Hi, ich bin Kerstin Rudat und arbeite im Studio Stuttgart. Welche Themen haben diese Woche in der Region Stuttgart für die meisten Diskussionen gesorgt? Darauf will ich gemeinsam mit euch noch mal genauer blicken. Und zwar hat mich und euch beschäftigt:
- Es gibt (zukünftig) keine Klima-Proteste mehr
- Es gibt keine Mercedes-Benz Arena mehr
- Es gibt keine verlässlichen Stadtbahnen mehr
Der Rettungsdienst ist nach wie vor oft zu langsam
Die Stadt Stuttgart hat in dieser Woche tief in die Kiste des Ordnungsrechts gegriffen, um Straßenblockaden bei Klimaprotest-Aktionen zu unterbinden. Dazu wurde eine Allgemeinverfügung erlassen, die am Samstag (8. Juli) in Kraft treten soll. Zuvor war kontrovers über einen blockierten Rettungseinsatz am vergangenen Samstag während der Blockaden der "Letzten Generation" auf neun Straßen in Stuttgart diskutiert worden. Glücklicherweise konnte die Hilfsfrist trotzdem eingehalten werden, und kein Menschenleben wurde gefährdet.
Allerdings gibt es mit der Einhaltung der gesetzlichen Frist, wann der Rettungsdienst am Einsatzort eintreffen muss, in Baden-Württemberg ohnehin Probleme. Ein Datenprojekt des SWR hatte schon 2019 ergeben, dass viele Orte in Baden-Württemberg (und Rheinland-Pfalz) im Falle eines Notfalls oft nicht gut versorgt sind. Im Klartext: der Rettungsdienst oft zu lange braucht.
Seitdem wird nicht nur im Landtag diskutiert und gerichtlich gestritten. Das Land Baden-Württemberg hatte 2022 die gesetzliche Frist auf zwölf Minuten ausgeweitet. Dagegen hatte eine Gruppe von Notärzten und Kommunalpolitikern aus Mannheim im Oktober eine Normenkontrollklage beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg eingereicht. Tatsächlich wurde die Landes-Regelung im Mai vom Gericht kassiert, die zwölf Minuten Hilfsfrist mussten zurückgenommen werden. Einer der klagenden Ärzte war Dr. Benjamin Conzen aus Friedrichshafen. Er kämpft weiterhin für die Verbesserung des Notdienstes. Es gehe schließlich um die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Der Gesetzgeber könne nicht einfach die Frist ändern, weil sie ohnehin praktisch kaum eingehalten werden kann, kritisierte Conzen kürzlich in der Sendung "SWR1 Leute":
Notarzt Dr. Benjamin Conzen | 16.6.2023 So schnell sollte der Rettungswagen bei einem Notfall vor Ort sein
Im Notfall rettet Zeit Leben. Notarzt Benjamin Conzen aus Friedrichshafen über die sog. Hilfsfrist und wie schnell Notarzt und Rettungswagen vor Ort sein sollten.
Die fünf Notärzte wollten mit ihrer Klage aber auch klären lassen, ob der Rettungsdienst rechtswidrig organisiert ist. Dieser Teil der Klage wurde aber vom VGH abgewiesen. Der Gesetzgeber käme mit der jetzigen Organisation seiner Schutzpflicht nach. Derweil wird die schwierige Situation im Rettungswesen von ganz anderen Realitäten eingeholt. Deswegen wird - Klima-Proteste hin oder her - die Diskussion sowieso nicht abreißen: Immer weniger Menschen wollen unter den wachsenden Belastungen bei schlechter Bezahlung im Gesundheitswesen arbeiten. Also auch viele Rettungssanitäterinnen und -sanitäter schmeißen hin oder wollen diese Ausbildung gar nicht mehr machen. Ist das dann nicht auch eine gesellschaftliche Katastrophe?
Über die Blockade eines Rettungswagens und weitere Schritte hat SWR4 am 04.07.2023 und am 06.07.2023 berichtet.
Neckarstadion for ever
Jetzt ist es vorbei: keine Mercedes-Benz Arena mehr. Das Stadion des VfB Stuttgart heißt seit dieser Woche offiziell "MHP Arena". Und ist damit in guter Gesellschaft, denn bis auf eines tragen alle Stadien der Bundesligisten Firmen-Namen:
Das hat für wahnsinnig viel Wirbel gesorgt. Und Spott und Häme in den sozialen Medien:
"Mercedes-Benz Arena" fanden ja auch viele schon nicht sooo gut. Da sind alte Diskussionen und Wünsche neu aufgeflammt: Fans starteten direkt eine Online-Petition, das Stadion nicht "MHP Arena" zu nennen, da Verwechslungsgefahr mit gleichnamiger Basketball-Spielstätte in Ludwigsburg, sondern "MHP Neckarstadion". Weil die Petition aber gegen die Regeln von Anbieter Open Petition verstoßen habe, wurde sie gesperrt.
Aber Umbenennungen sind eh relativ. Es gibt nämlich auch kurzfristige. Je nach Wettbewerb. Nächstes Jahr um diese Zeit etwa wird die "MHP Arena" zur "Stuttgart Arena". Warum? Weil zur EM nur werbefreie Namen erlaubt sind. Da sieht man dann erst richtig, wie weit der Kommerz reicht: Von zehn Spielstätten können nur zwei ihren "richtigen" Namen behalten. Wo es geht, wird sogar eingeenglischt. States of stadiums. Nach dem Zweiten Weltkrieg unter amerikanischer Besatzung war unser Stadion übrigens auch mal kurz denglisch: "Century Stadion".
Und seien wir doch mal ehrlich, niemand spricht diese vollen langen Namen oder die Wettbewerbs-Namen aus. Umgangssprachlich unter Fans bleiben die "alten", werbefreien Namen doch sowieso. In Gelsenkirchen geht man nicht nur zu UEFA-Wettbewerben, sondern immer "auf Schalke", egal, welcher Getränke-Hersteller die Namensrechte hat.
In Bremen spricht jeder vom "Weserstadion", egal, ob ein Fellbacher Unternehmen sich da vorübergehend eingekauft hat. In Darmstadt ist und bleibt das Stadion "das Bölle", egal, ob als Zusatz der Name eines großen Pharmakonzerns dabeisteht. In Nürnberg hat das Max-Morlock-Stadion immerhin seit 2017 kein Unternehmen mehr im Namen. Aber unter Fans ist es eigentlich immer noch hauptsächlich "das Frankenstadion". Und so bleibt das Stadion in Stuttgart unter uns doch eh "das Neckarstadion", oder? Damit kam der Stein doch ins Rollen.
Über die Stadion-Umbenennung und den Einstieg von Porsche beim VfB hat SWR1 BW am 01.07.2023 berichtet.
Vergangene Woche wollten wir schon im Voting von euch wissen, wie ihr den neuen Stadion-Namen "MHP Arena" findet. Die meisten stimmten für "Ein ganz anderer Name wäre besser gewesen." (48,1 Prozent). Tja.
Wie wird Stadtbahn-Fahren besser? Und wann?
Wir bleiben mal in Nürnberg. Nein, nicht im Stadion, ist ja wegen des Liga-Unterschieds zum "Glubb" schwer möglich – Gott sei Dank hat der VfB in der Relegation noch mal die Kurve gekratzt. Aber mit Blick darauf, was in "Nemberch" besser läuft als bei uns. In der fränkischen Metropole gibt es nämlich bislang einzigartig in Deutschland fahrerlose U-Bahnen, zwei von drei Linien. Und das schon seit mehr als zehn Jahren. Vielleicht will sich Stuttgart das mal ansehen, um Lösungsansätze für das heimische Stadtbahn-Chaos zu finden. Damit sich in Zukunft niemand mehr ärgern müsste.
Autonom fahrende U-Bahnen sind gar keine futuristische, exotische Vision mehr, sondern bereits in vielen Städten weltweit seit 40 Jahren Realität. Mehr als 60 vollautomatische U-Bahn-Systeme gibt es, allein in Europa 16. Italien und Frankreich sind dabei führend; im französischen Lille gab es 1983 die weltweit erste autonom fahrende U-Bahn.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Fahrgäste werden sicher, zuverlässig und pünktlich transportiert. Zug-Längen können besser reguliert werden. Die Taktung kann erhöht werden, damit reduzieren sich die Wartezeiten. Und der Energieverbrauch wird reduziert, weil optimale Abbrems- und Beschleunigungszeiten berechnet werden können. Auch Akzeptanz-Probleme gibt es keine. Sagt jedenfalls die Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg. Und der Computer fahre insgesamt betrachtet sogar besser als jeder Mensch. Der damalige Projektleiter ist immer noch stolz drauf:
Ist KI also die Lösung für unseren Nahverkehr? Jein, denn das muss ja alles auch bezahlt werden. Dann können wir nicht mehr über ein 365-Euro-Jahresticket im Nahverkehr sprechen. Allerdings: Da ja gerade für den Fernverkehr bei uns das "European Train Control System" (ETCS) ausgebaut wird, verfügt die Region zukünftig zumindest schon mal hier über die nötige Infrastruktur für Schienen-Systeme an der Oberfläche, meint das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme. Und da ja unsere Stadtbahn auch hauptsächlich oberirdisch fährt…
Die Abstimmung ist bereits beendet.
Hinweis: Das Abstimmungsergebnis zeigt ein Meinungsbild unserer Nutzer*innen und ist nicht repräsentativ.
Über die neuen reduzierten Fahrpläne der SSB berichtete SWR4 am 04.07.2023.
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