Feldbetten stehen in einer Notunterkunft für ukrainische Flüchtlinge.

Engpässe bei Unterbringung und Versorgung

Geflüchtete: Stuttgart will möglichst keine Sporthallen belegen

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Vanessa Sieck
Vanessa Sieck
Kerstin Rudat
Kerstin Rudat

Ab Dezember vermutlich wieder Geflüchtete in Sporthallen - mit dieser Ankündigung stand die Stadt Stuttgart zuletzt stark in der Kritik. Vielleicht geht es doch anders.

In der vergangenen Woche äußerte die Stuttgarter Stadtverwaltung: Stuttgart müsse aller Voraussicht nach erneut geflüchtete Menschen in Sport-, Turn- oder Versammlungshallen unterbringen, weil die Kapazitäten in Hotels und Systembauten nun erschöpft seien. Und auch schon im September wurde thematisiert, dass die Grenze der Aufnahmefähigkeit erreicht sei. Kritik brach aus. Denn dann würde sicherlich in vielen Hallen kein Sport und für Schulen kein Sport-Unterricht mehr stattfinden.

Jetzt äußert sich Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) zu der Kritik und relativiert: Geflüchtete würde die Stadt wirklich nur "im äußersten Notfall" in Sport- und Versammlungshallen unterbringen. Die Rede ist von sechs Hallen in Stuttgart. Alternativen würden aktuell unter Hochdruck überprüft. Man versuche, die Geflüchteten möglichst gleichmäßig im Stadtgebiet unterzubringen. Die Stadt sei aber unter Druck, weil eingeplante Hotelplätze weggefallen seien, so Nopper.

Wir haben vor wenigen Tagen völlig überraschend und kurzfristig eine Absage eines Hotelbetreibers bekommen, der uns über 600 Plätze zur Verfügung stellen wollte.

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Vereine und Schulen wollen Sport-Möglichkeiten erhalten

Sporthallen zu Unterkünften umwandeln - davon sind weder Sportvereine noch Schulen sonderlich begeistert. Claudia Herhofer, Lehrerin am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Stuttgart, sagt, das wäre aus ihrer Sicht "der Super-Gau". Viele Klassen hätten wegen Corona keinen Sport gehabt, also keine Bewegung, dann jetzt genau ein Jahr lang Sport-Unterricht und hätten dann wieder keinen Sport. "Und letztendlich sehen wir jetzt noch die Defizite von der Corona-Zeit", so Herhofer.

Wir erwarten von der Stadt, dass sie ihrer Verantwortung gerecht wird und alle anderen Möglichkeiten vorrangig ausschöpft, bevor eine Sperrung der Turnhalle für Geflüchtete erfolgt.

In manchen Kommunen oder Teilorten gibt es für die Vereine keine Ausweichmöglichkeiten. "Das ist unsere einzige Halle, die wir in Birkach haben. Wir haben eine totale Unterversorgung hier", sagt etwa Ulrich Fellmeth, erster Vorsitzender des TSV Birkach. Deshalb erwarte sein Verein von der Stadt, alle anderen Möglichkeiten zuerst zu nutzen, bevor die Halle umgenutzt werden muss. Hier würden unter anderem Volleyball, Tanzen oder Behindertensport stattfinden.

Andere Hotels oder private Gebäude umnutzen oder erschließen?

Bei privaten Gebäuden stelle die notwendige kurzfristige Verfügbarkeit ein Problem dar. Es müsse alles geprüft werden, man muss die Miete verhandeln, es geht darum, ob Wasser und Strom verfügbar seien, wie gut die Unterkunft erreichbar ist und so weiter. Eine Menge logistischer Fragen müssten geklärt werden. Laut Auskunft der Stadt Stuttgart betrage der Vorlauf bei Gebäuden in eigener Verantwortung bereits sechs bis acht Wochen. Neue Gebäude anzumieten, sei nicht so einfach und ein sehr komplexer Prozess. Und für neue Modulbauten hatte es im Sommer Widerstand im Gemeinderat gegeben.

CDU im Gemeinderat wollte keine weiteren Unterkünfte bauen

Vorausgegangen war eine breite Diskussion, nachdem die CDU im Gemeinderat angekündigt hatte, den Bau neuer Unterkünfte für Geflüchtete nicht mehr mittragen zu wollen. Der Bau neuer Unterkünfte wurde dann aber doch beschlossen. Die Diskussion wird im Gemeinderat sicherlich weitergehen. Die Grünen-Fraktion hat am Donnerstag einen Antrag eingereicht, Sporthallen als "allerletzte Wahl" zur Unterbringung von Geflüchteten zu nutzen.

Im Antrag machen die Grünen zudem Vorschläge, welche Gebäude die Stadtverwaltung prüfen solle. Neben Waldheimen und leerstehenden Hotels werden auch Gewerbegebäude wie das Statistische Landesamt, das Leitz-Areal in Feuerbach, die Allianz im Westen oder das Gebäude der Württembergischen Versicherung vorgeschlagen. Auch ungenutzte Gemeindesäle von Kirchengemeinde möchte die Fraktion geprüft sehen.

OB Nopper: keine Tabus oder Denkverbote bei der Suche

Und wie ist das mit den Alternativen, die jetzt schon im Gespräch waren? Eine Unterbringung auf dem Wasen in Zelten gehe nicht, weil die Bierzelte nicht beheizbar seien. Kurzfristig bekäme die Stadt keine Container für den Wasen, die Nachfrage sei zu groß. Aber, betont Nopper, "es gibt keine Denkverbote". Man prüfe trotzdem eine Unterbringung auf dem Wasen - und auch am Stöckach auf dem EnBW-Areal.

Ein Gelände in Stuttgart, auf dem die EnBW ein großes Wohnbauprojekt plante: Jetzt ist es vorläufig gestoppt.
Könnte das EnBW-Areal in Stuttgart am Stöckach Platz für Geflüchtete bieten?

Ludwigsburg kann vorerst auf Container verzichten

Auch im Kreis Ludwigsburg ist die Unterbringung von Geflüchteten ein großes Thema. Dort sollten Anfang nächsten Jahres neue Container von Geflüchteten bezogen werden. Doch diese werden jetzt doch noch nicht gebraucht. Die Stadt hat beispielsweise bestehende Mietverträge recht überraschend verlängern und neue Wohnungen für Geflüchtete kaufen können. Aber: Nach jetzigem Stand werden die neuen Container wohl einige Monate später gebraucht, so die Stadtverwaltung, auch im Kreis.

Mehrere Wohn-Container, in denen Menschen schlafen können, stehen nebeneinander
Ludwigsburg rechnet damit, im kommenden Jahr irgendwann Container zur Flüchtlings-Unterbringung zu brauchen.

Containerdorf für 130 Menschen in Filderstadt ab Februar 2024

Am Dienstag hat in Filderstadt (Kreis Esslingen) ein Nachbarschaftsgespräch zu einem geplanten Containerdorf für Geflüchtete im Ortsteil Plattenhardt stattgefunden. Das Containerdorf soll temporär für zwei Jahre auf dem Weilerhauparkplatz stehen. Im Februar 2024 werden dort voraussichtlich 130 Geflüchteten einziehen. Die Anlage sei so konzipiert, dass sowohl Einzelpersonen als auch Familien untergebracht werden können. Die Tiefbauarbeiten zur Erschließung laufen bereits auf Hochtouren. Der Platz wurde schon 2015/2016 als Zelt- und Containerstandort genutzt.

Die Veranstaltung verlief nach Auskunft der Stadt sehr ruhig und sachlich. Ungefähr 300 Anwohnerinnen und Anwohner waren zu dem Gespräch gekommen. Viele hätten ihre Hilfe in der Geflüchteten-Arbeit angeboten. Trotzdem gäbe es natürlich Ängste und weitere Fragen, so Oberbürgermeister Christoph Traub (CDU). Problematisch sieht Traub, dass auch in Filderstadt die Kapazitäts- und Leistungsgrenzen langsam erreicht seien - wie es viele Kommunen und Landkreise schon seit ein paar Monaten kommunizieren.

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Der Rems-Murr-Kreis arbeitet nach eigenen Angaben schon seit Ende 2021 daran, die Zahl seiner Plätze für Geflüchtete wieder aufzustocken. Damit wollte der Kreis auch bei steigenden Geflüchtetenzahlen handlungsfähig bleiben, ohne beispielsweise weitere Sporthallen belegen zu müssen. Der Aufbau von Wohnheimplätzen dauere aber. Mittlerweile hat der Rems-Murr-Kreis die Zahl seiner Plätze für Geflüchtete von 1.100 auf knapp 3.000 aufgestockt. Eine Zeltstadt in Backnang dient jetzt als Übergangslösung.

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