Pressekonferenz zu Gewalttat an Schule im Video

Tödliche Schüsse in Offenburg: Auch Ermittlungen gegen Eltern des Tatverdächtigen

Stand
Autor/in
Christine Veenstra
Onlinefassung
Ulrike Liszkowski
Bild von SWR-Redakteurin Ulrike Liszkowski
Samantha Happ
Samantha Happ

Nach den tödlichen Schüssen auf einen Schüler in Offenburg haben Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag bei einer Pressekonferenz weitere Einzelheiten zur Tat bekannt gegeben.

Nach der tödlichen Attacke auf einen Schüler in Offenburg wird auch gegen die Eltern des 15-jährigen mutmaßlichen Angreifers ermittelt. Das berichteten Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag in Offenburg (Ortenaukreis) bei einer Pressekonferenz. Der Tatverdächtige sitzt wegen des Verdachts auf Totschlag in Untersuchungshaft.

Kaum neue Details zu dem Motiv des 15-Jährigen

In dem Fall ermittelt eine Sonderkommission mit dem Namen "Mühlbach", der rund 50 Ermittlerinnen und Ermittler angehören. Ein 15-Jähriger soll vergangenen Donnerstag in einem Klassenzimmer zwei Schüsse auf einen Gleichaltrigen abgefeuert haben.

Das Opfer starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Die Schusswaffe stammt aus dem familiären Umfeld des mutmaßlichen Täters. Als Motiv hatten die Ermittler schon vor der Pressekonferenz Eifersucht angegeben. Der Verdächtige habe sich bislang nicht zur Tat geäußert. Laut Iris Janke, der Leiterin der Staatsanwaltschaft, ist von einem "multikausalen Motiv" auszugehen, bei dem äußere Umstände als auch die Psyche des mutmaßlichen Täters eine Rolle spielten. Aus Jugendschutzgründen machte sie keine weiteren Angaben dazu. Der 15-Jährige sei zuvor nie wegen Aggressionsdelikten bei der Polizei in Erscheinung getreten.

Tödliche Schüsse an Schule: Mutmaßlicher Täter in Untersuchungshaft

Der mutmaßliche Täter befindet sich aktuell in Untersuchungshaft in einer Jugendjustizvollzugsanstalt. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, lautet der Tatvorwurf derzeit auf "Totschlag". Sollten die Ermittlungen aber neue Erkenntnisse zu besonderen Mordmotiven bringen, sei auch eine Anklage wegen Mordes möglich.

Für den 15-Jährigen gelte das Jugendstrafrecht, die altersgemäße Reifeentwicklung müsse geprüft werden, so die leitende Staatsanwältin. Es werde ein jugendpsychiatrischer Sachverständiger für ein Gutachten beauftragt. Das Jugendstrafrecht sieht eine Freiheitsstrafe von maximal zehn Jahren vor. Sollten die Behörden dann jedoch vermuten, dass er weiter gefährlich sei, könne er im Anschluss in den Maßregelvollzug überführt werden, sagte sie.

Waffe stammt aus familiärem Umfeld

Die Schusswaffe ist laut Ermittlern eine alte Beretta, die der Jugendliche von Zuhause mitgebracht habe. Aus diesem Grund wurde auch ein Ermittlungsverfahren gegen die Eltern wegen fahrlässiger Tötung und Verletzung der Aufsichtspflicht eingeleitet.

Denn die Eltern verfügen nicht über eine Berechtigung zum Besitz der Waffe, hieß es bei der Pressekonferenz. Wie die Waffe in die Hände der Familie kam, sollen weitere Ermittlungen zeigen. Der Jugendliche habe bei der Tat 50 weitere Patronen bei sich gehabt, so der Leiter des Polizeipräsidiums Offenburg.

Klassenlehrerin kümmerte sich um das Opfer

Die Attacke hat sich am Donnerstag in der 9. Klasse des Tatverdächtigen abgespielt, nachdem dieser am Tag zuvor für den Tattag krankgemeldet worden war, so der leitende Kriminaldirektor Raoul Hackenjos. Zum Zeitpunkt der Tat seien neun Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrerinnen in der Klasse gewesen, vier weitere Schülerinnen und Schüler vor dem Klassenzimmer. Der Jugendliche soll in das Zimmer gekommen sein und seinem Mitschüler unvermittelt und aus nächster Nähe zwei Mal in den Kopf geschossen haben. Anschließend habe er versucht, eine Art Molotow-Cocktail in dem Raum zu zünden. Als er daran scheiterte, verließ er das Klassenzimmer, hieß es weiter.

Während die Schülerinnen und Schüler von der einen Lehrerin im angrenzenden Klassenzimmer eingeschlossen wurden, kümmerte sich die Klassenlehrerin um das Opfer, wie im Rahmen der Pressekonferenz bekannt wurde. Der 15-Jährige soll nach Verlassen des Klassenzimmers noch einen weiteren Schuss auf das Glas der inzwischen verschlossenen Türe des Tatort-Klassenzimmers abgefeuert und dagegen getreten haben, so Hackenjos. Ob weitere Schüsse im Schulhaus gefallen seien, werde derzeit noch ermittelt.

Der Weg durch das Schulhaus

Auf dem Flur sei der 15-Jährige Schülerinnen und Schülern und einer Lehrerin begegnet, der er auf den Kopf geschlagen habe. Sie sei daraufhin in ihr Klassenzimmer zurück gegangen und habe die Tür abgeschlossen. Bei seinem Weg durch das Schulgebäude begegnete der mutmaßliche Täter im Treppenhaus außerdem der Schulleiterin, wie nun bekannt wurde.

Er habe ihr die Flasche mit der brennbaren Flüssigkeit nachgeworfen, wobei diese zerbrach, wie die Ermittelnden im Rahmen der Pressekonferenz ausführten. Anschließend sei der 15-Jährige auf einen Vater getroffen, der wegen eines Termins an der Schule seiner Kinder war.

Unbeteiligter Vater entwaffnete den 15-Jährigen

Der Vater habe den Jugendlichen auf besonders besonnene Art und Weise angesprochen und ihn dadurch dazu gebracht, die Waffe wegzulegen, so der Leiter des Polizeipräsidiums Offenburg, Jürgen Rieger. Anschließend konnte er den Jugendlichen festhalten, bis die Polizei gegen 12:15 Uhr an der Schule eintraf und ihn festnahm.

Rieger sprach sowohl dem eingreifenden Vater als auch der Lehrerin und der Schulleitung ein Lob für ihr Handeln aus. Sie hätten alle Regeln eingehalten. Dennoch könne er nicht die Empfehlung aussprechen, dass jemand eingreifen solle, wenn er mit einem Tatverdächtigen zu tun habe, auch wenn das in diesem Fall zum Erfolg geführt habe.

Der SWR zeigt hier den gesamten Mitschnitt der Pressekonferenz:

Jugendliche werden in wieder geöffneter Schule psychologisch begleitet

Die Waldbachschule war am Montagmorgen erstmals wieder geöffnet. 165 Kinder und Jugendliche konnten die Schule wieder betreten und wurden von Lehrkräften und Schulpsychologen in ihren Klassen betreut. Sie sollen auch in den kommenden Tagen morgens von ihren Lehrerinnen und -lehrern abgeholt und in die Klassenzimmer begleitet werden, wie das Freiburger Regierungspräsidium mitteilte. Die Kinder und Jugendlichen sollen sich dem Schulalltag erst nach und nach wieder nähern.

Die psychologische Aufarbeitung der schrecklichen Ereignisse hat erst begonnen. Sie wird noch lange dauern. Die Schulpsychologinnen und -psychologen sollen zunächst bis einschließlich Freitag an der Schule sein. In Abstimmung mit der Schulleitung, den Lehrkräften und der Schulaufsicht werde dann der weitere Bedarf besprochen.

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