Eigentlich, ja eigentlich geht es dem Gaybach und den Tieren darin ganz gut: Das Wasser ist klar, kann in seinem natürlichen Bachbett mäandern, Forellen und Kleintiere schwimmen darin. Sie bekommen aber regelmäßig Gesellschaft: "Wir haben hier schon Gartenhäuser gefunden, komplette Wohnwagen, Gartenmöbel, Staubsauger, Brotmaschinen, alles", sagt Ex-Fischereipächter Joachim Colles.
An einer Stelle unweit von Wallendorf in der Südeifel, an der zwei Straßen neben dem Gaybach aufeinander treffen, zeigt er weiteren Müll, auf den er gerade gestoßen ist: "Da liegen wieder drei Altreifen, die einfach so in den Hang geschmissen wurden." Die Stelle sei beliebt für illegalen Müll, weil man nachts vorbeifahren und schnell den Autoanhänger leer machen könne.
Fischereipacht aufgegeben
Joachim Colles wohnt in Wallendorf und war zwölf Jahre lang Fischereipächter an acht Kilometern des Gaybachs, bis er im vergangenen Jahr keine Lust mehr hatte und sich eine neue Pacht suchte. In seiner Zeit als Pächter, erzählt er, hat er immer wieder zusammen mit seinen Kindern und Freunden die Reifen am Bach weggeschafft.
"Aber vor vier Jahren hab ich den Kopf in den Sand gesteckt und hatte keine Lust mehr. Innerhalb von einem Tag war die Arbeit wieder zunichte." Colles hat den Müll selbst entsorgt und dafür zehn Euro pro Reifen bezahlt, sagt er. "Denn ich will da angeln gehen, wo kein Müll liegt."
Die Kreisverwaltung im Eifelkreis Bitburg-Prüm als Untere Wasserbehörde und die SGD Nord als Obere Wasserbehörde weisen darauf hin, dass man solchen Müll dem Abfallzweckverband ART melden müsse, damit er entsorgt wird. Offenbar macht das aber niemand, beiden seien solche Meldungen nicht bekannt.
Trotzdem liegen heute um die 20 Reifen an mehreren Stellen am Gaybach. "Die Autoreifen kommen von den Bauern. Wenn die ihre Silagen aufdecken, legen sie die Reifen ans Wasser und das Wasser entsorgt sie dann für sie. Das ist eine katastrophale Situation", sagt der ehemalige Fischereipächter Colles.
Dass die Reifen bei den Landwirten nah am Wasser liegen, habe er schon mehrfach beobachtet. Auch Mist und Silage habe er schon im Wasser gefunden. Nach einer Anzeige hat der Bauer seinen Müll wieder rausholen müssen, berichtet Colles: "Eigentlich sollte die Landwirtschaft die Natur schützen, aber ich kann es leider nicht erkennen."
Ökologisch und chemisch geht es dem Gaybach gut
Die Bäche in der Eifel sind Colles wichtig: "Ich bin schon als Zehnjähriger mit meinem Opa an der Prüm Angeln gewesen." Als Fischereipächter geht es ihm auch um den Umweltschutz. Er sorgt für neuen Fischbesatz und angelt waidgerecht, wirft zu kleine Forellen also wieder ins Wasser. "Umwelt ist mir seit der Kindheit wichtig. Ich finde es schlimm, wie wir unsere schöne Eifel versauen."
Denn der Müll ist natürlich menschengemacht, sagt Colles, während er in Gummistiefeln durch den Gaybach watet: "Abgesehen vom Müll sieht der Bach grundsätzlich ganz gut aus. Ich schau immer unter den Steinen, ob da Leben ist. Das da ist ein Pferdeegel." Colles findet auch Köcherfliegenlarven und kleine Krebstiere - ein Zeichen dafür, dass es dem Gaybach gut geht.
Das haben auch Untersuchungen des Landesamtes für Umwelt ergeben: Demnach sind Messungen des ökologischen und chemischen Zustands am Unteren und Oberen Gaybach 2009, 2015 und 2021 jeweils gut ausgefallen. Ein Sprecher des Landesamtes sagte dem SWR aber, dass dies natürlich langfristige Betrachtungen sind, um der EU-Wasserrahmenrichtlinie zu entsprechen.
Kurzfristige lokale Ereignisse - wie Müll - könnten in den Messungen nicht berücksichtigt werden. Und: "Müll muss natürlich beseitigt werden. Ist er aber nicht wassergefährdend, zeigt er sich auch nicht unbedingt in den Messwerten, so wie eingeleitetes Öl es beispielsweise tun würde."
Landwirtschaft und Klimawandel wirken sich aus
Auch der Klimawandel tut sein Übriges, sagt Angler Colles. Bis vor zehn Jahren habe es am Gaybach und den anderen Bächen der Eifel keine Sommerhochwasser gegeben: "Durch Hochwasser wird der Bach jedes Jahr neu geformt und schwemmt natürlich auch Massen an Schlamm und Unrat an." In den zwölf Jahren seiner Pacht habe Colles jedes Jahr um die 250 Kilogramm Müll aus dem Gaybach gefischt.
Andere Stellen des Gaybachs sind hingegen sehr naturbelassen und hätten sich seit Jahrzehnten nicht verändert. Schlecht für den Angler, gut für das Gewässer: "Rechts und links ist der Bach fast komplett mit Bäumen zugewachsen. Alle zwei Meter muss man über oder unter einem Baum durchklettern." Der Bach verläuft hier in seinem natürlichen Bett.
An solchen Stellen, so das Landesamt für Umwelt, geht es Bächen am besten. Sie können durch den schattigen Wald fließen und erhitzen so im Sommer nicht. Sie sind nicht begradigt, Fische und andere Tiere können darin gut leben. Deshalb, so der Sprecher es Landesamtes, sei ein Bach auch nie von der Quelle bis zur Mündung in gleichem Zustand. Neben Äckern oder bebauten Gebieten seien sie der Sonne ausgesetzt oder oft begradigt und deshalb an diesen Stellen vielleicht nur in einem mäßigen Zustand.
Das sieht auch Joachim Colles so. Kleine Regenereignisse zum Beispiel, würden sich in der Eifel mittlerweile stark auswirken: "Die Bauern haben Monokulturen. Wo Mais angepflanzt wird, hält der Boden das Wasser nicht. Der Dreck wird in die Bäche geschwemmt." Äschen seien fast ausgestorben, weil sie sauberes Wasser und Boden aus Kies brauchen.
Bachbett durch Kettenfahrzeug zerstört
Und er berichtet von einem weiteren Vorfall: 2020, als Colles den Gaybach noch gepachtet hatte, sei der dortige Waldbesitzer mit einem Kettenfahrzeug durch das gesamte Bachbett gefahren, um Bäume zu entfernen. Colles erstattete Anzeige bei der Polizei. Was genau daraus geworden ist, weiß er nicht. Er ist sich aber sicher, dass es für die Ordnungswidrigkeit eine Geldstrafe gab.
"Ich war da sehr deprimiert." Die SGD Nord habe ihm damals einen neuen Fischbesatz versprochen. Trotz mehrfacher Mails habe er dann aber keine Rückmeldung mehr bekommen.
Die SGD Nord schreibt dem SWR dazu: "In Rücksprache mit den Experten der Wasserwirtschaft und dem Fischerei-Experten der SGD Nord kann bestätigt werden, dass die SGD Nord an Terminen mit der Unteren Wasserbehörde (Kreisverwaltung) hinzugebeten wurde und beratend und unterstützend tätig war."
Die Kreisverwaltung Bitburg-Prüm sei die zuständige Stelle für konkretere Fragen in dieser Angelegenheit. Die teilt dem SWR nur mit, damals sei ein wasserrechtliches Verfahren gelaufen, weil die Rodungen mit Eingriffen in den Bach nicht genehmigt waren.
Zum Fischbesatz wisse man nichts, nach der Flut 2021 existiere der Zustand der Gewässer in der Eifel von 2020 aber schlicht nicht mehr. Der ehemalige Fischereipächter Joachim Colles will weiter auf die Probleme aufmerksam machen und hat sich deshalb bei der ARD-Mitmachaktion #unsereFlüsse gemeldet.
Jeder kann dort mitmachen und seine Beobachtungen zu den Bächen in seiner Nähe in einem Fragebogen mitteilen. So sollen auch Werte zu den kleineren Bächen und Flüssen in Deutschland, die nicht so oft wie die großen Gewässer beprobt werden, gesammelt werden. Bei der Aktion wurden 30 Gewässer in ganz Deutschland von Wissenschaftlerinnen der Universität Duisburg-Essen untersucht, darunter auch der Gaybach. Die Ergebnisse stehen noch aus.
An der Nims ist die Welt noch in Ordnung
Joachim Colles hat dem Gaybach mittlerweile den Rücken gekehrt. Seine neue Pacht zusammen mit zwei Freunden hat er seit diesem Jahr an der Nims bei Seffern. Eine halbe Stunde fährt er in etwa von Wallendorf dorthin.
Und zwar gerne: "Hier ist die Welt in Ordnung. Ich hebe auch hier schon seit drei Jahren Müll auf und habe in der Zeit nicht ein Drittel von dem gefunden, was ich sonst in einem Jahr in der Gaybach gefunden habe."
Was er hingegen nach wenigen Minuten mit seiner Angel fängt: eine kleine Forelle. Sie wird wieder in die Freiheit entlassen und darf weiter durch das klare Wasser der Nims schwimmen.
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