag hatte sich die Tat zum ersten Mal gejährt. Häußler hatte zuvor angekündigt, dass die Gemeinde der beiden Opfer mit mehreren Veranstaltungen gedenken werde. Zur Tatzeit um 7:25 Uhr haben im ganzen Ort die Kirchenglocken geläutet, die Türen der Kirche in Oberkirchberg waren geöffnet, ein Gedenkbuch lag aus.
Am Dienstagabend gab es für Einwohner sowie Freundinnen und Freunde und Bekannte der Opfer eine Gedenkveranstaltung in der Pfarrkirche St. Sebastian in Oberkirchberg. Daran nahmen neben der Alevitischen Gemeinde Ulm und der DITIB Moschee auch die beiden christlichen Kirchen in Oberkirchberg teil.
Rund 200 Menschen versammelten sich in der Kirche. Neben dem Altar stand eine Tafel mit einem Anliegen der Eltern des getöteten Mädchens: "Was uns bleibt, ist der tiefe Wunsch nach Frieden in unserer Heimat und Gemeinde." Das Schild soll an einem Friedensweg aufgestellt werden, der vom Tatort bis zum Schloss in Illerkirchberg entstehen soll.
Auch an der Albert-Einstein-Realschule in Ulm-Wiblingen, die die beiden Mädchen besucht haben, gab es eine Gedenkstunde für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte.
Prozess in Ulm Messerangriff in Illerkirchberg: Eine Chronologie der Ereignisse
Am 5. Dezember 2022 kam es in Illerkirchberg im Alb-Donau-Kreis zu einem tödlichen Messerangriff. Ein 14-jähriges Mädchen starb. Der Tatverdächtige steht seit Juni vor Gericht.
Die Trauer ist auch ein Jahr nach der Tat spürbar. Der Bürgermeister ist aber zugleich stolz auf die Bürgerinnen und Bürger. Sie hätten sich gegen jeglichen Versuch gestellt, die Tat politisch zu instrumentalisieren. Eine Woche nach der Tat hatte die AfD eine Kundgebung vor Ort abgehalten. Anwohnerinnen und Anwohner kamen zu einer Gegendemo zusammen. Der Mann, der laut Urteil des Landgerichts Ulm die Tat begangen hat, war als Asylbewerber aus Eritrea nach Deutschland gekommen.
Das Gericht hat den 27-Jährigen Anfang Juli wegen Mordes und versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Zudem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest. Dagegen hat die Verteidigerin Revision eingelegt. Konkret gehe es um den Punkt der besonderen Schwere der Schuld. Denn dadurch könne ihr Mandant womöglich erst Jahre später abgeschoben werden, er wolle aber nicht so lange warten. Noch liegt keine Entscheidung zur Zulassung der Revision vor. Das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig.
Eigentliches Ziel soll Landratsamt gewesen sein
Nach Auffassung des Gerichts war das eigentliche Ziel des 27-jährigen Eritreers das Landratsamt des Alb-Donau-Kreises in Ulm. Er habe der Behörde die Schuld gegeben, sein Leben verpfuscht zu haben, weil er ohne Pass nicht nach Afrika habe reisen können, um dort eine Frau zu finden. Der Mann hatte am Tattag demnach gerade mit dem Messer zum Landratsamt aufbrechen wollen, als die Mädchen an seinem Haus vorbeiliefen. Er habe befürchtet, sie könnten ihn verraten - und dass er seine Rache nicht würde ausüben können.
Dass das Landratsamt Ziel des Täters war, wirkt heute noch bei den Mitarbeitern der Ausländerbehörde nach, so eine Sprecherin des Landratsamts. Nach wie vor sei dauerhaft ein Sicherheitsdienst vor Ort. Um in Zukunft mehr Sicherheit zu schaffen, soll kommendes Jahr der Eingangsbereich umgebaut werden. Dadurch soll eine bessere Trennung zwischen dem Empfang und den Räumen der Mitarbeitenden entstehen. Der Umbau werde hoffentlich im nächsten Haushalt verabschiedet.
Inzwischen Blumenwiese statt Flüchtlingsunterkunft in Illerkirchberg
Die Flüchtlingsunterkunft, in der der 27-Jährige gelebt hat, wurde inzwischen abgerissen. Dort ist auf Wunsch der Familie des getöteten Mädchens vorerst eine Blumenwiese entstanden. Die Gemeinde hat eine sogenannte Fokus-Gruppe eingerichtet, die sich jetzt damit beschäftigt, was an diesem Ort in Zukunft entstehen könnte. Laut Bürgermeister Häußler gibt es momentan einen "bunten Strauß an Ideen". Die reichen von einer Begegnungsstätte bis hin zu einem Ärztehaus. Es soll aber auf jeden Fall ein Ort entstehen, an dem sowohl Begegnung als auch Gedenken möglich sein sollen.
Noch mehr habe sich Illerkirchberg seit der Tat verändert, erzählt Häußler. "Der Jugendtreff im Ortsteil Oberkirchberg wurde neu gegründet, sodass die Jugendlichen dort wieder Gemeinschaft erleben können." Man habe Austausch- und Informationsformate, ein Selbstschutzseminar und einen Vortrag zum Thema Traumabewältigung angeboten.
Der Bürgermeister sagt aber auch: Der Wunsch nach Ruhe in Illerkirchberg sei groß. Der mediale Ansturm, Gerüchte und Falschbehauptungen hätten Spuren hinterlassen.