Moore müssen dringend renaturiert werden. Denn Hitze und Trockenheit machen ihnen besonders zu schaffen. Sie drohen auszutrocknen und stoßen dann mehr CO2 aus. Das schadet der Umwelt. Forstminister Peter Hauk (CDU) sagt, dass die Renaturierung von Mooren eine der sinnvollsten und effizientesten Klimaschutzmaßnahmen sei, die das Land angehen könne. Doch die Flächen müssen erst gekauft werden - dafür fehlen finanzielle Mittel. Und vor allem: Verantwortliche.
Das Moor, das klinisch tot ist
Auf den ersten Blick sieht das kleine Moosbüschel frisch aus, das der Moorexperte Pascal von Sengbusch aus einer Wasserschale zieht. Doch die Chlorophyll-Messung ergibt ein eindeutiges Ergebnis: 0 Prozent. Botanisch gesehen, ist das so etwas wie ein klinischer Tod. Das Moos stammt aus dem Westmoor in Hinterzarten (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald). Dort hatte von Sengbusch auf Freiflächen eine Oberflächentemperatur zwischen 60 und 70 Grad gemessen. "Jenseits von 50 Grad haben Proteine keine Chance mehr zu überleben", erklärt der Experte. Anders formuliert: Bei solchen Temperaturen tötet Torf durch Verbrennung.
Das steckt hinter den alarmierenden Messungen
Weil trockener Torf aus wenig Wasser und viel Luft besteht, kann er die Hitze an der Oberfläche nur sehr schlecht ableiten. Torf wirkt da wie Styropor, erklärt Moorexperte Pascal von Sengbusch, der mit seinen Gutachten auch die Landesregierung berät. Durch den Hitzestau konzentriert sich die Wärme direkt an der Mooroberfäche, dort wo die Moose sitzen. Die Folge: Große Hitze entsteht, wenn am Mittag oder Nachmittag Sonne auf den Torf strahlt. Von Sengbusch: "Schon 10 oder 12 Zentimeter unter der Mooroberfläche hat der Torf aber nur 13 oder 14 Grad."
Für die verbrannten Moose aus dem Hinterzartener Moor war es in jedem Fall zu heiß geworden. Seit seinen alarmierenden Messungen vor vier Monaten hat von Sengbusch das Moos täglich gegossen, erholt hat es sich nicht. Die roten Büschel können zwar noch Wasser speichern, sie wachsen aber nicht mehr.
Sterbende Moore: Von Klimaschützern zu Klimakillern
Die Erkenntnis in der kleinen Wasserschale müsse auch Sorgen im Großen machen, warnt der Moorexperte. Sind Moorflächen schutzlos der Sonne ausgesetzt, können sie vom Klimaschützer zum Klimakiller werden. Oder: vom CO2-Speicher zur CO2-Schleuder. Denn wenn Torf austrocknet, wird kein Kohlenstoff mehr gebunden, sondern zersetzt. Dadurch wird wieder CO2 frei. Sein Fazit: Moore haben nur eine Chance, wenn Schatten spendende Bäume erhalten bleiben.
Dringenden Handlungsbedarf sieht deswegen auch der Naturschutzbund (NABU). Nicht nur aus Artenschutzgründen müssten Moore dringend renaturiert werden. "Moore können die Spitzen von Starkregen abfangen und langfristig einlagern, außerdem tragen intakte Moore dazu bei, die Umgebung zu kühlen", erklärt der Vorsitzende des NABU Baden-Württemberg, Johannes Enssle. Darum fordert er nicht nur mehr Geld vom Land für Renaturierungsmaßnahmen, sondern auch für den Kauf von Flächen.
Warum stockt der Moorschutz?
Moore haben oft mehrere Besitzer, dadurch werde die Renaturierung blockiert, so Enssle. Da helfe nur, dass die Landesregierung die Flächen aufkaufe oder eintausche - nur so könne die Renaturierung ermöglicht werden.
Dass Land gekauft werden solle, heißt es auch im Klimamaßnahmenregister der Landesregierung. Die Verantwortung hierfür liegt beim Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz - also eigentlich beim Ministerium des Forstministers Peter Hauk. Die Maßnahme besagt, dass die Landesregierung jedes Jahr 100 Hektar Moorflächen erwerben solle, um diese zu renaturieren.
NABU sieht Forstminister und Forst BW in Verantwortung
Um dieses selbstgesetzte Ziel zu erreichen, braucht es laut NABU jedoch größere Anstrengung. Und vor allem: Geld für den Kauf von Moorwäldern. Der NABU-Landesvorsitzende Enssle sieht hier klar den zuständigen Minister Hauk in der Verantwortung. So sei es erst einmal wichtig, dass dieser sich bei den aktuellen Haushaltsverhandlungen darum kümmere, mehr Geld in den Haushalt zu bekommen.
Denn die Flächen müssten Privatpersonen abgekauft werden und das koste. Ebenso fordert der NABU, dass für den Kauf von Moorwäldern Mittel aus dem landeseigenen Forstbetrieb Forst BW verwendet werden soll. Gelder blieben unangetastet, während die Zeit zur Renaturierung verstreiche, so Enssle.
Forstminister sieht Landtag in Verantwortung
Auch CDU-Forstminister Hauk hält mehr Geld im Haushalt für sinnvoll - sich sieht er jedoch nicht in der Verantwortung. Denn jedes Jahr würde sein Ministerium Gelder anmelden. Am Ende entscheide jedoch der Haushaltsgesetzgeber, was davon bewilligt würde. Vielmehr solle der Landtag "Flagge zeigen" und mehr Geld zur Verfügung stellen. "Zehn Millionen wären wunderbar", gibt Hauk zu, lässt aber durchblicken, dass das in Zeiten eines Sparhaushalts illusorisch ist.
Nutzung von Forst BW Geldern, nur wenn Aufsichtsrat zustimmt
Eine Verwendung der Gelder von Forst BW für den Kauf von Moorflächen sei prinzipiell möglich, erklärt der Minister. Der Aufsichtsrat von Forst BW müsse dem aber zustimmen, ergänzt Hauk beiläufig, der selbst einer der Aufsichtsratsvorsitzenden der Forst BW ist.
Gerade Forst BW müsse jedoch tätig werden, meint Enssle vom NABU. Entweder solle Forst BW Tauschflächen zur Verfügung stellen oder selbst tätig werden und Waldflächen in Moorgebieten kaufen. "Und jetzt kommt das Paradoxe: Alle wollen Moore renaturieren, alle finden das super. Aber wenn wir dann in die Praxis kommen, stellen wir fest, dass Forst BW keine Mittel zur Verfügung hat. Weil auch der Landeshaushalt dafür keine Mittel vorgesehen hat", so Enssle.
Auch Moorexperte Pascal von Sengbusch sieht beim Flächenproblem der Moore dringend Handlungsbedarf. Ein Kauf von Teilflächen aus Privatbesitz sei Voraussetzung für die Renaturierung von Mooren im Ganzen, erklärt er dem SWR. Diese Renaturierung müsse in jedem Fall so schonend wie möglich ablaufen, um schattenspendende Bäume zu erhalten. Im Schatten heize Torf nicht so stark auf, da hätten Moore eine bessere Chance.