Menschen stehen täglich in langen Schlangen vor der Ausländerbehörde in Stuttgart. Antragstellerinnen und Antragsteller müssen teilweise stundenlang warten. Der Grund: Personalmangel in der Behörde. Auch die Stuttgarter Landtagsabgeordnete und baden-württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) äußerte sich am Dienstag auf X (vormals Twitter) zu den Zuständen und sprach von einer Schande für die Stadt Stuttgart.
Am Mittwochabend reagierte die Stadt in Person von Bürgermeister Clemens Maier (Freie Wähler) - und wies die Kritik von sich. Gleichzeitig sei der Behörde die Situation und die Belastung für Bürger und Mitarbeitende jedoch "sehr bewusst", wird der Bürgermeister für Sicherheit und Ordnung in einer Pressemitteilung zitiert.
Kritik an Ausländerbehörde und Bürgerbüros
Landtagspräsidentin Muhterem Aras hatte auf X ein Foto von Menschen gepostet, die in der Dunkelheit vor der Stuttgarter Ausländerbehörde warten, um am nächsten Tag eventuell einen Termin zu bekommen. Dazu schrieb sie: "Menschen 'campen' vor der #Ausländerbehörde, um einen Termin zu bekommen - eine Schande für eine internationale und wirtschaftsstarke Stadt."
Aras im SWR-Interview: "Ich schäme mich"
Im Interview mit dem SWR ging Aras auf den Post auf X genauer ein. Das Bild, das ein Mitarbeiter von ihr nachts um zwei Uhr aufgenommen hatte, war für sie ein Moment, in dem sie dachte: "Jetzt reicht es. Man muss endlich handeln." Die Stadt Stuttgart verweist auf den Personalmangel, der in der Ausländerbehörde herrscht.
Für Aras ist das kein ausreichendes Argument: Viele Branchen litten unter dem Fachkräftemangel. Die Behörde würde wenig unternehmen, um die Arbeit etwas attraktiver zu machen. "Die Frage ist: Gehe ich tatsächlich neue Wege, wenn ich weiß, es ist wirklich schwierig, Personal zu bekommen. Oder lehne ich mich zurück und denke, das wird sich schon von allein lösen?", so Aras. Ihrer Meinung nach könne man auch Studenten der Verwaltungshochschulen oder Pensionäre als Hilfskräfte einsetzen.
Diese Warteschlangen seien nicht mehr hinnehmbar. "Ich schäme mich wirklich, dass in meiner Heimatstadt, in dieser internationalen Stadt, Menschen campieren müssen, um ihren Pass zu verlängern. Das ist nicht mehr zeitgemäß", bekräftigt Aras ihren Post auf X.
Stuttgart will bis Jahresende 17 Stellen neu besetzen
In der Mitteilung von Mittwochabend greift die Stadt Stuttgart diese zentralen Kritikpunkte auf und entgegnet: "Die Überlastung unserer Ausländerbehörde ist kein spezielles Stuttgarter Problem. Sehr viele Städte sind bundesweit in einer Notlage", sagt Clemens Maier.
Gleichzeitig kündigt er an, dass bis Jahresende 17 vakante Stellen neu besetzt werden sollen. "Wir erhoffen uns spürbare Erleichterung, wenn neue Kolleginnen und Kollegen eingearbeitet sind."
Stadt Stuttgart: "Braucht Zeit, bis die Maßnahmen greifen" Stuttgart: Probleme bei Ausländerbehörde dauern weiter an
Die Kritik an der Situation bei der Stuttgarter Ausländerbehörde reißt nicht ab. Draußen werden die Schlangen immer länger, nicht wenige Menschen campieren nachts vor Ort. Die Stadt Stuttgart bittet weiterhin um Geduld. Ein Vor-Ort-Besuch.
Maier betont darüber hinaus, dass sich bei den Bürgerbüros bereits eine Entlastung abzeichne. Die Wartezeiten seien "in keiner Weise mit denen bei der Ausländerbehörde zu vergleichen".
Im Fall der Ausländerbehörde hofft er indes auf Unterstützung durch das Land. "Schimpfen hilft nicht weiter. Man muss die Gründe der komplexen Lage näher betrachten. Wir freuen uns, wenn das Land die stark belasteten Städte und Gemeinden unterstützen kann, und sind für konstruktive Lösungsvorschläge von Frau Aras jederzeit offen", sagt er.
SPD-Fraktion in BW schlägt zentrales Landeseinwanderungsamt vor
Die baden-württembergische SPD-Fraktion schlägt unterdessen die Schaffung eines zentralen Landeseinwanderungsamts vor. Damit soll die Personalpolitik zentralisiert werden, heißt es im Entwurf für ein Positionspapier, das die SPD-Fraktion am Mittwoch auf ihrer Klausurtagung in Münsingen (Kreis Reutlingen) beschlossen hat. Die Außenstellen des Einwanderungsamts sollen dabei die bisherigen unteren Ausländerbehörden ersetzen.
Die Idee kommt von der Grünen-Landtagsfraktion, so Aras. "Es macht schon Sinn, landesweit eine zentrale Stelle zu haben, wo man Fachkräfte und die Zuwanderung bündelt", sagte Aras dem SWR. Gerade, wenn es um Fachkräfte aus dem Ausland gehe, wäre dies sinnvoll. Ziel wäre es, Bürokratie zu vereinfachen und die Fachkräfte aus dem Ausland zu unterstützen. Sie freue sich, dass die Bundesregierung das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in die Wege geleitet hat. Jetzt müsse es nur noch in der Praxis stattfinden.
"Eine langfristige Verbesserung der Situation, insbesondere die Möglichkeit einer zentralen Personal- und Entscheidungspolitik, kann möglicherweise nur durch die Schaffung eines Landeseinwanderungsamts - wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen - geschaffen werden", heißt es in dem SPD-Positionspapier. Kommunale Dienstleistungen, die keinen dezidiert ausländerrechtlichen Bezug hätten, wie etwa An- und Ummeldungen, sollten aus der Struktur des Landeseinwanderungsamts ausgegliedert und in die kommunalen Bürgerämter eingegliedert werden.
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Kritik am zuständigen BW-Justizministerium
"Wir sehen, dass es kaum einheitliche Entscheidungen gibt", kritisierte SPD-Generalsekretär Sascha Binder die Zustände. Die Verwaltung müsse schneller und digitaler werden. Das für Migration zuständige BW-Justizministerium habe derzeit nicht mal einen Überblick, was an Anträgen da sei, es gebe keinerlei Austausch.
Das CDU-geführte Justizministerium wehrte sich entschieden gegen die Kritik. Die Landesregierung plane bereits, eine zentrale Stelle für die Fachkräfteeinwanderung einzurichten, sagte Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek (CDU) am Mittwoch.
Die SPD-Forderung gehe am Kern des Problems vorbei. Die Ausländerbehörden seien deshalb am Anschlag, weil sie sich um immer mehr Menschen kümmern müssten, ohne ausreichend Personal dafür zu finden. "Während die Ausländerverwaltung in Baden-Württemberg 2011 noch für rund 1,15 Millionen Ausländer zuständig war, waren es 2022 bereits über 2 Millionen. Das Pensum nimmt kontinuierlich zu. Das lässt sich auch nicht wegzentralisieren", sagte Lorek. Er nahm Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in die Pflicht. Diese müsse sich konsequent dafür einsetzen, irreguläre Migration zurückzudrängen.