Michael Ballweg hält auf einer Bühne vor der JVA Stuttgart-Stammheim eine Rede (Archiv).

Vorwurf der Steuerhinterziehung und des Betrugs

Prozessauftakt: "Querdenken"-Gründer Michael Ballweg vor Gericht

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Frieder Kümmerer
Frieder Kümmerer

In Corona-Zeiten organisierte Michael Ballweg Großdemonstrationen gegen die Corona-Auflagen und sammelte Geld. Jetzt geht es um die Frage, ob er die Geldgeber betrügen wollte.

Am Mittwoch beginnt der Prozess gegen den Gründer der "Querdenken"-Initiative Michael Ballweg. Nachdem die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Landgericht sich über die Zulässigkeit einiger der ursprünglichen Anklagepunkte uneinig waren, steht nun die Anklageschrift fest: Versuchte Steuerhinterziehung, vollendete Steuerhinterziehung sowie versuchter Betrug in 9.450 Fällen. Michael Ballweg wurde 2022 festgenommen und kam zunächst in Untersuchungshaft. Da laut Behörden zunächst Fluchtgefahr bestand, saß er neun Monaten in Untersuchungshaft. Ballwegs Verteidiger sagen, dass die Vorwürfe "jeglicher Grundlage entbehren".

Tatvorwurf: Versuchter Betrug in 9.450 Fällen

Der Anklagepunkt, der laut Experten im Vordergrund stehen dürfte, ist der Vorwurf des "versuchten Betrugs im besonders schweren Fall in 9.450 tateinheitlichen Fällen". Dieser Vorwurf der Staatsanwaltschaft Stuttgart ist vom Landgericht zunächst nicht zugelassen worden. "Hinsichtlich der Betrugs- und Geldwäschevorwürfe lehnte sie (die Wirtschaftskammer des Landgerichts Stuttgart; Anm. d. Redaktion) die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, da nach Auffassung der Strafkammer kein hinreichender Tatverdacht hinsichtlich dieser Tatvorwürfe bestand." Das Oberlandesgericht Stuttgart gab aber einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Nichtzulassung statt. Das Oberlandesgericht hatte, anders als das Landgericht, im Januar auch hinsichtlich des versuchten Betruges einen hinreichenden Tatverdacht gesehen, der für eine Anklage nötig ist.

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Die Staatsanwaltschaft hatte darüber hinaus ursprünglich auch den Vorwurf der Geldwäsche angebracht. Dieser Vorwurf wurde aber sowohl vom Landgericht als auch vom Oberlandesgericht abgelehnt. Beide Instanzen sahen keinen hinreichenden Tatverdacht, weswegen dieser Anklagepunkt fallen gelassen wurde. Ab Mittwoch wird an der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart verhandelt. Es wird ein umfangreiches Verfahren erwartet: Über 30 Verhandlungstage sind fürs Erste angesetzt.

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Wie lief der mutmaßliche Betrug ab?

Der mutmaßliche Betrug soll sich so abgespielt haben: Ballweg hatte viel Geld seiner Firma und aus seinem Privatvermögen für "Querdenken 711" ausgegeben. Als Ballweg das Geld ausgegangen sei, habe er seine Unterstützer um Hilfe gebeten. Laut Staatsanwaltschaft habe Ballweg spätestens seit Mai 2020 öffentlich um Geld gebeten. Die Unterstützer hätten ihm insgesamt mehr als eine Million Euro überwiesen. Auf der Website von "Querdenken 711" hatte es lange Zeit die Möglichkeit gegeben, Geld über verschiedene Kryptowährungen sowie über PayPal zu schicken - bei den Aktionen sollte nur unbedingt das Wort "Schenkung" im Betreff verwendet werden und nicht "Spende".

Sowohl laut Staatsanwaltschaft als auch laut Verteidigung haben 9.450 Personen dem "Querdenken"-Gründer Geld überwiesen. Von diesem Geld soll Ballweg dann, so die Staatsanwaltschaft, rund eine halbe Million Euro in sein Privatvermögen umgeleitet haben. Juristisch gesehen sei es versuchter Betrug, weil den Geldgebern vorgegaukelt worden sei, Ballweg habe sich darum bemüht, dass "Querdenken 711" als gemeinnützig anerkannt wird. Zudem habe er sich nicht um den Aufbau einer gemeinnützigen Stiftung oder eines Vereins bemüht.

Staatsanwaltschaft spricht von Täuschung

Die Staatsanwaltschaft erklärte dem SWR vor Prozessbeginn, dass sie Ballweg konkret vorwirft, "hierbei die Zuwendenden darüber getäuscht zu haben, dass er das Geld nicht nur für 'Querdenken 711', sondern in erheblichem Umfang für eigene Zwecke verwenden wollte." Laut Experten dürfte daher während des Prozesses die Frage im Fokus stehen, ob Michael Ballweg versucht hatte, die Geldgeber vorsätzlich zu täuschen. Also ob zum Beispiel suggeriert wurde, dass die Gelder ausschließlich in die "Querdenken"-Bewegung fließen würden und die Tatsache, dass die Gelder auch für private Zwecke ausgegeben werden, verschwiegen wurde.

Dass es bei dem Vorwurf eines "versuchten Betrugs" bleibt, könnte laut Experten daran liegen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die von ihm für private Zwecke verwendeten Gelder von gerade denjenigen Geldgebern stammten, die auch damit einverstanden gewesen sind. Was jedoch an den Vorwürfen dran ist, wird erst das Hauptverfahren vor dem Landgericht zeigen.

Am 20.09.2021 berichtete SWR Aktuell über die Finanzierung der "Querdenken"-Initiative mit Hilfe der Familienstiftung "Herzensmenschen":

Tatvorwurf: Steuerhinterziehung

Beim Anklagepunkt der versuchten und vollendeten Steuerhinterziehung ist zum Umfang des Vorwurfes bisher wenig bekannt, da wegen des Steuergeheimnisses keine Details veröffentlicht werden dürfen. Im Jahr 2023 erklärte aber die Verteidigung von Michael Ballweg, dass es um die Steuererklärungen des Privatmanns Ballweg und seines Unternehmens gehe. Diese seien für das Jahr 2020, die im August 2022 fällig waren, nicht fristgerecht eingereicht worden. Die Verteidigung argumentiert, dass diese Erklärungen gar nicht fristgerecht eingereicht werden konnten, da Ballweg schon vor Ablauf der Frist in Untersuchungshaft gelandet sei.

Kurz vor Prozessbeginn bekräftigte das Verteidigungsteam um Michael Ballweg gegenüber dem SWR, dass "sowohl der Vorwurf des versuchten untauglichen Betruges wie auch der zweite Vorwurf der versuchten Steuerhinterziehung jeglicher Grundlage entbehren." Ein Urteil wird voraussichtlich erst im kommenden Jahr gefällt.

Neun Monate Untersuchungshaft

Am 29. Juni 2022 hatte die Polizei Michael Ballweg verhaftet. Bei einer Durchsuchung hatten sich laut Behörden-Angaben konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Ballweg sich ins Ausland absetzen wollte. Insgesamt neun Monate saß Ballweg in Untersuchungshaft. Die Gerichte sahen eine mögliche Fluchtgefahr, Ballweg und seine Verteidiger warfen den Gerichten Unverhältnismäßigkeit vor. Das Oberlandesgericht erklärte, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen "durchweg mit der gebotenen Beschleunigung zügig geführt" habe. Ballwegs Anwälte hatten mehrfach auf ein Ende der Untersuchungshaft gepocht. Vor allem, als die Haft nach sechs Monaten um weitere drei Monate verlängert wurde.

Nach neun Monaten, als regulär die Untersuchungshaft erneut geprüft werden musste, sah das Oberlandesgericht keinen ausreichenden Grund, die Untersuchungshaft erneut zu verlängern. Ballweg kam unter Auflagen auf freien Fuß. Der Grund: Weil die Untersuchungshaft auf eine eventuelle Strafhaft angerechnet wird, habe sich die Straferwartung reduziert. Darum habe sich die Fluchtgefahr verringert.

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