Am 27. Dezember 2022 hat Schwäbisch Media in Ravensburg bekanntgegeben, dass das Unternehmen das Druck- und Verlagshaus Hermann Daniel in Balingen (Zollernalbkreis) übernimmt - den Verlag, der die Lokalzeitung Zollern-Alb-Kurier herausgibt. Die Übernahme hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt, unter anderem weil ein Kampf um Leser, Abonnenten und den Namen "Zollern-Alb-Kurier" entbrannte. Überregionale Medien und Branchenseiten berichteten über den "Zeitungszoff im Süden".
Seither hat sich vieles verändert. Der Balinger Verlag mit mehr als 170-jähriger Tradition hat nicht nur sein altes Zeitungslayout aufgegeben. Viele Mitarbeiter sind weg, die Redaktion in Albstadt und das Verlagsgebäude in Balingen sind geschlossen.
Im Balinger Zeitungshaus sind die Lichter aus
Es ist kurz vor 17 Uhr an einem Abend unter der Woche. Im einstigen Verlagsgebäude in der Balinger Grünewaldstraße brennt kein Licht mehr. Viele Jahre lang war dort die "Auflagenstärkste Tageszeitung im Zollernalbkreis", der Zollern-Alb-Kurier, beheimatet. Redakteure, Vertriebsmitarbeiter, Anzeigenverkäufer und andere Mitarbeiter des familiengeführten Medienhauses hatten dort ihre Büros. Ganz früher wurde sogar noch im Haus gedruckt. Historische Druckmaschinen im Foyer des Verlagsgebäudes erzählten von der langen Geschichte des Verlags.
Schwäbisch Media entlässt Mitarbeiter
Die alten Druckerpressen braucht man beim Zollern-Alb-Kurier schon lange nicht mehr. Auch Vertrieb und Marketing hat das Ravensburger Unternehmen selbst übernommen. Mit der Übernahme des Balinger Medienhauses wurde auch ein großer Teil der Mitarbeiter aus ihrem Dienst entlassen.
Letzter Verleger aus Hermann-Daniel-Dynastie ist weg
Auch die ehemalige Geschäftsführung des Zollern-Alb-Kurier ist nach einer einjährigen Übergangsphase nicht mehr an Bord. Der letzte Verleger aus der Dynastie des Verlagshauses Hermann Daniel ist jetzt unter anderem Geschäftsführer eines Lasertechnik-Unternehmens und engagiert sich im Aufsichtsrat einer Bank. Mit Journalismus scheint er kein Geld mehr zu verdienen. Obwohl er sich schon vor seiner Zeit beim Zollern-Alb-Kurier mit Medien beschäftigt hat - bei Schwäbisch Media.
Redaktion des Zollern-Alb-Kurier in Albstadt ist geschlossen
Das Ravensburger Unternehmen hat nach der Übernahme im Zollernalbkreis jetzt auch die Redaktion in Albstadt geschlossen. Die letzte Redakteurin dort hat den Zollern-Alb-Kurier nach vielen Jahren vor ein paar Tagen in den Ruhestand verlassen. Wer noch in der Redaktion Albstadt anrufen möchte, landet in Ravensburg. Die Redaktionsräume in Albstadt und das Verlagsgebäude in Balingen hat Schwäbisch Media nicht mitgekauft.
Landkreis mietet Balinger Zeitungshaus
Ins Balinger Zeitungshaus ziehen das Amt für Zuwanderung und Migration und das Ordnungsamt des Landkreises ein. Der Kreis hat es für acht Jahre gemietet. Den Behörden fehlt laut Landratsamt schon lange Platz, weil immer mehr Mitarbeiter dazukommen.
Redaktion des Zollern-Alb-Kurier schrumpft zusammen
Probleme, die man beim Zollern-Alb-Kurier anscheinend nicht hat. Das Impressum der gedruckten Zeitung wird immer kürzer. Auch die Redaktion schrumpft zusammen. Ungefähr die Hälfte der Journalisten ist noch da. Viele arbeiten im Homeoffice, manche sind in den Ruhestand gegangen, andere haben mittlerweile einen Job in einer Pressestelle oder aus anderen Gründen gekündigt.
Mehrere Verfahren am Arbeitsgericht
Aber nicht alle, die den Zollern-Alb-Kurier in den vergangenen zwei Jahren verlassen haben, sind offenbar freiwillig gegangen. Das Arbeitsgericht Reutlingen bestätigte dem SWR, dass es 2024 mindestens vier Verfahren gegen das aufgekaufte Verlagshaus Hermann Daniel gegeben hat. In zwei Fällen sei es zur Kündigungsschutzklage gekommen, zwei seien außergerichtlich geregelt worden.
Mitarbeiter mit "Goldenem Handschlag" entlassen
Schwäbisch Media habe einzelnen Redaktions-Mitgliedern Geld für die vorzeitige Kündigung geboten, haben Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter des Verlagshauses dem SWR erzählt. Sie wollen anonym bleiben. Diese Angebote seien "für manche lukrativ und ein großer Anreiz" gewesen. Nach der Übernahme sei es beim "ZAK", wie der Zollern-Alb-Kurier kurz genannt wird, "nicht mehr wie früher". Warum? Auf diese Frage finden die Mitarbeiter keine konkrete Antwort.
In ihrer journalistischen Arbeit seien die Lokalzeitungsmacher in Balingen noch immer weitgehend frei. Deutschlandweite Berichte, wonach die Chefredaktion auf die Berichterstattung über politische Themen Einfluss nimmt , bestätigen Mitarbeiter für ihre lokale Arbeit nicht.
Klicks und Reichweite als oberstes Ziel?
Eins aber scheint klar: Schwäbisch Media setze komplett aufs Digitale – also die Internetseite schwaebische.de. "Es richtet sich alles nach Klicks", erzählen die Mitarbeiter und Ehemaligen. "Es geht nur noch um Reichweite." Auch reißerische Überschriften oder Teaser seien an der Tagesordnung. Man habe sich deswegen schon beklagt. Teilweise mit Erfolg. Mittlerweile würden ihre Überschriften für die Onlineausgabe weniger stark verändert.
Neue Chefs setzen auf Digitalisierung und Wachstum
In der Pressemitteilung zur Übernahme des Zollern-Alb-Kurier vor zwei Jahren ist Geschäftsführer Lutz Schumacher zitiert. Er sei davon überzeugt, dass sich Medienhäuser am besten durch "Digitalisierung, Effizienzsteigerung und Wachstum" für die Zukunft rüsten könnten. Das Medienhaus hat bereits mehrere Zeitungen aufgekauft. An anderer Stelle sagte Schumacher, dass es Ziel sei, die Redaktion des Schwäbischen Verlags "zu einer bundesweit agierenden Content Agentur zu entwickeln".
Viele ZAK-Mitarbeiter sehen neuen Weg nicht als ihren
Ziele, die die (ehemaligen) Zeitungsmitarbeiter im Zollernalbkreis, die mit dem SWR gesprochen haben, aus wirtschaftlicher Sicht nachvollziehen können. Man sehe auch, dass die Onlinestrategie funktioniere. Viele aber sehen den Weg der neuen Geschäftsführung nicht als ihren.
"Es ist halt Arbeit", sagt ein Mitarbeiter, er identifiziere sich nicht mehr mit der Marke. Ein anderer hat erzählt: "Wenn das vor zehn Jahren passiert wäre, hätte ich getobt und gesagt, ihr macht die Zeitung kaputt." Mittlerweile hat er gekündigt und einen neuen Job. Bei einem "Online-Blog" habe er nicht mehr arbeiten wollen.
Wie geht es weiter mit dem Zollern-Alb-Kurier?
Wie geht es weiter mit dem "ZAK"? Und wie lange gibt es die Zeitung noch? Das fragen sich nicht nur die Mitarbeitenden, sondern viele im Zollernalbkreis. Die Abozahlen der Zeitung sinken stärker als die der anderen Blätter im Kreis. Die IVW gibt die Abonnements des Zollern-Alb-Kurier im ersten Quartal 2023 mit 14.840 an. Für das dritte Quartal 2024 weist sie noch 12.117 aus.
Bei Schwäbisch Media selbst will man sich zu den Entwicklungen nicht äußern. Statt eines versprochenen Anrufs der Geschäftsführung lässt das Unternehmen von seinem "Head of Communications" schriftlich mitteilen:
"Seien Sie versichert: Mit dem Zollern Alb Kurier ist alles in Ordnung. Wir planen langfristig und werden auch langfristig in Balingen vor Ort sein. Betriebsinterna wie etwa die Verlagerung von Betriebsstätten aus betriebswirtschaftlichen Gründen oder Ähnliches möchten wir grundsätzlich nicht öffentlich erörtern."
Wer ist der ZAK?
Die Betriebsstätten im Zollernalbkreis hat das Unternehmen mittlerweile auf eine reduziert, auf die ehemalige Geschäftsstelle in der Balinger Innenstadt. Mitarbeiter sind durch die Schaufenster nur vereinzelt zu sehen. Dafür aber große Banner. "Wir sind der ZAK" ist darauf zu lesen. Der Slogan, mit dem man seit der Übernahme vor knapp zwei Jahren für die Zeitung mit Tradition wirbt - mit Köpfen, die im Kreis viele Jahre bekannt waren. Wer aber ist mittlerweile noch "Wir"? Das scheint sich auch der eine oder andere Passant zu fragen, der vor dem Schaufenster und der verschlossenen Tür kurz stehen bleibt.