Im Prozess um ein großes Drogenlabor für Captagon hat einer der beiden Angeklagten zum Prozessauftakt eine teilweise Beteiligung eingeräumt. Der Verteidiger des 52-Jährigen las am Montag eine Erklärung des Angeklagten vor. Darin räumte dieser ein, sich an den Geschäften beteiligt zu haben. Der zweite Angeklagte wollte sich zu Prozessbeginn nicht äußern.
- Teigeständnis: Angeklagter wollte profitieren
- Drogenlabor für Captagon in Autowerkstatt
- Captagon in blauen Tonnen und unter Sand versteckt
- Captagon-Mafia im Visier
- Rekordmenge Captagon sichergestellt
- Vier Tatverdächtige in Untersuchungshaft
- Captagon - ursprünglich Medikament gegen ADHS
- Produktion im Centbereich - Verkauf für 20 Dollar pro Pille
Teilgeständnis: Angeklagter wollte profitieren
In der schriftlichen Erklärung schildert der 52-jährige Angeklagte, dass er den Werkstattinhaber Anfang 2023 bei der Reparatur seines Autos kennengelernt hatte. Der Mann habe ihm von seinen Geschäften erzählt und wollte demnach, dass er ihn dabei unterstützt. Er sei neugierig gewesen und habe selbst Captagon konsumiert, heißt es in der Erklärung weiter.
Der 52-Jährige räumte darin ein, dem Inhaber geholfen zu haben, Werkzeug für die Drogen in der Werkstatt unterzubringen und Streckmittel zu besorgen. Kurz vor der Festnahme des Angeklagten sollten demnach neue Tabletten produziert werden.
In der Erklärung betonte der Angeklagte, dass der Werkstattinhaber die Drogengeschäfte gemacht habe. Er selbst habe gehofft, davon zu profitieren und seinen regelmäßigen Captagon-Konsum damit finanzieren zu können.
300 Kilogramm Rauschgift sichergestellt Verdächtiger aus Heidenheim: Drogenlabor aufgedeckt
Ein Mann aus Heidenheim soll mit zwei weiteren Verdächtigen in großem Stil Rauschgift hergestellt haben - im bislang größten Drogenlabor in Deutschland für das Amphetamin Captagon.
Drogenlabor für Captagon in Autowerkstatt
Die Polizei hatte im Sommer 2023 erstmals ein Drogenlabor für Captagon in Deutschland entdeckt. In einer Autowerkstatt in Regensburg (Bayern) und in privaten Räumen des Werkstattinhabers stellten die Ermittler rund 300 Kilogramm der Droge sowie Grundstoffe für die mögliche Herstellung von weiteren gut drei Tonnen Captagontabletten sicher.
Die beiden angeklagten Syrer im Alter von 31 und 52 Jahren waren verhaftet worden, als sie in der Werkstatt an einer Tablettiermaschine arbeiteten. Weil einer der Beschuldigten in Heidenheim gemeldet ist, liegt die Zuständigkeit bei der Staatsanwaltschaft Ellwangen.
Der Drogenfund in der Autowerkstatt bei Regensburg sorgte bundesweit für Aufsehen. Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte in Bayern eine bis dahin unbekannte Drogenküche ausgehoben und zwei Männer festgenommen, als sie das Amphetamin im Regensburger Drogenlabor verarbeiteten. Dem dritten Verdächtigen gelang die Flucht. Er hatte sich zwei Wochen zuvor abgesetzt und soll sich in Syrien versteckt halten.
Captagon in blauen Tonnen und unter Sand versteckt
Bei einer Durchsuchung von Grundstücken und Wohnräumen im bayerischen Bruck fanden die Ermittler Captagontabletten, die offenbar zum Weiterverkauf bestimmt waren. Ein Großteil der Tabletten war in blauen Tonnen verpackt, Zeugen berichteten, dass die Drogen womöglich unter Autoteilen versteckt waren, die nach Saudi-Arabien verschifft werden sollten.
Bei der Durchsuchung eines Anwesens des zweiten, 52-jährigen Beschuldigten im niedersächsischen Rüdershausen fanden die Ermittler unter anderem auch 70 Säcke mit pulverförmigen Substanzen, die zur Herstellung von Captagontabletten notwendig sein sollen. Darüber hinaus wurden in Regensburg mehrere Gerätschaften zur professionellen Herstellung von Betäubungsmitteln in Tablettenform sichergestellt.
Captagon-Mafia im Visier
Die Festnahmen waren nach umfangreichen verdeckten Ermittlungen erfolgt. Das bayerische Landeskriminalamt sowie die Polizei in Baden-Württemberg und Niedersachsen hatten die Ermittlungen des BKA und der Staatsanwaltschaft Ellwangen unterstützt.
Die Ermittler hatten schon länger die syrische Captagon-Mafia im Visier. Drei Monate später, im Oktober 2023, entdeckten die Staatsanwaltschaft Aachen und Ermittler des Zollfahndungsamtes Essen in einem Garagenkomplex an der Autobahn bei Aachen, ähnlich wie in Regensburg, rund 300 Kilogramm Captagon. Den Großteil der Tabletten hatten die Drogenschmuggler zwischen 16 Tonnen Sand versteckt, die säckeweise auf Paletten gestapelt waren.
Das Rauschgift sei in einer kleinen äußeren Sandschicht eingebettet gewesen, erklärte Ermittlungsleiter Andreas B. in einem Interview des ARD-Netzwerks von BR, MDR, SWR und RBB in Zusammenarbeit mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Mediengruppe Bayern: "Das waren ganz normale Sandsäcke aus dem Baumarkt, original bedruckt." So seien bei äußerlicher Betrachtung der Säcke und auch beim Abtasten keine Tabletten zu erkennen gewesen.
Rekordmenge von rund 460 Kilogramm Captagon sichergestellt
Zusammen mit weiteren zeitnahen Funden, unter anderem an den Flughäfen Köln/Bonn und Leipzig/Halle, wurde in diesem Fall eine Rekordmenge von 461 Kilogramm Captagon sichergestellt. Nach Recherchen des ARD-Netzwerks in Zusammenarbeit mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Mediengruppe Bayern hat das Rauschgift einen Straßenverkaufswert von rund 60 Millionen Euro.
Die Sprecherin der Aachener Staatsanwaltschaft, Katja Schlenkermann-Pitts, sagte in einem Interview mit dem ARD-Netzwerk: "Wenn man sich diese großen Funde anschaut, dann liegt es natürlich nahe, dass es sich hier um eine organisierte Tätergruppierung handeln könnte, die auch länderübergreifend agiert." Und sie kündigte an: Mit Blick auf die Fälle in Regensburg, Essen und Köln/Bonn oder auch in Aachen und Leipzig wolle ihre Behörde deshalb "diese Strukturen und Zusammenhänge weiter aufklären".
Die Pillen aus dem Aachener Garagenkomplex waren neben Bahrain auch für Saudi-Arabien bestimmt. Das saudische Königreich gilt als wichtigster Absatzmarkt weltweit.
Vier Tatverdächtige in Untersuchungshaft
Vier Syrer im Alter zwischen 33 und 45 Jahren sitzen in Untersuchungshaft. Seit 2020 stellen die Behörden in Deutschland und in der EU immer größere Mengen der Droge sicher. Captagontabletten werden vor allem in Syrien und im Libanon in illegalen Fabriken hergestellt. Die Nachfrage ist groß, die Gewinne riesig. Das Assad-Regime wird verdächtigt, an dem Milliardengeschäft beteiligt zu sein.
In vielen Fällen wird die Ware auf dem Land- oder Seeweg nach Europa geschmuggelt. Deutschland gilt dabei bislang als reine Durchgangsstation. Hier werden die Drogen mit so genannter Tarnware in Container umgepackt und dann per Schiff oder Flugzeug in den arabischen Raum weitertransportiert. So soll die Herkunft der Drogen verschleiert werden.
Captagon - ursprünglich Medikament gegen ADHS
Die synthetische Droge Captagon wurde in den 60er und 70er Jahren in Deutschland hergestellt und ursprünglich zur Behandlung von Aufmerksamkeitsstörungen (ADHS) eingesetzt. Wegen schwerer Nebenwirkungen wurde es 1986 als Medikament vom Markt genommen. Das Bundeskriminalamt (BKA) warnt, dass die Droge stark abhängig macht und Depressionen, Halluzinationen und Angstzustände auslösen kann.
Anfang der 2000er Jahre tauchte eine Schwarzmarktversion von Captagon in Osteuropa und im Nahen Osten auf. Heute ist Captagon eine der am häufigsten konsumierten synthetischen Drogen im arabischsprachigen Raum. Diese Tatsache unterstreicht die enorme Nachfrage und Beliebtheit dieser Aufputschdroge.
Produktion im Centbereich - Verkauf für 20 Dollar pro Pille
Nach Angaben des BKA liegen die Herstellungskosten für das Aufputschmittel im einstelligen Cent-Bereich. In den Golfstaaten hingegen wird eine Pille für 20 bis 25 Dollar verkauft.
Der Urteil im Captagon-Prozess vor dem Landgericht Ellwangen wird voraussichtlich am 18. März verkündet. Bei der Beweisaufnahme werden sechs Zeugen und ein Sachverständiger gehört.