Sprachrohr für Berufsstand

BW-Gesundheitsminister will verpflichtende Mitgliedschaft in Pflegekammer einführen

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Eine verpflichtende Kammermitgliedschaft für rund 110.000 Pflegekräfte in Baden-Württemberg - so sieht das ein Gesetzentwurf von Sozialminister Lucha (Grüne) vor. Daran gibt es Kritik.

Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach alle rund 110.000 Pflegerinnen und Pfleger im Land in der neuen Kammer Mitglied werden sollen. Es handelt sich um eine verpflichtende Mitgliedschaft. Sie soll die Interessen der Pflegekräfte vertreten.

Der baden-württembergische Landtag hat nun am Donnerstagnachmittag über die Einrichtung dieser Pflegekammer debattiert. Diese stößt sowohl in der Opposition im Landtag als auch unter Pflegekräften auf Kritik. Nach dem Willen des Gesundheitsministers soll die geplante Kammer ein Sprachrohr der Beschäftigten werden - doch viele wehren sich gegen eine verpflichtende Mitgliedschaft.

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Lucha: Pflegekammer schafft Gleichbehandlung

Für Sozialminister Lucha gibt es keine Alternative: Nur eine Pflegekammer schaffe eine Gleichbehandlung mit anderen Heilberufen. Ähnlich wie die Ärztekammer soll sie die Interessen ihrer Mitglieder vertreten.

Gesundheitsminister Lucha verteidigte die Vertretung gegen die Kritik von Pflegenden, Opposition und Gewerkschaft. Es werde Zeit, dass die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen über ihren eigenen Berufsstand mitentscheide und in Gremien mit am Tisch sitze, sagte er am Donnerstag im Landtag bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs. Bislang empfange sie nur die Regeln, die andere machten. Die Pflegekammer werte den Pflegeberuf auf und helfe dabei, den Bedarf an Fachkräften zu sichern.

"Aus meiner Sicht ist nur eine Kammer geeignet, eine wirksam in Selbstverwaltung organisierte Vertretung der Pflegefachberufe zu schaffen."

Pflichtbeitrag von 60 bis 100 Euro pro Jahr

Der geplante Pflichtbeitrag soll zwischen 60 und 100 Euro pro Jahr liegen. Das ist vielen Pflegekräften zu viel. Die SPD im Landtag kritisiert, dass das geplante Gesetz die Beschäftigten in der Pflege spalte. Minister Lucha treibe die Polarisierung auf die Spitze und wolle das Gesetz mit der Brechstange durchsetzen. Auch FDP und AfD sprechen sich gegen die sogenannten Zwangsgebühren aus. Die Regierung weist darauf hin: Wer Hilfskraft, Azubi oder im Ruhestand ist, soll freiwillig Mitglied werden können.

Pfleger bislang schlecht organisiert

Das Land verfolgt den Plan für eine Pflegekammer bereits seit 2016. Eine Enquête-Kommission des Landtags hatte dies empfohlen, um die Pflege zu stärken. Die Pflegekräfte sollten auf Augenhöhe mit anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen wie Ärzten und Apothekern gestellt werden. Bislang waren sie in Berufsverbänden und Gewerkschaften eher schlecht organisiert. An einer Befragung zur Einrichtung einer Pflegekammer hatten 2018 knapp 2.700 Pflegekräfte und Auszubildende teilgenommen. Damals waren zwar 68 Prozent für die Kammer, es hatte aber nur ein Bruchteil der 110.000 Kranken- und Altenpflegekräfte im Land teilgenommen. Erste Pläne Luchas hatte die Pandemie gebremst. Zweifel an einer Zustimmung des Landtags zur Pflegekammer gibt es nicht.

Gewerkschaften üben Kritik

Kritik kommt auch von Gewerkschaften, die eine zusätzliche Interessenvertretung für überflüssig halten. Sozialminister Lucha betont: Nur wenn sich 60 Prozent der Pflegekräfte in der Gründungsphase freiwillig anmelden, komme die Pflegekammer zustande.

Pflegekammer gibt es derzeit in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen. Auch die Gewerkschaft ver.di ist weiter strikt gegen die Pläne für eine Pflegekammer. "Kammern sind Institutionen für freie Berufe. Pflegefachpersonen sind aber zu 95 Prozent abhängig beschäftigt. Sie haben Arbeitgeber, darunter auch Pflegedirektionen, die ihnen genau vorschreiben können, wie sie zu arbeiten haben", sagte Irene Gölz von ver.di. Eine zusätzliche Institution, die ihnen weitere Vorschriften mache und möglicherweise Sanktionen auferlege, bräuchten sie nicht.

Pflegekammereinführung bis Ende 2024 geplant

Ein Gründungsausschuss soll ab Mai die Pflegekammer bis Ende 2024 erschaffen. Dieser Ausschuss soll die Arbeit dann an eine Vertreterversammlung abgeben, welche von den Mitgliedern gewählt wird. Die Kammer soll für den Pflegeberuf selbst Standards setzen, über nötige Weiterbildung für ihre Mitglieder entscheiden und im politischen Ringen zentrales Sprachrohr der Pflegenden sein. Dem Gründungsausschuss müssen von den Arbeitgebern alle potenziellen Pflichtmitglieder gemeldet werden.

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