Naturschutz oder Bürokratie-Irrsinn?

Vogel stoppt Klinik-Neubau in Tübingen? BUND reagiert auf Palmer

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Sonja Legisa
Sonja Legisa ist Reporterin für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.
Peter Binder
Peter Binder ist Reporter für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.

Ein seltener Vogel soll den geplanten Erweiterungsbau des Tübinger Uniklinikums verzögern. Für OB Boris Palmer ein Beispiel überbordernder Bürokratie. Der BUND sieht es anders.

Tübingen, eine Stadt mit einem besonderen Vogel? Offenbar schon: Hoch oben auf dem Dach des Universitätsklinikums hat er sein Zuhause gefunden - der Ziegenmelker. Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) wünschte, eine Katze hätte ihn schon längst erwischt. Warum? Der Vogel scheint die Stadt viel Geld und Nerven zu kosten.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Regionalverband Neckar-Alb, sagt dagegen, die Nerven hätten sich Stadt und Klinik sparen können. Schon seit Jahren sei bekannt, dass der Ziegenmelker ein Revier dort habe, wo die Klinik erweitern wolle. Es scheine nur, als sei das immer wieder "vergessen worden".

Der Ziegenmelker zählt zu den gefährdeten Vogelarten und gehört zur Familie der Nachtschwalben. Boris Palmer hatte sich schon in seiner Neujahrsansprache und in einer Talkshow darüber aufgeregt, wie der Vogel seine Klinikbaupläne verhindert. Zusätzlich hat er einen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) geschrieben.

Ein Ziegenmelker beim Brüten - das auch Nachtschwalbe genannte Tier zählt zu den gefährdeten Vogelarten.
Ziegenmelker leben nicht nur auf Klinikgebäuden in Tübingen. Dieser Pharaonenziegenmelker (Caprimulgus aegyptius) wurde im Oman gesichtet.

Der Ziegenmelker braucht viel Platz

Boris Palmer und die Stadt möchten das Klinikumsgelände erweitern, was ungefähr 250 Millionen Euro kosten soll. Laut Palmer wird das aber von der Naturschutzbehörde untersagt. Bevor der Bau beginnen kann, müsse ein Ausgleichsquartier für den Vogel geschaffen werden. Palmer erklärte dazu im ZDF: "Klingt erst mal nicht schlimm. Aber Ziegenmelker brauchen weitläufige Flächen, die sie durchfliegen können. Deshalb stören sie sich an Bäumen."

Bäume fällen für den Artenschutz?

Zehn Hektar Wald müssten nun beim Klinikum gerodet werden, damit der Vogel genug Platz hätte. Gleichzeitig sollen an anderer Stelle Bäume als Ausgleich gepflanzt werden. "Wie soll ich das meinen Bürgern erklären?", fragt Boris Palmer in seinem Brief an den Ministerpräsidenten. Schließlich gehe es bei der Erweiterung des Klinikums um Menschenleben. Laut Palmer sind drei Millionen Menschen auf die Versorgung des Uniklinikums angewiesen.

Ein Ziegenmelker auf einem Ast. Die gefährdete Vogelart wird auch Nachtschwalbe genannt.
Der Ziegenmelker wird auch Nachtschwalbe genannt.

Wald nicht roden

Der BUND sagt dagegen, dass kein Wald für dem Ziegenmelker "gerodet" werden solle. Es gehe nur um eine "Teilrodung", bei der bestimmte Bäume stehen blieben. Der Ziegenmelker liebe sehr lichte Wälder. Um zu vermeiden, dass die Fläche wieder zuwächst, könnte man sich vorstellen, dass beispielsweise Esel sie beweiden. Was dann ja auch für Erholungsuchende attraktiv sein könnte.

Vogel vielleicht schon tot, Problem für Klinik-Neubau gelöst?

Laut Palmer ist der Ziegenmelker seit rund einem Jahr weder gesehen noch gehört worden beim Uniklinikum. Der OB spekulierte, dass eine Katze ihn erwischt haben könnte und das Problem somit gelöst wäre. Tatsächlich geht auch der BUND davon aus, dass derzeit kein Ziegenmelker in dem Gebiet lebt.

Palmers Kritik an Bürokratie - Brief an Kretschmann

Palmer hat einen mehrseitigen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann geschrieben und sich über die aus seiner Sicht absurden bürokratischen Vorgaben beklagt. In einem Antwortschreiben teilte ihm das Staatsministerium nun mit, dass die meisten Vorgaben vom Bund oder der EU kämen. Man werde aber auf die beteiligten Ministerien und Behörden zugehen, um eine Lösung zu finden.

BUND: Kiebitz kam auch wieder - Ziegenmelker auch?

Der BUND verweist indessen auf ein Beispiel im Ammertal und dem oberen Neckartal, wo es lange keine Kiebitze mehr gegeben hatte. Nachdem der Mensch für feuchte Wiesen und Äcker gesorgt hatte, die dieser bedrohte Vogel liebt, sei der Kiebitz wiedergekommen. Ob der Ziegenmelker auch zurückkomme, sei natürlich nicht garantiert. Aber selbst wenn nicht: Von dem lichten Wäldchen würden auch andere Vogelarten, sowie Reptilien und Insekten profitieren, so die Umweltschützer.

Palmer hat bereits mehrmals die übermäßigen Bürokratievorschriften in seiner Stadt kritisiert. In der Vergangenheit hatte er sich unter anderem über die Auflagen für den Bau von Photovoltaikanlagen in Tübingen aufgeregt.

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