Fast 440.000 Einsprüche gegen Windflächen

Region Neckar-Alb: Scheitert die Windkraft allein an der Papierflut?

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Autor/in
Tobias Faißt
Tobias Faißt arbeitet als multimedialer Reporter im SWR Studio Tübingen.

Drohen Planungen für Windräder in der Region Neckar-Alb zu scheitern? Bürgerinitiativen haben dagegen 440.000 Einsprüche erhoben - viele auf Papier. Für die Behörde heißt das: Stress und hohe Kosten.

Das Thema Windkraft polarisiert. Besonders in der Region Neckar-Alb, wo viele Bürgerinitiativen aktiv sind. Fast 440.000 Einsprüche haben sie im April gegen die Windenergiepläne des Regionalverbands eingereicht, einen Großteil davon ausgedruckt auf Papier. Windkraft-Befürworter kritisieren, damit wolle man die Planungen ausbremsen. Denn die Digitalisierung der Papierberge dauert noch immer an. Es könnte zeitlich knapp werden, denn in einem Jahr müssen die Planungen abgeschlossen sein.

Forderung: Keine ausgedruckten Einsprüche mehr

Bis die analogen Einsprüche digital verarbeitet sind, stocken die Planungen. Denn jede Stellungnahme muss geprüft werden. Dann wird der Regionalplan überarbeitet und Anfang 2025 soll eine zweite Beteiligungsrunde starten. Windkraftbefürworter und die Regionalverbände fordern deshalb, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung angepasst wird: Ausgedruckte Einsprüche soll es nicht mehr geben, sie sollen digital eingehen. Vertreter der Initiative Gegenwind Neckar-Alb vermuten dahinter eine Taktik, die Bürger zu entmachten.

Verband: Planungen zur Windkraft noch im Zeitplan

Bis Ende September 2025 muss der Regionalverband sogenannte Vorranggebiete für Windkraftanlagen ausweisen. In solchen Gebieten hat der Bau von Windkraftanlagen gegenüber anderen Bauvorhaben Vorrang. Wenn Unternehmen außerhalb dieser Flächen Windräder bauen möchten, können die Gemeinden dies untersagen und auf die Vorranggebiete verweisen. Dieses Mitspracherecht für die Kommunen entfällt, wenn die Vorranggebiete nicht rechtzeitig ausgewiesen werden.

"Wir sind noch im Zeitplan", sagt Verbandsdirektor Dirk Seidemann dem SWR und betont das Wort "noch". Sollten bei der zweiten Beteiligungsrunde noch einmal so viele analoge Einsprüche eingehen, könnte es zeitlich durchaus eng werden. "Wir sind dankbar, dass im politischen Raum im Moment Anpassungen am Landesplanungsgesetz diskutiert werden", gibt Seidemann zu.

Dazu liegt ein Gesetzentwurf der Landesregierung vor, den der Regionalverband unterstützt. Darin heißt es: "Das Beteiligungsverfahren bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen soll künftig weitest möglich digital ablaufen." Konkret stellt sich Seidemann Öffentlichkeitsbeteiligungen in Zukunft so vor: Einsprüche kommen über eine Eingabemaske im Netz. Wer damit Probleme hat, könne direkt zum Regionalverband nach Mössingen kommen und seine Bedenken dort anbringen.

Bügerinitiative Gegenwind Neckar-Alb gegen Gesetzesänderung

Bei der Bürgerinitiative Gegenwind Neckar-Alb kommt die geplante Gesetzesänderung schlecht an. Mitbegründer Herbert Bitsch aus Winterlingen (Zollernalbkreis) sieht darin eine weitere Einschränkung von Bürgerrechten. "Wir sind diese Art des Umgangs der Politik mit den Bürgern eigentlich schon gewöhnt", beklagt er. Der Steuerberater setzt sich seit vielen Jahren gegen Windkraftanlagen ein. Durch Gesetzesänderungen und neue Genehmigungsverfahren habe er sich deshalb immer wieder an andere Stellen und mit Klagen an höhere Gerichte wenden müssen als vorher, sagt Bitsch.

Die Möglichkeit, Stellung zu nehmen, würde jedoch bleiben - nur eben digital. "Das ist vollkommen richtig, aber es erschwert die Arbeit", so Bitsch auf Nachfrage des SWR. Dabei könnten sich auch die Bürgerinitiativen dadurch das Ausdrucken sparen. Schließlich haben sie die Stellungnahmen auch digital eingesammelt, den Großteil ausgedruckt und dann beim Regionalverband abgeliefert.

Wir hätten es gar nicht geschafft, wenn wir nicht so viele helfende Hände gehabt hätten, die uns beim Kuvertieren behilflich waren.

"Wir wollten den Regionalverband nicht lahmlegen. Das war nie unser Ziel", versichert der Winterlinger. Die Kosten für die Digitalisierung der Stellungnahmen belaufen sich auf etwa Hunderttausend Euro. "Wir wissen im Übrigen nicht um die Ressourcen beim Regionalverband", sagt Bitsch dazu.

Bürgerinitiative Pro Windkraft unterstützt Regionalverband

Als Reaktion auf die Einsprüche haben sich in der Region Befürworter der Windenergie in der Bürgerinitiative Pro Windkraft Neckar-Alb zusammengeschlossen. Frithjof Rittberger ist dabei. Er wohnt in Tübingen-Weilheim, wo mit dem Vorranggebiet TÜ-01 eine der größten Windkraftflächen in der Region vorgesehen ist.

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Der evangelische Pfarrer ist Mitglied bei den Grünen. Er glaubt, dass viele Windkraftkritiker mit sachlichen Argumenten überzeugt werden können. Zumindest zeige das seine Erfahrung aus Weilheim, wo der Widerstand gegen Anlagen auf dem angrenzenden Höhenzug Rammert kleiner geworden sei als zu Beginn.

Rittberger hat selbst zwei Einsprüche beim Regionalverband eingereicht. Dass die Öffentlichkeitsbeteiligung digitaler werden soll, unterstützt er: "Gerade denen, die skeptisch oder gegen Windkraft sind, müsste man sagen: Setzt euch hin und überlegt euch was wichtig ist, schreibt es in die Eingabemaske oder eine E-Mail. Das macht Sinn. Einfach Kästchen anklicken, mit denen Serieneingaben rausgehauen werden: Ich glaube, da hat niemand was davon."

"Politisch heikel": Dienstleister hält sich raus

Mit einer Petition sammeln nun die Befürworter bis Mitte Oktober Unterschriften als Zeichen der Unterstützung für die Planungen des Regionalverbands. Zwischen Vertretern von Gegenwind Neckar-Alb und Pro Windkraft Neckar-Alb gab es bisher noch keine persönlichen Gespräche abseits von Medienberichten. Zu unvereinbar scheinen die Positionen, heißt es zumindest von Windkraftgegner Herbert Bitsch.

Wie es um den Diskurs zum Thema Windkraft steht, zeigt auch die Position des Unternehmens, das die Digitalisierung der Einsprüche übernommen hat. Der Dienstleister möchte öffentlich nicht damit in Verbindung gebracht werden. Die Geschäftsführung möchte nicht in die "politisch heikle" Diskussion um die Windkraft reingezogen werden. Stand jetzt sind etwa 70 Prozent der analogen Einsprüche verarbeitet.

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