Mit Opa oder Papa angeln gehen - der eine oder andere kennt das sicherlich aus seiner Kindheit. Aber immer nur daneben sitzen, ist auf Dauer langweilig. Lieber selbst die Angel in die Hand nehmen, einen Köder befestigen oder einen Kescher ins Wasser halten. Bisher war das in Baden-Württemberg erst ab zehn Jahren erlaubt. Ab sofort gibt es den sogenannten Jugendfischereischein aber schon mit sieben Jahren. Darüber freuen sich vor allem Vereine mit einer engagierten Jugendarbeit, wie der Fischereiverein March-Neuershausen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald).
Glücksgefühle nach dem Angeln: Luca fängt seinen ersten Karpfen
Mitten in den Feldern in der March nahe Freiburg liegt der Weiher des Fischereivereins March-Neuershausen, umgeben von Bäumen und einem Naherholungsgebiet. Unweit vom Wasser hat sich die Anglerjugend um einen steinernen Tisch versammelt. Alle schauen gebannt auf einen Fisch mit seinen grün-glänzenden Schuppen. Es ist ein neun Pfund schwerer Karpfen - frisch gefischt und gerade ausgenommen. "Das ist der Schlund, da ist das Herz und da die Milz", erklärt Jugendwart Ottmar Scherer und zeigt auf die Innereien des Fischs.
Jetzt muss der Karpfen noch gewaschen werden. Das übernimmt der stolze Junior-Fischer Luca. Er ist erst vor kurzem zehn Jahre alt geworden, geht aber schon regelmäßig mit seinem Vater angeln. Der hat ihm vorher auch geholfen, den Karpfen zu fangen: "Papa hat mir die Rute ausgeworfen, dann haben wir an dem Platz gewartet und als es angefangen hat zu piepen, hatte ich den Karpfen", sagt Luca. Denn an der Angel ist eine Art Bewegungssensor montiert, der piept, sobald ein Fisch an der Angel zieht.
Neues Gesetz ermöglicht früher im Verein aktiv zu werden
"Wir gönnen Luca den Fisch, da hat er lange darauf hin gewartet", sagt Max. Er ist 14 Jahre alt und in derselben Jugendgruppe wie Luca. Dass Kinder ab sieben Jahren ab sofort einen Jugendfischereischein beantragen können, findet er gut. Denn er hätte auch gerne früher mitgeangelt.
Neben Max steht der 16-jährige Nils, der gerade seinen nächsten Köder vorbereitet. Als kleines Kind ist Nils oft mit seinem Opa angeln gegangen, aber das meiste hat er im Fischereiverein gelernt: "Wenn man halt keine Großeltern oder Eltern hat, die einem etwas erklären können, dann braucht man einen Verein mit einem Jugendwart, der das kann." Im Fischereiverein March-Neuerhausen ist Ottmar Scherer für die Jugend verantwortlich.
Fischereiverein March-Neuershausen hat extra Angebote für Jugend
Scherer organisiert als Jugendwart mehrmals im Monat Aktionen, bei denen meistens um die 15 Jugendlichen zusammenkommen. Wer nicht die richtigen Angelsachen hat, bekommt sie geliehen. Zum Programm gehört nicht nur das richtige Auswerfen der Angel, sondern auch der Gewässerputz im Frühjahr. Dabei werden die hohen Flusshosen angezogen und die umliegenden Gewässer von Müll befreit.
Im Sommer kümmern sich die Jungangler dann um die Fische der benachbarten Dreisam, wenn der Fluss nicht genügend Wasser führt. Im Winter wird das Lager ausgeräumt oder gelernt, wann welcher Fisch seine Schonzeit hat. Nils, Max und Luca sind so oft dabei, wie es Schule und Zeit zulassen.
Unter Zehnjährige durften bisher vor allem beim Casting-Sport mitmachen: Dabei geht es um eine präzise Wurftechnik. Mit einem Köderimitat muss ein Ziel getroffen werden. Das funktioniert auch gut in der Turnhalle oder an Land. Mit dem neuen Gesetz "wird jetzt hoffentlich alles etwas geschmeidiger sein", sagt Scherer. Jetzt dürfen die Kinder ab sieben Jahren keschern, die Angel in die Hand nehmen oder den Fisch ausnehmen. Allerdings nur, wenn ein erfahrener Angler mit Schein und über 18 Jahren dabei ist.
Langfristig rechnet Ottmar Scherer mit mehr Anglernachwuchs. Sein Agrument: Die Kinder dürfen jetzt schon früher mehr machen. Eine Motivation nicht zu einem anderen Verein zu wechseln.
PETA Deutschland war gegen neues Landesgesetz
Die Tierschutzorganisation PETA forderte hingegen die Abschaffung des Jugendfischereischeins. Kinder sollten vor Gewalt gegen Tiere geschützt werden. So seien Grundschulkinder nicht ausreichend in der Lage, Fische beim Angeln vor vermeidbaren Schmerzen zu schützen. Zum anderen stehe für die Kinder der Freizeitspaß und nicht der Nahrungsgewinn im Vordergrund, was tierschutzwidrig sei, argumentiert PETA.
Für den Landesfischereiverband Baden-Württemberg ist die neue Regelung ein wichtiger Schritt, um Kinder möglichst früh von der Fischerei und den Vorgängen im und am Wasser zu überzeugen. Der Jugendfischereischein sorge für ein langsames heranführen unter Aufsicht eines erwachsenen Anglers, betont der Verband. So beinhalte die Angelfischerei persönlichkeitsfördernde Merkmale, wie Ausdauer, Durchhaltevermögen und Konzentration.
"Jungs, passt ihr auch auf?" ruft Ottmar Scherer grinsend zu Max und Nils. Auch wenn die beiden schon etwas länger ihren Angelschein haben, können sie von ihrem Jugendwart noch viel lernen. Der Angelschein sei nur die Basis, sagen die zwei Jugendlichen. Den Rest lernen sie hier im Fischereiverein. Ein weiterer Grund für die beiden, früh mit dem Angeln anzufangen.
Und wie geht es mit dem Karpfen von Luca weiter? Der ist mittlerweile eingepackt. Ob er zu Hause filetiert oder geräuchert wird, darüber sind sich Luca und sein Vater aber noch nicht einig. Beim nächsten Mal wird auf jeden Fall sein kleiner Bruder mit dabei sein. Der ist sieben Jahre alt und kann laut Luca den Köder an der Angel "schon richtig schön geradeaus werfen."