In Freiburg leben rund 5.000 Sinti und Roma, viele davon im Stadtteil Weingarten. Wie sieht ihre Lebenssituation aus? Welchen Problemen und Vorurteilen sind sie ausgesetzt? Was muss sich langfristig verbessern? Der Internationale Sinti- und Roma-Tag widmet sich genau diesen Fragen und stellt die Belange der Community in den Vordergrund. Verschiedene Initiativen und Verbände stellten am Montag auf dem Freiburger Rathausplatz ihre Arbeit vor. Musik, Tanz, Vorträge und ein Theaterstück rundeten das Programm ab.
Im Austausch mit Sinti und Roma in Freiburg
Zum Auftakt trafen sich der Erste Bürgermeister der Stadt Freiburg Ulrich von Kirchbach und Vertreter der Anlaufstelle "Pro Sinti und Roma", des Verbands Deutscher Sinti und Roma, des Landesverbands Baden-Württemberg, sowie des Sintivereins Freiburg auf dem Rathausplatz. Daniel Kobi vom Freiburger Sintiverein stellte heraus, dass Diskriminierung von Sinti und Roma immer noch sehr alltäglich sei. Die Gesellschaft lasse Integration gar nicht zu. Tim Müller vom Baden-Württembergischen Landesverband Sinti und Roma (VDSR BW) erinnerte an die drei zentralen Punkte des ersten Internationalen Roma-Kongress von 1971 in London: die Anerkennung des Völkermords, die Diskriminierung von Sinti und Roma, und die Förderung der Sprachen. Diese seien weiterhin Schwerpunkte ihrer Arbeit.
Parallel dazu wurde bei Musik und Tanz im Adolf-Reichwein-Bildungshaus in Weingarten der vorläufige Diskriminierungsbericht 2024 vorgestellt. Sinti und Roma seien immer noch sehr schlecht anerkannt in der Gesellschaft, und gleichzeitig zögen sie sich auf sich selbst zurück, erklärte Tomas Wald vom Roma Büro Freiburg. "Beides muss sich gegenseitig lösen", so Wald. Am Montagabend gab es dann im Kommunalen Kino (Koki) einen Vortrag zum Thema "Sinti, Roma, Antiziganismus in Deutschland - Eine komplexe Realität".
Am Dienstagnachmittag sollte es im Freiburger Stadttheater weitergehen. Die Anlaufstelle "Pro Sinti und Roma" organisiert im Kleinen Haus eine Veranstaltung zur interkulturellen Begegnung. Das Theaterstück "Angst essen Seele auf" von Rainer Werner Fassbinder des TKO Theater Köln steht auf dem Programm, begleitet von Musik- und Tanzeinlagen.
Diskriminierungsbericht 2022: Wohnen ist das größte Problem
Tomas Wald leitet das Roma-Büro in Freiburg. Er hat bereits mehrere Diskriminierungsberichte veröffentlicht - gemeinsam mit dem Sinti-Verein in Freiburg. Im Vorwort des zuletzt geschriebenen Berichts von 2022 heißt es: "Keine andere Gruppe in Deutschland und Europa wird so stark abgelehnt wie die Sinti und Roma, zugleich ist aber keine Diskriminierung so wenig greif- sowie sichtbar und wird so bis heute von großen Teilen der Gesellschaft als das gesellschaftlich Normale angesehen."
Wald, bekannt dafür, dass er mit seiner Kritik nicht hinter dem Berg hält, prangert vor allem das Thema Wohnen an. Es sei das größte Problem in Freiburg und Umland. Sanierungen oder Neubau der Wohnquartiere mit Roma- und Sinti-Bewohnern seien jahrzehntelang in der Dauerwarteschleife. Preisgünstige Wohnungen würden in der Stadt seit Jahrzehnten weniger. Die meisten Beratungen im Roma-Büro drehten sich seit Jahren um Wohnen, Miete und Wohnraumgebühren.
Der Diskriminierungsbericht 2022 umfasst rund 150 Erlebnisse von Menschen aus Freiburg und Umgebung. Es geht nicht nur um erfahrene Diskriminierung beim Thema Wohnen, sondern auch um Ausgrenzung auf der Arbeit oder in der Schule. Die Ausbeutung am Arbeitsplatz habe sich seit Beginn der Pandemie deutlich erhöht, davon seien auch Sinti und Roma betroffen, heißt es in dem Bericht. Außerdem wird die Fremdbezeichnung "Zigeuner" strikt abgelehnt. "Wir wollen das Ende des 'sozialen Tods' der 'Zigeuner' mit ihrer ihnen aufgezwungenen Objektrolle als mehrheitsgesellschaftlicher Mülleimer und Projektionsfläche", lautet die Forderung.
Internationaler Sinti- und Romatag seit 1990
Der Aktionstag findet seit 1990 jährlich am 8. April statt. Dieses Datum erinnert an den ersten Internationalen Roma-Kongress, der am 8. April 1971 in London stattfand. Bei diesem Kongress wurden soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung sowie die Bewahrung der Kultur und Sprache der Roma gefordert. An dem Kongress nahmen 23 Vertreterinnen und Vertreter aus neun verschiedenen Ländern teil. Die Veranstaltung markierte einen Wendepunkt für die Roma-Gemeinschaft, da sie ein neues Selbstbewusstsein entwickelte.