Die Kühe werden im Stall durch die Eisenstangen zum Melken fixiert

Tierhaltung soll artgerechter werden

"Dann ist hier fertig!" - Landwirte gegen Verbot der Anbindehaltung

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Thomas Hermanns

Die EU und die Bundesregierung wollen die Anbindehaltung von Kühen beenden. Ein Verbot würde vor allem kleinere Betriebe im Land treffen. Die sorgen sich um ihre Zukunft.

Von wegen grasende Kühe auf saftig grünen Bergwiesen im Sonnenschein - so sieht Milchviehhaltung vielleicht in der Werbung aus, aber nicht in der Realität. Die meisten Kühe stehen im Stall. 44 Prozent der Landwirte in Baden-Württemberg binden sie an, teilweise ganzjährig. Das soll sich aus Tierschutzgründen ändern. Aber das stellt insbesondere kleinere Betriebe in Südbaden vor große Herausforderungen.

Die Betriebe im Südschwarzwald arbeiten meistens mit einer Kombination aus Weide- und Anbindehaltung: Zum Melken und im Winter würden die Tiere drinnen angebunden; solange es gehe, seien die Kühe draußen auf der Weide, sagt Padraig Elsner vom Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband. Er befürchtet, dass viele Betriebe ihren Hof schlagartig aufgeben müssten, wenn die Bundesregierung ihr geplantes Verbot der Anbindehaltung ohne ausreichende Fristen und Ausnahmen durchzieht.

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Landwirt Simon Zimmermann betreibt im Münstertal einen kleinen Biohof im Nebenerwerb. Mit seinen elf Kühen hat er als Kleinbetrieb für seinen Anbindestall eine Ausnahmegenehmigung, auch weil die Tiere im Winter nicht dauerhaft angebunden sind, sondern mehrmals pro Woche nach draußen können. Ein neuer Stall wäre eine riesige Investition für einen relativ kleinen Baustein im Betrieb, bemängelt er. Etwa 20.000 Euro pro Kuh würde ihn ein neuer Stall kosten - bei volatilen Milchpreisen für ihn zurzeit nicht tragbar. Wenn die Molkerei seine Milch aus Anbindehaltung nicht mehr nähme, wäre für ihn Schluss, sagt er.

Wenn es heißt, die Molkerei nimmt keine Anbindehaltungsmilch mehr, dann ist für mich hier morgen fertig, weil ich kein anderes System habe. Ich habe zwar die Weide, aber die interessiert in Deutschland niemand.

Tierschutzbund: Angebundene Tiere massiv im natürlichen Verhalten eingeschränkt

Frigga Wirths vom Deutschen Tierschutzbund hingegen hält diese Einwände für reine Zeitverzögerung in einer Debatte, die schon zu lange dauere. Die Landwirtschaftsexpertin fordert ein sofortiges Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung. Die saisonale Anbindehaltung mit viel Auslauf könne man mit einer Übergangsfrist vielleicht noch akzeptieren, aber langfristig müsse auch das beendet werden. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass das Wohlergehen von Kühen, die dauerhaft in Ställen angebunden sind, beeinträchtigt ist, resümierte auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in einem Gutachten für die EU-Kommission Anfang des Jahres. Noch im Herbst will die Kommission Vorschläge zu einer Novellierung der EU-Tierschutzgesetze präsentieren.

Anbindehaltung auch ohne Gesetzesänderung ein Auslaufmodell

Der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband ist gegen Verbote. Bereits heute würden keine neuen Anbindeställe mehr gebaut, jeder neue Stall sei bereits ein moderner Laufstall, so Sprecher Padraig Elsner. Den Abwärtstrend der Anbindehaltung bestätigt auch die Landwirtschaftszählung. 2010 waren noch 37 Prozent der Kühe angebunden, 2020 sank der Anteil auf 17 Prozent. In ganz Deutschland standen 2010 etwa 3 Millionen Rinder in Anbindeställen, 2020 waren es nur noch 1,15 Millionen.

Landwirtschaftsminister Hauk gegen Verbot von Anbindehaltung

Ein Verbot der Anbindehaltung sei übertrieben, findet auch Peter Hauk von der CDU. Der Minister für ländlichen Raum hält die Tierschutzpläne der Bundesregierung für ideologisch motiviert. Für ihn ist der Schutz der Milchbetriebe auch wichtig für den Klimaschutz und die Grünlanderhaltung. Dem Tierwohl sei nicht geholfen, wenn kleine Landwirte mit Anbindestall und persönlicher Bindung zu den Tieren aufgäben und es immer mehr große Betriebe mit hunderten Kühen im Laufstall gebe. Neue Gesetzespläne zum Tierschutz werden im Laufe des Jahres erwartet.

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