Nach Kritik an Tübinger OB

Bei Rede in Budapest: Palmer kritisiert das Mathias Corvinus Collegium

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Autor/in
Ingemar Koerner
Ingemar Koerner ist Reporter für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat bei einer Rede in Budapest das Mathias Corvinus Collegium kritisiert. Dieses hatte ihn zu der Veranstaltung eingeladen.

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) kritisierte bei seiner Rede im Budapester Mathias Corvinus Collegium (MCC) nicht nur das Collegium selbst, sondern auch die ungarische Regierung. Im Vorfeld der Rede war Palmer kritisiert worden. Denn das MCC gilt als eng verbunden mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, der in Deutschland von vielen kritisch gesehen wird. Dennoch hielt Palmer an seinem Plan, dort vorzutragen, fest.

MCC und Ungarn für eigenes Image mit verantwortlich

Es gab einen Punkt, an dem er über eine Absage der Veranstaltung nachgedacht habe, sagte Palmer in seiner Rede. Er kritisierte das Institut dafür, dass es selbst zu seinem rechtspopulistischen Image beitrage, indem es extreme Auffassungen unkommentiert stehen lasse. Durch dieses Image entstehe für Menschen, die am MCC Reden halten, ein Reputationsverlust.

Kritik an ungarischer Asylpolitik

Ungarn gilt als besonders rigide beim Thema Asylpolitik. Als es in der EU um dieses Thema ging, sorgte Orbán für lange Verhandlungen. Ihm war der Verteilungsschlüssel, mit dem Geflüchtete auf EU-Staaten verteilt werden, ein Dorn im Auge. Das hinterfragte Palmer bei seinem Auftritt im MCC am Dienstagabend: "Ist Ungarn wirklich überfordert, wenn es 3.000 Menschen im Jahr Schutz gewährt?" Palmer stellte sein Vorgehen bei der Rede gleich zu Beginn klar. Er glaube, "dass ein Dialog besser funktioniert, wenn man Fragen stellt und nicht vom hohen Podest eigener moralischer Gewissheit predigt".

Palmer sieht die EU derzeit in mehrfacher Hinsicht in der Defensive, wie er bei seiner Rede in Budapest betonte - militärisch als auch im Hinblick auf die europäischen Werte. Ebenso schrumpfe der Anteil Europas an der Weltwirtschaft, so der Tübinger Oberbürgermeister. Er plädierte für mehr europäische Zusammenarbeit: "Europa kann es sich nicht erlauben, Ungarn auszugrenzen." Da die EU gefestigtere Partnerschaften brauche, würde Palmer lieber die Hand Viktor Orbáns schütteln, als die des chinesischen Staatspräsidenten.

Im Vorfeld Kritik an Palmers geplanter Rede

Als öffentlich geworden war, dass Palmer eine Rede im Budapester Mathias Corvinus Collegium halten wollte, hatte es Kritik gehagelt. Laut Wolfgang Vichtl, dem ARD-Chefkorrespondenten für Südosteuropa, gilt das MCC als Kaderschmiede der Regierung des Rechtspopulisten Orbán. Die Einrichtung verstehe sich selbst als "ungarische Eliteuniversität" im Sinne des Orbán'schen Politik- und Gesellschaftsverständnisses und werde von dessen Regierung massiv mit Geld unterstützt.

Die Bildungseinrichtung und Denkfabrik importiert unter anderen Ideen ultra-rechter Publizisten aus den USA, deren Schriften es in ungarischer Übersetzung veröffentlicht. Zugleich arbeitet es an der internationalen Vernetzung rechts-konservativer und ultra-rechter Kräfte.

Missverständnis sorgt für Auftritt

Der geplante Auftritt von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer am Budapester MCC geht nach Darstellung der Universität Tübingen auf eine falsche Empfehlung eines Professors zurück. Reinhard Johler, Direktor des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft, hatte die Stadtverwaltung Ende 2022 hinsichtlich der Reise beraten. Dabei sei es zu einer Verwechslung gekommen, teilte die Universität mit. Der Professor sei davon ausgegangen, dass Palmer seinen Vortrag an der Corvinus-Universität halten will - einer international angesehenen Einrichtung. Das Mathias Corvinus Collegium hingegen sieht der Professor außerordentlich kritisch. Die Universität Tübingen und Johler bedauern, dass es zu dem Missverständnis gekommen ist. 

Doch auch nachdem das Missverständnis geklärt war, hielt Palmer an seinen Plänen fest. Eine Absage nur eine Woche vorher erscheine ihm unverhältnismäßig, sagte er damals. Außerdem halte er den Dialog mit anderen politischen Auffassungen in Europa für richtig. Eine Einstellung, die er bei seiner Rede in Budapest noch einmal bekräftigte.

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