Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) halten es für sinnvoll, über eine Reform des Kommunalwahlrechts zu diskutieren.
Grund ist, dass immer mehr kleine Vereinigungen und Bündnisse bei Gemeinderatswahlen antreten. Mit zu vielen Gruppierungen könnten Gemeinderäte aber nicht mehr effizient Entscheidungen fällen. Der Städtetag fordert angesichts der vielen neuen Listen in den Gemeinderäten, das Wahlsystem zu ändern.
Städtetag: Kommunalpolitik braucht schnelle Entscheidungen
Da es bei den Kommunalwahlen keine Fünf-Prozent-Hürde gebe, sei eine Zersplitterung der Ratsgremien vorprogrammiert, sagte Ralf Broß, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags, dem SWR: "Je zersplitterter ein Gemeinderat ist, desto länger, komplexer und aufwändiger sind tendenziell seine Entscheidungsprozesse", meint er. "Der Erfolg von Kommunalpolitik hängt aber nicht nur von guten Entscheidungen ab, sondern auch von schnellen."
Broß fordert daher die Landesregierung auf, eine mit Wahlrechtsfachleuten besetzte Kommission zu gründen. Diese soll dann Änderungsvorschläge zum geltenden Recht ausarbeiten. Für Broß entscheidend: "In dieser Kommission sollen kommunale Experten mitwirken."
Unberechenbarkeit und wirtschaftliche Nachteile
Die Zersplitterung in den Gemeinderäten nehme dramatisch zu, sagte auch Innenminister Strobl. Er befürchtet einen Verlust von Berechenbarkeit und Stabilität, was auch für die Wirtschaft vor Ort ein Nachteil sei.
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Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen?
Je mehr unterschiedliche Listen in einem Gremium vertreten seien, desto unberechenbarer würden die Entscheidungen, so Strobl. Die Einführung einer Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen ist nach Ansicht des CDU-Politikers allerdings sehr schwierig. Das sieht auch Broß ähnlich. Da die Wähler ihre Stimme bei Kommunalwahlen an Personen, und nicht wie bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen an Parteien vergeben, passe die Fünf-Prozent-Hürde nicht zur Kommunalwahl.
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Von einem ernsthaften Problem spricht Ministerpräsident Kretschmann. Es bestehe die Gefahr, dass reine Partikularinteressen vertreten werden. In Pforzheim beispielsweise seien alle 17 zur Wahl stehenden Listen in den Gemeinderat eingezogen, in Ulm entfielen 40 Prozent der Mandate auf sonstige Parteien und Listen.
Tübinger OB Palmer: Zu viele Mini-Akteure
Kurz nach den Kommunalwahlen hatte auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) das bisherige Auszählungsverfahren kritisiert. Nun seien zehn Listen im Tübinger Kreistag vertreten, neun im Gemeinderat der Universitätsstadt. Im "Schwäbischen Tagblatt" bewertete Palmer die Situation mit weiteren Mini-Akteuren kritisch. Palmer, der künftiges Mitglied beider Gremien sein wird, findet, dass die Zersplitterung unter anderem für die Bildung von Mehrheiten als auch für die fachliche Expertise und Arbeitsteilung kontraproduktiv sei.
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