Fassungslosigkeit und Trauer herrschen in Offenburg (Ortenaukreis) am Tag, nachdem ein Schüler offenbar auf einen anderen Schüler geschossen hat, und dieser später im Krankenhaus gestorben ist. Er wurde nach aktuellem Ermittlungsstand von zwei Schüssen getroffen.
Laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur handelt es sich bei der Schusswaffe des mutmaßlichen Täters um eine alte Beretta 765. Es sei noch nicht bekannt, ob die Waffe in rechtmäßigem Besitz war oder ob hier nicht ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vorliegt. Wie die Ermittelnden am Freitag mitteilten, dürfte die Handfeuerwaffe aus dem persönlichem Umfeld des mutmaßlichen Täters stammen. Das gelte auch für die Munition. Offenbar kam der Jugendliche zu Hause an die Waffe.
Am Donnerstag durchsuchten Einsatzkräfte bereits die Wohnung des Festgenommenen und stellten weitere Beweismittel sicher, wie die Polizei mitteilte. Deren Auswertung werde noch einige Zeit dauern. Zudem würden sensibel zu führende Vernehmungen anstehen.
Der mutmaßliche Täter soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur seinem Mitschüler unvermittelt in den Kopf geschossen haben. Als Motiv für die Tat komme Eifersucht in Frage. Außerdem soll er auch einen Molotowcocktail dabeigehabt haben. Die Polizei hat bestätigt, dass sie im Treppenhaus der Schule eine Flasche mit mutmaßlich brennbarer Flüssigkeit gefunden hat. Inwieweit diese Flasche mit dem Tatgeschehen zusammenhängt, sei Gegenstand der weiteren Ermittlungen. Die Polizei hat eine Sonderkommission mit dem Namen "Mühlbach" eingerichtet.
Vater eines anderen Schulkindes entwaffnete mutmaßlichen Schützen
Zum Tatablauf hat die Polizei bisher diese Informationen bekannt gegeben: Nach den Schüssen soll der mutmaßliche Täter auf dem Flur eine Lehrerin auf den Kopf geschlagen und leicht verletzt haben. Der Vater eines unbeteiligten Schulkindes, der sich zufällig im Schulgebäude befand, wurde demnach auf die brisante Situation aufmerksam. Laut Polizei konnte er den bewaffneten Schüler dann dazu bewegen, die Schusswaffe abzulegen. In der Folge hielt er den mutmaßlich aufgebenden Täter fest, bis wenige Minuten später die Polizei eintraf.
Der 15-Jährige, der am Donnerstagmittag in der sonderpädagogischen Schule auf den gleichaltrigen Mitschüler geschossen haben soll, ist in Untersuchungshaft. Ob er noch anderen Jugendlichen hätte gefährlich werden können, ist bislang unklar.
Tatverdächtiger in U-Haft Jugendlicher stirbt nach Schuss an Offenburger Schule
An einer Schule in Offenburg hat ein Jugendlicher auf einen Mitschüler geschossen. Das Opfer erlag seinen schweren Verletzungen. Der tatverdächtige 15-Jährige kam in U-Haft.
Blumen und Kerzen vor der Schule in Offenburg
Einen Tag nach der Tat haben sich rund 200 bis 250 Menschen zu einem stillen Gedenken vor der Schule in Offenburg versammelt. Sie legten Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Zu dem Gedenken an der Schule sei in sozialen Medien aufgerufen worden. Die Stadt kündigte an, dass Sozialarbeiter an Ort und Stelle für Gespräche zur Verfügung stünden.
"Die schreckliche Einzeltat eines Schülers in unserer Schule hat uns heute alle erschrocken und auch betroffen gemacht. Den Angehörigen, Freunden und Klassenkameraden des verstorbenen Mitschülers möchte ich mein ganz tiefes Mitgefühl zum Ausdruck bringen. Persönlich wie aber auch natürlich im Namen der ganzen Stadtgesellschaft", sagte Offenburgs Oberbürgermeister Marco Steffens (CDU).
SWR-Reporterin Nadine Zeller berichtete am Freitagabend aus Offenburg:
Dank an die Einsatz- und Rettungskräfte
"Es ist mir unbegreiflich, auf welche Weise heute ein junges Menschenleben beendet worden ist", sagte Schuldezernent Hans-Peter Kopp. "Von Seiten der Stadt bieten wir jede Hilfe an, die uns möglich ist, um den betroffenen Eltern, ihren Kindern, Lehr- und Erziehungskräften sowie den Psychologinnen und Psychologen, der Polizei und Notfallseelsorgenden der Hilfsorganisationen in den kommenden Tagen zur Seite zu stehen." Der Erste Bürgermeister Oliver Martini (CDU) sprach allen beteiligten Einsatz- und Rettungskräften vor Ort den Dank der Stadt aus: "Nur durch die besonnene und schnelle Arbeit der Einsatzkräfte konnte den Kindern und Lehrkräften schnellstmöglich geholfen werden."
Schulpsychologinnen und -psychologen sind vor Ort
Nach dem tödlichen Schuss in der Offenburger Waldbachschule betreuen Schulpsychologinnen und -psychologen die jungen Leute der umliegenden Bildungseinrichtungen. Sie unterstützten in der Nachsorge beim Umgang mit der Gewalttat, teilte das baden-württembergische Kultusministerium mit. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) sagte: "Unsere Gedanken sind jetzt bei der Familie und den Angehörigen des Opfers." Ein Ereignis wie dieses schlage tiefe Wunden in eine Schulgemeinschaft.
Im Interview erklärt Andreas Rapp, Leiter der Schulpsychologie in BW, was im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern in Offenburg jetzt wichtig ist:
Den Betroffenen möglichst schnell und effektiv helfen
Auch der Opferbeauftragte der Landesregierung, Alexander Schwarz, wird nach eigenen Angaben aktiv werden. Seine Aufgabe sei es nun, die Hilfsangebote für die Betroffenen zu vernetzen. Opfer sollen in solchen Fällen genau eine Ansprechstelle haben und nicht zusätzlich dadurch belastet werden, sich an mehrere unterschiedliche Stellen wenden zu müssen, sagte Schwarz dem SWR. Es werde nun ein Konzept erarbeitet, wie den Betroffenen möglichst schnell und effektiv geholfen werden könne. Dabei gehe es vor allem um die Schülerinnen und Schüler, aber auch Lehrkräfte, die stundenlang in den Klassenzimmern an der Offenburger Schule ausharren mussten.
Am Montag will laut Schwarz eine Koordinierungsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern von Hilfsorganisationen, der Stadt Offenburg, Polizei, Staatsanwaltschaft, der Kultusverwaltung mit ihm die weiteren Schritte beraten. Zusammen mit der Unfallkasse BW werde geklärt, dass Kosten für mögliche Behandlungen wie etwa therapeutische Maßnahmen unbürokratisch von den entsprechenden Stellen übernommen werden. Der Opferbeauftragte Schwarz übt sein Amt seit zweieinhalb Jahren ehrenamtlich aus. Er bezeichnet sich selbst als "Interessenvertreter der Opfer". Opfer seien immer Stellvertreter der Gesellschaft, so Schwarz.
Nimmt die Gewalt an Schulen zu?
Matthias Schneider, Geschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der mit 50.000 Mitgliedern größten Bildungsgewerkschaft in Baden-Württemberg, sieht in der Gewalttat von Offenburg einen "tragischen Einzelfall". Es gebe keine belastbaren Belege dafür, dass Kinder und Jugendliche heute insgesamt gewalttätiger seien, sagt der 58-Jährige.
Laut baden-württembergischem Innenministerium gab es im vergangenen Jahr 4.187 Fälle von Kinder- und Jugendkriminalität an Schulen im Land. Das waren 51,3 Prozent mehr als im Vorjahr, allerdings 9,2 Prozent weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019. Erfasst wurden Vorfälle mit mindestens einem Tatverdächtigen unter 21 Jahren an privaten und öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg. Am häufigsten waren Körperverletzungen.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) will nach dem tödlichen Schuss in Offenburg am kommenden Mittwoch die Mitglieder des Innenausschusses über den Stand der Ermittlungen informieren. Dies teilte der Landtag am Freitag in Stuttgart mit.