Hi, ich bin Maxim Flößer, Redakteur im Studio Stuttgart. Was ist diese Woche um uns herum passiert, was hat uns berührt und welche Antworten können wir auf quälende Fragen geben? Darauf will ich mit euch gemeinsam schauen. Hier, im Wochenrückblick für die Region Stuttgart.
- Kurz nach Schulstart: Tragischer Schwimmbad-Unfall in Korntal-Münchingen
- Haben Kinder keine Lust auf Schwimmen?
- Weniger Geld für Bäder, Personal, Unterricht
- Voting: Im Schwimmbad für das Leben lernen
- Das hat uns außerdem diese Woche beschäftigt
Kurz nach Schulstart: Tragischer Schwimmbad-Unfall in Korntal-Münchingen
Ich sage es ganz ehrlich: Eigentlich würde ich diese Woche gerne mit einem leichteren Thema beenden. Mit dem Sieg des VfB Stuttgarts gegen Borussia Dortmund zum Beispiel. Oder mit dem Interview der zwei "Eiskönigin"-Darstellerinnen. Aber manchmal verdienen Geschichten einen Rückblick, egal wie fürchterlich sie sind.
So wie diese: Am Montag wurde bekannt, dass vergangenen Donnerstag in Korntal-Münchingen im Landkreis Ludwigsburg ein Kind beim Schwimmen verunglückt ist. Laut Polizei und Staatsanwaltschaft war der Junge mit Kindern und anderen Aufsichtspersonen im Schwimmbad, bis er auf einmal regungslos im Wasser gefunden wurde. Direkt wurden Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet, Rettungskräfte haben den Sechsjährigen sofort ins Krankenhaus gebracht. Doch dort konnte man ihn nicht mehr retten.
Die weiteren Details hat meine Kollegin Verena Neuhausen hier zusammengefasst:
Ein dramatisches Schicksal, das nicht nur die Redaktion des Studio Stuttgarts bewegt hat, sondern auch viele Leserinnen und Leser. Rund 50.000 Mal wurde der dazugehörige Artikel bis jetzt geklickt und gelesen. Leider passieren solche Schwimmunfälle immer wieder: Vor kurzem musste in Albstadt im Zollernalbkreis eine Fünfjährige nach einem Badeunfall reanimiert werden, auch sie starb im Krankenhaus. Und es gibt viele andere solcher Geschichten. 2023 sind in Baden-Württemberg laut DLRG 43 Menschen ertrunken, 14 Tote mehr als noch 2022.
Haben Kinder keine Lust auf Schwimmen?
Häufig wird dann attestiert, dass gerade Kinder und Jugendliche heutzutage einfach schlechter schwimmen könnten. Aber woran liegt es, dass 2024 von 100.000 Schul-Neuankömmlingen in Baden-Württemberg zwischen 60 und 70 Prozent nicht schwimmen können? Üben die Eltern nicht genug? Haben die Kinder keine Lust auf Schwimmen? Wenn ich mich so an die Freibad-Saison erinnere, dann habe ich nicht das Gefühl, dass Eltern mit ihren Kindern nicht schwimmen gehen würden. Und auch in meiner Kindheit und Jugend war das Bad in meiner Heimatstadt immer voll.
Großer Nachholbedarf Nach Corona: In BW lernen wieder mehr Kinder schwimmen
Während der Corona-Pandemie blieben viele Bäder in BW geschlossen - Kinder konnten deshalb nicht schwimmen lernen. Das hat sich wieder geändert. Es gibt einen großen Nachholbedarf.
Um diese Fragen zu beantworten, habe ich Edgar Koslowski und Eleonore Wagner angerufen. Edgar Koslowski ist der Vorsitzende des Landesverbands Baden-Württemberg der Deutschen Schwimmeister. Er organisiert die Vernetzung und Ausbildung von zukünftigen Schwimmeisterinnen und -Meistern, die dann die Schwimmbäder betreiben. Eleonore Wagner wiederum ist Geschäftsführerin der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft in Baden-Württemberg, kurz DLRG. Die DLRG bietet Schwimmkurse für Kinder an und bildet Rettungsschwimmerinnen und -schwimmer aus, die Badegäste in Not retten.
Für beide ist der Hauptgrund klar, wieso Kinder immer schlechter schwimmen: Es gebe nicht genügend Schwimmbäder. "In Baden-Württemberg gibt es aktuell rund 850 kommunale Schwimmbäder", berichtet Edgar Koslowski. Alleine vergangenes Jahr sollen laut Koslowski knapp 15 Bäder geschlossen worden sein. Der Grund: Es rechnet sich nicht mehr. Denn Schwimmbäder sind teuer für die Kommunen: Viele der Anlagen wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren gebaut und sind heute renovierungsbedürftig, stecken aber im Sanierungsstau. Dazu die hohen Energiepreise, Personalkosten und Hygienestandards. Zum Teil könne man zwar die Kosten auf den Eintritt oder Getränke und Speisen - Finger weg von der süßen Tüte am Kiosk - umlegen. "Aber dann können sich Familien das Schwimmbad gar nicht mehr leisten", sagt Koslowski. Bereits jetzt ist die Zahl an Nichtschwimmerinnen und -schwimmern in ärmeren Haushalten deutlich höher als in reicheren Familien.
Bis zu drei Jahre Wartezeit! Ihr findet keinen Schwimmkurs für eure Kinder? Das sind die Gründe
Eigentlich müssten die Grundschulen Schwimmunterricht anbieten. Viele können aber nicht. Eltern weichen deshalb auf private Schwimmkurse aus. Doch die Wartezeiten sind irre lang.
Es fehlt an Geld, Bädern und Unterricht
Stattdessen müssten die meisten Kommunen den Unterhalt ihres Bades subventionieren. Aber auch das ist nicht billig: "Pro Badegast müssen Kommunen den Bädern zwischen fünf und zehn Euro dazugeben – pro Tag", so Koslowski. Es gebe zwar auch Kommunen, die gut aufgestellt sind, was ihre Schwimmbäder angeht, aber das sei nicht die Regel, ergänzt Eleonore Wagner von der DLRG. Und das zieht einen Rattenschwanz mit sich. Bereits jetzt gäbe es bei einzelnen Ortsverbänden der DLRG Wartelisten für Schwimmkurse von bis zu drei (!) Jahren. "Ohne Schwimmbad, werden diese Listen immer länger", sagt Wagner, "es gibt einfach zu wenig Wasserfläche." Dass die Kinder dann nicht gut schwimmen können, ist logisch. "Mit fehlender Lust der Kinder am Schwimmen hat das alles aber nichts zu tun", fasst Wagner zusammen.
Ich höre Frau Wagner von der DLRG zu und merke, wie privilegiert ich in dem Punkt wohl aufgewachsen bin. In meiner Heimatstadt gibt es ein Hallenbad, ein Freibad mit großem Schwimmbecken und sogar ein Abenteuerbad mit Rutschen, Sauna und Wellness. Jede Person in meinem Umfeld kann schwimmen. Wir mussten als Kinder nie darüber nachdenken, ob wir schwimmen gehen können. Was auch daran lag, dass wir - gefühlt - mehr Zeit im Sportunterricht im Schwimmerbecken als in der Turnhalle verbracht haben. Und heute? Laut der DLRG-Geschäftsführerin kann aktuell jede fünfte Schule keinen Schwimmunterricht anbieten. Auch Edgar Koslowski beobachtet, dass, Schwimmunterricht immer weniger Platz im Lernplan habe. Gerade während der Corona-Pandemie habe quasi gar kein Schwimmunterricht mehr stattgefunden. Auch dass trage dazu bei, dass viele Kinder nicht gut schwimmen können.
Schwimmbäder als Ort kollektiver Freiheit
Fehlende Schwimmbäder, zu wenig Unterricht, lange Wartelisten. Mit dem Vorfall in Korntal-Münchingen mag das alles nichts direkt zu tun haben. Dort gibt es ein Bad, Rettungskräfte waren präsent. "Aber ohne Bäder und Unterricht kann sowas leider immer wieder passieren", schätzt Frau Wagner von der DLRG. "Schwimmen ist nicht nur toll, um im Urlaub ins Meer springen zu können, sondern letztlich überlebenswichtig." Darum rät Edgar Koslowski jedem Bürgermeister davon ab, das Schwimmbad der Gemeinde zu schließen: "Die Kleinen lernen dort schwimmen, aber es geht auch um die Gemeinschaft. Wo soll man sich mit Freunden denn im Sommer sonst treffen?" Der Historiker Matthias Oloew sagt bei "Deutschlandfunk Kultur" sogar, dass Schwimmbäder einer der wenigen Orte der kollektiven Freiheit sind.
Voting: Wie habt ihr schwimmen gelernt?
Die Abstimmung ist bereits beendet.
Hinweis: Das Abstimmungsergebnis zeigt ein Meinungsbild unserer Nutzer*innen und ist nicht repräsentativ.
In der vergangenen Woche wollten wir von euch wissen, wie ihr die neuen Champions-League-Regeln findet. Die Mehrheit (52,83 %) hat geantwortet: "Das versteht doch niemand, nur die UEFA selbst. Und vermutlich stecken da gar keine Wettbewerbs-Gründe dahinter, sondern nur wieder finanzielle oder so."
Über den Badeunfall in Korntal-Münchingen hat SWR4 BW am 24. September 2024 berichtet.
Das hat uns außerdem diese Woche beschäftigt:
Ermittlungen gehen in alle Richtungen Tote Seniorin im Garten bei Schwaikheim wurde Opfer von Gewaltverbrechen
Angehörige hatten am Dienstag in einem Garten bei Schwaikheim die Leiche einer Seniorin entdeckt. Laut Obduktion handelt es sich um ein Gewaltverbrechen. Die Polizei sucht Zeugen.
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