Die Zahl der Photovoltaikanlagen auf Hausdächern hat deutlich zugenommen. Um die Klimaziele zu erreichen, muss sich ihre Zahl in den nächsten Jahren trotzdem noch vervielfachen. Bei Neubauten ist der Photovoltaikanschluss deshalb bereits Pflicht. Doch nicht überall können Hausbesitzer dieser Pflicht nachkommen, denn die Energiewende bringt die Netze an eine Belastungsgrenze. In Klettgau am Hochrhein (Kreis Waldshut) hat ein Netzbetreiber die Reißleine gezogen. Er lässt in immer mehr Wohngebieten keine Photovoltaikanlagen mehr zu. Das Kuriose daran: Anlagen dürfen selbst dann nicht angeschlossen werden, wenn gar kein Strom ins Netz fließen soll.
"Rote Liste" mit abgelehnten Gebieten
Die "rote Liste" nennen die Klettgauer die Gebiete, in denen Photovoltaikanlagen derzeit nicht mehr automatisch genehmigt werden. Netzbetreiber in diesem Gebiet ist seit 2015 die EVKR, die Energieversorgung Klettgau-Rheintal, die rund 11.000 Kundinnen und Kunden mit Strom versorgt. Zur Überraschung dieser lehnt die EVKR seit kurzem den Anschluss von Photovoltaik in einigen Gebieten ab.
Netzengpässe verhindern neue Anschlüsse
Die EVKR hat auf ihrer Homepage eine Liste mit Straßenzügen veröffentlicht, in denen "mit großer Wahrscheinlichkeit keine weiteren neuen Photovoltaik-Anlagen" angeschlossen werden können. Grund sind Engpässe im Netz, die die Netzbetreiber vor zunehmende Probleme stellen. Die EVKR investiert zwar in ihre Netze, in Leitungen und Trafo-Stationen, aber der Netzausbau kommt nicht schnell genug voran, um den Bedarf zu decken und die Engpässe auszugleichen.
Solaranlagen bleiben ungenutzt
Auch Ute Mülhaupt wollte auf ihrer Garage ein Photovoltaik-Anlage installieren, um ihr neues E-Auto zu Hause zu betanken. Der Anschluss der Photovoltaikanlage auf ihrem Garagendach wurde jedoch nicht genehmigt. Wann dies möglich wird, kann ihr derzeit keiner beantworten. Ihr Solarmodul bleibt ungenutzt im Lager des Solarinstallateurs liegen.
Netzausbau hinkt der Entwicklung hinterher
In einem anderen Fall hatte Elektromeister und Solarinstallateur Stefan Drayer die Solaranlage auf einem Haus bereits installiert. Die Hausbesitzer wollten mit dem Strom vom Hausdach ihre Wärmepumpe betreiben, aber ein Anschluss ans Stromnetz wurde von der EVKR mit Verweis auf die Engpässe abgelehnt.
Dass es beim Anschluss von großen Solarparks und Windkraftanlagen ans bestehende Netz zu Verzögerungen kommt, sei bekannt, schreibt das baden-württembergische Umweltministerium in Stuttgart auf SWR-Anfrage. Doch dass "ein Verteilnetzbetreiber aufgrund von Engpässen auf absehbare Zeit keine PV-Anlagen anschließen kann, ist dem Umweltministerium bisher nicht bekannt", meldet das Ministerium im Oktober.
Nulleinspeisung als Lösung?
Eine Lösung könnten aus Sicht von Elektromeister Stefan Drayer neue Technologien wie die "Nulleinspeisung" sein. Dabei wird durch intelligente Steuerungsmodule dafür gesorgt, dass Solarstrom nicht ins Netz eingespeist, sondern für den Eigenverbrauch genutzt wird. Drayer hat in seiner Werkstatt entsprechende Anlagen getestet und wollte diese auch bei seinen Kunden einbauen. Aber auch das lehnt die EVKR ab. Sie begründet dies mit Unsicherheiten und einer fehlenden Kontrolle der Anlagen. Als Netzbetreiber ist sie für die Sicherung der Stromversorgung in ihrem Versorgungsgebiet gesetzlich verantwortlich, wie Andreas Linger, Geschäftsführer von der EVKR, sagt.
Nicht alle Netzbetreiber teilen diese Skepsis. Laut Umweltministerium wird die Nulleinspeisung vereinzelt bereits angewandt. Auf Anfrage des SWR schreibt das Ministerium, dass es dafür auch technische Grundlagen gebe und das Ministerium zusammen mit Branchenvertretern eine Erklärung unterzeichnet habe, welche explizit auf die Möglichkeit der reduzierten Einspeiseleistung bei Netzengpässen abziele. Bisher sind die Netzbetreiber aber nicht dazu verpflichtet, die Nulleinspeisung zu ermöglichen. Demnach könnten eine Menge Photovoltaikanlagen im Klettgau bis zur Genehmigung ungenutzt bleiben.