Viele Fälle von Atemwegserkrankungen

RS-Virus-Welle bringt Kinderkliniken in BW an Belastungsgrenze

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Martin Heer
Bild: SWR-Redakteur Martin Heer

Bei Erwachsenen löst es meist nur Schnupfen aus, für Kleinkinder kann das RS-Virus bedrohlich sein. Derzeit werden viele deswegen behandelt. An einigen Kliniken in BW gehen die Betten aus.

Viele Kinderkliniken in Baden-Württemberg sind derzeit durch eine hohe Zahl an Atemwegserkrankungen bei Kleinkindern besonders belastet. Vor allem Infektionen mit dem sogenannten RS-Virus (Respiratorisches Synzytial-Virus) nehmen rasant zu. "Seit etwa einer Woche steigen die Zahlen explosionsartig an", berichtet etwa Jochen Meyburg, Ärztlicher Direktor für Kinder- und Jugendmedizin am RKH Klinikum Ludwigsburg. Die Lage sei sehr ernst, man habe kaum noch freie Betten. Vielen anderen Krankenhäusern geht es ähnlich.

Patienten müssen teils verlegt werden

83 freie Betten auf Kinderintensivstationen deutschlandweit zählte die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) bei einer Umfrage vergangenen Donnerstag. Das seien gerade einmal 0,75 Betten pro Klinik. 43 von 110 Kinderkliniken hatten demnach kein einziges Bett mehr auf der Normalstation frei. Jede zweite gab an, man habe in den letzten 24 Stunden mindestens eine Anfrage durch Rettungsdienste oder Notaufnahmen zur Patientenaufnahme ablehnen müssen.

Jedes freie Bett sofort wieder belegt

Betten seien nur sehr eingeschränkt verfügbar, heißt es von der Kinderklinik der Universität Ulm. Jedes freie Bett werde sofort wieder belegt. Auch die Kinderklinik des Klinikums Mittelbaden in Baden-Baden ist derzeit voll belegt, so Chefarzt Markus Kratz. Teils müsse man Kinder bis nach Freiburg oder Heidelberg verlegen. Grenzwertig ist die Lage zwar auch bei den SLK-Kliniken in Heilbronn, man habe jedoch noch keine Patientinnen oder Patienten abweisen müssen, sondern sogar Kinder aus umliegenden Kliniken aufnehmen können. Am Olgahospital, der Kinderklinik des Klinikums Stuttgart, fragen sogar Kliniken aus anderen Bundesländern an:

"Wir haben Anfragen gehabt am Wochenende aus Frankfurt und aus München, ob wir Kinder übernehmen können. Das ist schon sehr weit weg."

Atemwegserkrankungen treffen auf Personalmangel

Am Olgahospital, Deutschlands größtem Kinderkrankenhaus, mussten zuletzt Behandlungen in einzelnen Abteilungen verschoben oder abgesagt werden. Das habe vor allem an den vielen Kindern mit Atemwegserkrankungen gelegen, aber auch an Personalproblemen. Unter anderem wegen Corona, aber auch, weil der Beruf nicht attraktiv genug sei, sagt Reichert vom Olgahospital: "Das Problem ist im Moment also eine akute, schwere Belastung, die auf eine chronische Unterversorgung trifft."

Mehr Fälle als sonst: Nachholeffekt wegen Corona?

Die RS-Virus-Welle sei schlimmer als im Vorjahr, sagt Jochen Meyburg vom RKH Klinikum Ludwigsburg. Sowohl was die Zahlen angehe als auch die Schwere der Verläufe. Auch ältere Kinder im Kindergartenalter müssten vermehrt stationär aufgenommen werden, weil sie zusätzlich Sauerstoff brauchten - das kenne man aus den vergangenen Jahren so nicht.

An der Uniklinik Freiburg habe sich die Zahl der am RS-Virus erkrankten Kinder verglichen mit vergangenem Jahr verdoppelt. Die Fallzahlen liegen über dem Durchschnitt der Jahre vor Corona, heißt es von der Kinderklinik des Klinikverbunds Südwest in Böblingen. Und auch Kinderarztpraxen sind betroffen: "In den letzten 15 Jahren war nicht so viel los wie zur Zeit!", sagt der Ulmer Kinderarzt Robert Jungwirth. Das liege zwar auch an anderen Atemwegserkrankungen, unter anderem Influenza. RS-Viren spielten aber eine "dominierende Rolle".

Eine Intensivpflegerin versorgt ein am RS-Virus erkranktes Kind.
Eine Intensivpflegerin im Olgahospital versorgt ein am RS-Virus erkranktes Kind.

Das RS-Virus ist ein klassisches Erkältungsvirus. In der Regel steckt sich jedes Kind in den ersten zwei Lebensjahren damit an, sagt Jan Steffen Jürgensen vom Klinikum Stuttgart. Gesunde Erwachsene erkranken daran nur selten schwer. Bei Säuglingen und Kleinkindern kann jedoch ständiger Husten dazu führen, dass sie zu wenig essen und trinken oder Probleme beim Atmen haben. Dass in diesem Jahr so viele Kinder daran erkranken, kann an einem Aufhol-Effekt durch Corona liegen, vermuten Experten. Kontaktbeschränkungen und Hygienemaßnahmen hätten auch andere Erreger in Schach gehalten, somit blieben auch die RS-Virus-Infektionen aus. Diese würden jetzt nachgeholt.

Gesundheitsministerium erwartet Höhepunkt der Welle im Dezember

Das Gesundheitsministerium in Baden-Württemberg steht nach eigenen Angaben im Austausch mit den Kinderkliniken. Man habe zurückgemeldet bekommen, dass die Situation "zwar stark belastend, aber beherrschbar" sei, so der Sprecher. Den Höhepunkt der RS-Virus-Welle erwarte man im Laufe des Dezembers. Das Ministerium geht nicht davon aus, dass dieser höher ausfällt als im vergangenen Jahr.

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